||» Rezension «|| In all seinen Farben [von George Lester]

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19. November 2021 0 Von Patchis Books
IN ALL SEINEN FARBEN
George Lester
Übersetzer: Valerie Thieme
Young Adult
Einzelband
384 Seiten
25. Juni 2021
One Verlag
Paperback
12,90€
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#werbung #rezensionsexemplar

Eine außergewöhnliche LGBTQIA+ Geschichte über Selbstfindung, Mut, Freundschaft und wahre Liebe von Own-Voice-Autor George Lester

In Robin Coopers Leben läuft gerade nichts, wie es sollte: Während sich alle anderen schon aufs College vorbereiten, häufen sich bei ihm die Absagen. Für Robin bricht eine Welt zusammen, als sein großer Traum von der Schauspielschule zerplatzt und er plötzlich ohne Plan für die Zukunft dasteht. Und dann ist da auch noch die Sache mit seinem Freund Connor, der sich nicht offen zu ihm bekennt. Alles ganz schön kompliziert! Doch als ihn seine Clique an seinem 18. Geburtstag in eine Drag Show schleppt, realisiert Robin, dass das Leben manchmal ganz eigene Pläne macht …

(c) by One Verlag

Ehrlich gesagt hat mich das Buch zunächst nicht wirklich angesprochen – und das hatte gleich mehrere Faktoren: zum einen hatte ich mit Romanen, die eine queere Thematik behandeln, bisher nur wenig Glück. Zum anderen ist das Ganze als Young Adult vermarktet worden, sodass weitere Zweifel dazu kamen. Doch irgendwie, und bitte fragt nicht, wie genau, hat das Buch einen Weg in mein Regal gefunden. Dort ruhte es anfangs auch ganz gemütlich und musste sich in Geduld üben. Doch jetzt dachte ich mir, ich geb dem ganzen doch mal eine Chance und schuppere mal rein. Heute kann ich euch dann auch endlich verraten, wie mir Robin’s Geschichte und die Handlung ganz allgemein gefallen hat. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Der Sprung ins Geschehen gestaltet sich zwar als nicht weiter schwierig, doch der Einstieg gelang mir trotzdem nicht problemlos. Ich tat mir enorm schwer, überhaupt einen Zugang zu der Geschichte zu finden, denn die Kennenlern-Phase mit den beteiligten Figuren fiel nicht ganz nach meinem Geschmack aus. Die Charaktere benahmen sind kindisch, die Problematiken mit denen sie sich befassten waren lapidar und irgendwie wenig interessant und der Sprecher tat sein übriges, um mich erst einmal zu verschrecken. Doch die Geduld und der Ehrgeiz, dranzubleiben, haben sich gelohnt; denn ich gewöhnte mich nicht nur an die sehr außergewöhnliche Erzählweise des Sprechers, sondern auch an Robin, Nat und Co. Und ab diesem Punkt nahm die Handlung dann auch endlich an Fahrt auf und es wurde zunehmend interessanter.
George Lester liefert uns hier einen tiefen Einblick in den Alltag eines schwulen Jungen, der nicht nur auf Toleranz und Akzeptanz trifft, sondern sich auch mit Mobbing, Ablehnung und Homophobie auseinandersetzen muss. Der Einblick in die Gefühlswelt von Robin war unglaublich intensiv und berührte mich auf einer Ebene, wie ich es hätte kaum für möglich gehalten. Die ganze Thematik wurde von dem Autor 100% authentisch und dementsprechend wahnsinnig lebendig dargestelt, sodass einem das Mitfiebern, Mitfühlen und Mitleiden total leicht fiel. Alles, was hier geschah war nachvollziehbar und berührend, und beängstigend real. Immer wieder muss man sich vor Augen führen, dass genau das, was hier so schrecklich ist, für viele queere Menschen da draußen, Alltag ist. Doch das ist längst nicht alles, was überzeugt. Es ist nur eine Facette von vielen. Denn neben dem Faktor mit Robin’s sexueller Orientierung, ist auch Selbstfindung ein wesentlicher Bestandteil des Romans, der einen emotional mitreißen kann. Es schwingt so viel zwischen den Zeilen mit, so viel, was man aus Robin’s Leidensweg mitnehmen kann und vor allen: so viel, was den eigenen Horizont erweitert. Es bringt einem die gesamte LGBTQ+ Szene näher, lässt den Lesern einen Blick hinter die Kulissen erhalten und verdeutlicht, wie normal es ist, queer zu sein – oder besser gesagt: wie normal es sein sollte. So ein Maß an Tiefgang, in einem Young Adult Roman, war eine regelrechte Sensation.
Und als letzten, nicht unwesentlichen Faktor: die Drag Shows. Ich war schon immer fasziniert von der Verwandlung, die manche Menschen hinlegen; von den Künsten, die sie beherrschen und den MakeUp-Skills, die sie draufhaben. Und das alles nochmal in unmittelbarer Nähe zu erleben, machte neben all den Emotionen, die in dem Buch vorherrschen, auch noch eine ganze Menge Spaß. Es war durch und durch interessant, niemals auch nur annähernd langweilig und stets gefühlvoll. Was will man mehr?
Ich kann nicht behaupten, dass das Buch fehlerfrei war, aber das, was es mir gab, war unvergleichlich unterhaltsam. Selbst das Ende, das natürlich aus einem Happy End bestand und in gewisser Weise auch vorherzusehen war, begeisterte mich. George Lester handelt das ganze, verhältnismäßig, undramatisch ab, setzt viel eher auf die Moral von der Geschichte und auf die großen Gefühle. Die Lovestory, die sich über das Buch hinweg, ganz langsam entwickelte, gipfelte in einem wundervollen Finale und rundete das Buch schlussendlich dann perfekt ab.

