||» Rezension «|| Die Stimme [von S. K. Tremayne]

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16. März 2021 0 Von Patchis Books
DIE STIMME
S. K. Tremayne
Übersetzer: Susanne Wallbaum
Thriller
Einzelband
400 Seiten
01. Oktober 2020
Droemer Knaur Verlag
Paperback
16,99€
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#werbung #rezensionsexemplar


»Ich weiß, was du getan hast.«
Jo ist schockiert, als die digitale Home Assistentin Electra sie ohne Aufforderung anspricht. Unmöglich kann eine harmlose Software vom Furchtbarsten wissen, das Jo jemals passiert ist! Doch Electra weiß nicht nur Dinge – sie tut auch Dinge, zu denen sie nicht in der Lage sein sollte: Freunde und Eltern erhalten Textnachrichten mit wüsten Beschimpfungen, Jos Bankkonto wird leergeräumt, die Kreditkarte überzogen … Zum ersten Mal seit Jahren muss Jo wieder an ihren Vater denken, der unter heftigen schizophrenen Schüben litt und sich schließlich das Leben nahm. Kann es sein, dass sie sich die Stimme nur eingebildet hat? Doch Electra ist noch lange nicht fertig mit Jo …

(c) by Knaur Verlag

Dieses Buch lag viel zu lange auf meinem SuB, aber ihr kennt das sicher: wenn man nicht in der richtigen Stimmung ist, kann es durchaus sein, dass man das Buch dann automatisch nicht so toll findet. Und das wollte ich um jeden Preis verhindern. Also hab ich es eine geraume Weile liegen lassen, bis mir der Sinn so richtig nach einem Thriller stand. Und das war jetzt der Fall. Nun hab ich’s beendet und kann euch heute meine ausführliche Meinung liefern. Falls ihr also mehr wissen möchtet, bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension ♥

Der Einstieg in Jo’s Geschichte war nicht ganz so einfach, wie ich es mir erhofft hatte. Die junge Frau ist alles andere als einfach und fällt vor allem deswegen immer wieder auf, weil sie eine unglaubliche Portion Neid in sich trägt. Es überdauert das gesamte Buch und immer wieder wird im Nebensatz erwähnt, wie viel Geld und Glück ja alle andere haben; nur sie selbst nicht. Sie bemitleidet sich selbst viel zu sehr, um so richtig liebenswert zu wirken und überzeugt auch auf Sympathie-Ebene nicht komplett. Trotzdem fand ich, dass mit Jo eine interessante, vielschichtige und undurchsichtige Hauptfigur geschaffen wurde, die definitiv für Zündstoff sorgt. Man weiß nie so recht, woran man bei ihr ist und obwohl ihre Handlungen zum Teil etwas verworren und unlogisch wirken, ergeben sie am Ende doch Sinn und treiben die Handlung realistisch voran. Dem Autor ist es bei Jo gelungen, nachvollziehbare Gedankengänge und Reaktionen horvorzurufen und sie lebendig werden zu lassen. Man spürt Jo’s Angst, ihre Verzweiflung; aber auch ihren unbeugsamen Willen und ihre Stärke. Durch die genaue Beleuchtung ihrer Vergangenheit erhielt sie zusätzlichen Tiefgang und so manch Charakterzug wird glaubhafter dadurch. Zugegeben, ich glaube, im wahren Leben käme ich mit ihr nicht klar; eben weil sehr viel Neid, Missgunst und Selbstmitleid bei ihr auftaucht, aber für die Geschichte war sie definitiv eine Bereicherung – manchmal eine nervige Bereicherung, aber immerhin. Es gab auch, entgegen meinen Erwartungen, eine deutliche Entwicklung, die schön zu beobachten ist und ziemlich authentisch ausfällt. Endlich mal kein naives Dummchen, das von heut auf morgen plötzlich auf ihrem Märchenschlaf erwacht und alles klar vor sich sieht. Jo muss für die Auflösung des ganzen kämpfen und macht dabei realistische Schritte; stellt logische Vermutungen an und irrt sich auch mal. Alles in allem war Jo also kein reiner Sympathieträger, aber das ist mir in Thrillern meist auch nicht das wichtigste; viel mehr Wert lege ich darauf, eine interessante und spannende Persönlichkeit kennen zu lernen, die mit Tiefgang und Authenzität ausgestattet ist. Und darin glänzte unsere Jo hier ganz eindeutig.
Randfiguren gab es, verhältnismäßig wenig, und wenn dann nehmen sie keinen allzu tragenden Part innerhalb der Geschichte ein. Wir treffen einige, doch die meisten sind sie nicht weiter spannend. Das Augenmerk liegt viel mehr auf Jo und das ist auch gut so. Trotzdem fand ich selbst den unwichtigsten Charakter als ausreichend detaillreich dargestellt. Sie alle haben ein Gesicht bekommen; einen einprägsamen und einzigartigen Charakter und waren so leicht voneinander zu unterscheiden. Es gab sowohl die Guten, wie auch die Bösen und beide Sparten waren gut ausgearbeitet. Besonders Jo’s beste Freundin Tabitha fand ich sehr interessant. Sie war einerseits echt komisch, trug aber sehr viel zur Handlung bei und hatte mehrere Facetten, die man lange nicht so recht durchschauen konnte. Gefiel mir und war sehr gut gemacht.