Die Charaktere hatten, wie ich es oben schon erwähnt hatte, einen recht schwierigen Start. Während mir Robin von Anfang an schon recht sympathisch erschien, so waren seine besten Freunde Nat und Priya und Co. eher weniger ansprechend. Allein die Dialoge ließen mich schon so manches Mal die Augenbrauen nach oben ziehen, aber auch in Sachen Verhalten war da zu Beginn noch sehr viel Luft nach oben. Alle, auch Robin, kamen mir extrem jung vor; keineswegs wie 17-jährige Schüler, sondern eher wie 13-14-jährige pubertierende Teenager. Und dieser Eindruck zog sich auch wirklich durch das gesamte Buch. Der Vorteil war nur, dass ich mich daran gewöhnte und über so manch Aktion dann einfach hinweg sah – denn neben diesem einen negativen Punkt, war alles andere mehr als positiv. Besonders unser Protagonist glänzte durch sehr lebendige Emotionen, enorm viel Tiefgang und jede Menge Greifbarkeit. Mit ihm mitzufiebern war wirklich leicht, denn obwohl wir grundverschieden sind – in allem – konnte ich mich total gut mit ihm identifizieren und eine dementsprechend enge Verbindung zu ihm herstellen. Die ganze Handlung funktioniert auch nur so gut, weil Robin eben aus dem echten Leben gegriffen scheint und seine Homosexualität so bodenständig und normal dargestellt wurde. Alles an ihm wirkte alltäglich, authentisch und durch und durch echt. Außerdem durchlebt er im Laufe des Buches eine mehr als wunderbare Entwicklung – Stichwort: Selbstfindung. Unser Protagonist zeigt uns ganz eindrucksvoll, wie wichtig es ist, für das zu kämpfen, wovon man träumt. Und er zeigt auch, das Hindernisse nur dafür da sind, um sie zu überwinden. In gewisser Weise können wir alle noch was von dem 17-jährigen Schüler lernen und das beeindruckte und faszinierte mich gleichermaßen. Ich bewunderte ihn für seinen Ehrgeiz und seinen Kampfgeist, für seine echten Emotionen und die Stärke, mit eben denen auch nicht hinter dem Berg zu halten. Was Robin im Laufe des Buches alles ertragen und einstecken muss, schmerzt – aber es gibt auch Hoffnung.
Neben Robin spielen aber natürlich noch zahlreiche weitere Figuren eine nicht unwesentliche Rolle. So haben wir allein schonmal seinen Freundeskreis, bestehend aus einem quirrligen Mädchen, Natalie, das vor Lebensfreude nur so sprüht und immer eine Meinung hat; und aus einem eher ruhigen Jungen, Greg, der immer einen gewissen Ausgleich schafft zu all den Dramaqueens und Partypeople. Allgemein war es eine schöne Mischung, in der jeder seinen Platz hatte und seinen Aufgaben nachging. Manchmal pushten sie ihren besten Freund, mal brachten sie ihn wieder auf den Boden der Tatsachen und zeigten, trotz ihrem zum Teil kindischen Auftreten, wofür Freunde da sind und wie wichtig sie für uns sind. Im selben Zuge zeigen uns manche allerdings auch, wie man sich nicht benehmen sollte und wie man es sich binnen kürzester Zeit verscherzen kann. Ich fand es, zugegebenermaßen etwas schade, dass die Lovestory nicht ganz so intensiv bei mir ankam, wie sie es hätte können. Das lag besonders daran, dass ich zu dem Love Interest nicht wirklich Nähe entwickeln konnte. Er blieb stets etwas blass und seine Absichten erschienen immer wieder etwas unklar. Meinte er es ernst; spielte er irgendein Spiel, hatte ihn womöglich sogar jemand engagiert, um Robin vollends das Herz zu brechen? Diesen Eindruck hatte ich nämlich über einen sehr großen Zeitraum des Buches und darum war ich nie wirklich mit Herzblut dabei. Was auch nicht zwingend nötig war, immerhin war die Liebesgeschichte nicht das tragende Element – aber es gehörte dazu und ich war doch ein wenig enttäuscht, dass ich nicht so mitfiebern und mitfühlen konnte, wie ich mir das erhofft hatte.
Ansonsten fand ich Charaktergestaltung aber im Gesamten sehr gelungen. George Lester hat nicht nur die queere Szene toll eingefangen, sondern auch die homophobe Gruppe, mit der sich Robin immer wieder auseinandersetzen muss. Allein die erzeugten in mir schon eine Wut, die ihresgleichen suchte und gerade das brachte auch eine gewisse Abwechslung ins Spiel. Und die Drag Queens, die ebenfalls total vielfältig ausgearbeitet wurden. Sie alle aber hatten eins gemeinsam: sie waren interessant ohne Ende. Ich hätte vermutlich noch tagelang weiterlesen können, ohne dass ich den Ladies überdrüssig geworden wäre – und das allein zeugt schon von dem großen Talent des Autors. Er konnte mich in eine Welt entführen, mit Menschen, deren Lebensstil mir absolut fremd war und dennoch war ich eins mit den Figuren.

Und da es George Lester so wunderbar gelungen ist, die Gefühle einzufangen und an den Leser zu transportieren, so erübrigt sich auch die Frage, wie mir der Schreibstil gefiel. Er gefiel mir, natürlich (!!), wirklich super. Niemals hätte das Buch seine volle Wirkung entfalten können, wenn mir die Art und Weise, wie der Autor die Geschichte erzählt, nicht zugesagt hätte. Und so kam ich nicht nur herrlich schnell und leicht voran, ich konnte mich auch wunderbar in das Geschehen hineinversetzen und mir alles bildlich vor Augen führen. Zwar hatte ich hin und wieder Probleme mit den Dialogen, die sehr pubertär und etwas unglaubwürdig ausfielen, doch lässt man dies aussen vor, so war es ein rund herum gelungener Erzählstil, der mir Spaß bereitete und darüber hinaus auch noch sehr leicht verständlich und angenehm zu lesen war.
„In all seinen Farben“ von George Lester ist vielleicht nicht 100% perfekt, aber es ist eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt und uns zudem auch noch in die Welt der Drag Queens einführt. Durch einen sehr sympathischen Protagonisten, den man stets zu 100% nachvollziehen kann, erleben wir längst nicht nur die ersten Berührungspunkte mit Drag, sondern werden auch mit Themen wie Selbstfindung, Akzeptanz und Toleranz versorgt. Ich hätte nie mit diesem riesigen Maß an Tiefgang gerechnet, in einem Young Adult Roman, wohl gemerkt. Doch der Autor hat es geschafft, zahlreiche Emotionen in mir hervorzurufen, mich nachdenklich gestimmt und am Ende mit einer tollen Geschichte belohnt, sie sich lohnt zu lesen. Für alle, die vielleicht noch skeptisch sind: gebt dem Ganzen eine Chance. Und verzichtet vielleicht doch eher aufs Hörbuch und lest das Buch.

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George Lester arbeitet als Autor und freier Lektor, ist Musical- und Disney-Fan und begeistert auf der Bühne als Drag Queen mit dem Namen That Girl. Er lebt mit seinem Partner in Twickenham, London. Auf YouTube und Instagram (@ thegeorgelester) spricht George unter anderem über Bücher und übers Schreiben. In all seinen Farben ist sein Debüt bei ONE.

(c) by One Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim One Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.