Der Schreibstil von S.K. Tremayne lässt sich wunderbar leicht lesen, ist aber gleichzeitig packend und sehr rasant. Trotz der recht komplizierten Thematik gab’s von meiner Seite aus keine Verständnisprobleme und der Lesefluss war absolut angenehm und temporeich. Die Kapitelanfänge sind stets mit kurzen Beschreibungen ausgekleidet, was eine Menge Abwechslung ins Spiel brachte und die Stimmung, die während des Lesens ohnehin schon herrschte, vertiefte. Das Buch ist unglaublich atmosphärisch, düster und kalt, was nicht zuletzt auch tristen, dunklen Londoner Winter gelegen haben wird. Aber auch die drückende Laune von Jo trägt dazu bei, dass man sich als Leser komplett auf die Hauptfigur und auf die Handlung an sich einlassen kann. Besonders gefiel mir hier auch die Tatsache, dass wir längst nicht nur aus Jo’s Perspektive lesen. Zwar nehmen ihre Kapitel den größten Teil des Romans ein, doch immer wieder erhalten wir Leser auch einen Einblick in andere Köpfe. Was die Spannung nach oben trieb und ebenfalls viel Abwechslung bot. Außerdem bringen eben jene fremden Sichten auch sehr viel Verwirrung ins Spiel und das Misstrauen einem jeden gegenüber wächst mit jeder gelesenen Seite. Wem kann man trauen? In wem täuschte man sich womöglich?

Die Idee hinter „Die Stimme“ ist gewiss nicht neu. Bereits vor einiger Zeit schrieb auch Arno Strobel einen Thriller, der sich mit Smart Home beschäftigt. Aber S.K. Tremayne hat sich für eine ganz andere Richtung entschieden, die definitiv neuartig und innovativ erscheint. Aber fangen wir vorn an:
Der Einstieg war mit ein bisschen Geduld verbunden. Ich habe doch ein wenig gebraucht, ehe ich mich so richtig zurecht fand und mich von der Handlung packen lassen konnte. Das liegt in erster Linie daran, dass man sich an Jo erstmal gewöhnen muss. Durch ihre ganz eigene Art bedarf es ein wenig Durchhaltevermögen, aber ist diese kleine Hürde gemeistert, geht’s auch direkt los mit der Spannung. Die Tatsache, dass die Smart Home Geräte plötzlich ein Eigenleben entwickeln, fand ich mehr als interessant und bestätigte mir nur ein weiteres Mal darin, selbst keinerlei solchen Dingen in meiner Wohnung zu haben. Es ist beinah beängstigend, zu was die heutige Technik fähig ist und der Autor hat genau das sehr geschickt in seine Geschichte eingewoben. Dabei setzt er im Laufe der Zeit auf immer mehr abwechslungsreiche Dinge, die die Geräte plötzlich wissen. Anfangs sind es nur Stimmen – Stimmen, die über etwas Bescheid wissen, das selbst Jo längst verdrängt hatte. Doch je weiter wir kommen, desto gruseliger wird es. Es bleibt nämlich keineswegs bei diesen ominösen Aussagen; es geschieht immer mehr bedrohliches. Aber.. was ist mit Jo’s Vater? Er nahm sich wegen shizophrenen Schüben das leben. Ist es da so abwegig, dass sich Jo alles nur einbildet und selbst langsam den Verstand verliert?
Diese Frage ist es, die die Spannung auf einem konstant hohen Niveau hält. Als Leser ist man sich schon nach kurzer Zeit selbst nicht mehr sicher, was Realität und was nur Hirngespinste der Protagonistin ist und dieses mitfiebern und miträtseln macht unglaublich viel Spaß. Man macht sich etliche Gedanken, stellt die wildesten Vermutungen an, will selbst auf die Auflösung kommen. Es wird, durch die bereits erwähnte Abwechslung, zu keiner einzigen Sekunde langweilig. Die Mischung aus Gruselmomenten, atemraubenden Actionszenen und die unberechenbare Undurchsichtigkeit macht das Buch zu einem wahren Pageturner und es wegzulegen, fällt, je weiter man kommt, immer schwerer. Die zusätzlich eingebauten Perspektiven bringen weitere Verwirrung und am Ende ist man einfach nur noch gespannt, wie das denn alles zusammen passen soll. Denn das tut es – auf ganzer Linie.
Das große Finale dieses Buches hat es nämlich in sich. Die Stränge laufen zusammen; die Puzzleteile fügten sich ineinander und es entsteht nach und nach ein klares Bild von dem, was da über hunderte Seiten vonstatten ging. Nur.. ist es da nicht vielleicht schon zu spät? Es ist ein unglaublich mitreißender Schlusspart, der an Action und Spannung kaum zu überbieten ist und auch in Sachen Überraschungen einiges liefert. Ich rauschte nur so durch die letzten Seiten und obwohl ich mir tausende von Gedanken gemacht hatte; tausende von Ideen im Kopf hatte; hat es der Autor doch geschafft, mich komplett hinters Licht zu führen und deshalb am Ende regelrecht umzuhauen. Es war ein wirklich gelungenes Ende, das Spaß machte und  mehr als zufrieden stellte.

„Die Stimme“ von S.K. Tremayne ist ein wirklich packender, sehr aktueller und brisanter Thriller, der uns die Möglichkeiten der heutigen Technik ganz deutlich und beängstigend realistisch vor Augen führt. Smart Home & Co. sind nämlich in der Lage, viel mehr zu können, als nur unser aller Leben zu erleichtern. Mit Jo schickt der Autor eine interessante, vielschichtige und ungewöhnliche Hauptfigur ins Rennen, die mich zwar nicht komplett für sich gewann, aber doch sehr gut in diesen Thriller passte. Mir hat das Lesen, das „an der Nase herumgeführt-werden“ und die Handlung an sich extrem viel Spaß bereitet und ich weiß definitiv, dass ich mehr von Tremayne lesen möchte. Falls ihr auf der Suche nach einem packenden, undurchsichtigen und wendungsreichen (Psycho-)Thriller seid, schaut euch dieses Werk mal näher an. Es lohnt sich auf alle Fälle. Fürs totale Highlight fehlte mir zwar noch der letzte Schliff, aber trotzdem: lest es!! Ich kann mir übrigens auch vorstellen, dass es für Thriller-Neulinge, die nicht allzu zart besaitet sind, ein gutes Einstiegsbuch sein könnte.

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S.K. Tremayne wurde in Devon geboren und lebt heute in London. Sein ursprünglicher Beruf als Reisejournalist bringt es mit sich, dass er die Schauplätze seiner Romane bestens kennt. Ihm gefällt es dort, wo normale Orte plötzlich bedrohlich werden – und wo das Unheimliche ins Leben normaler Menschen tritt. Sein erster Thriller Eisige Schwestern wurde sofort zum Bestseller. Heute werden seine Bücher in dreißig Sprachen übersetzt.

(c) by Knaur Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Knaur Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.