||» Rezension «|| The Chain [von Adrian McKinty]
Adrian McKinty
Übersetzung: Dr. Eberhart Kreutzer und Anke Kreutzer
Thriller
Einzelband
Was als ganz normaler Tag begann, wird zum Albtraum für die alleinerziehende Rachel, als ihre 13-jährige Tochter auf dem Weg zur Schule verschwindet. Die einzige Spur: Das Handy des Mädchens wird an der Bushaltestelle gefunden. Tatsächlich erhält Rachel kurz darauf einen Anruf von der Entführerin. Die Frau am Hörer – ebenfalls Mutter eines entführten Kindes –, gibt sich als Kylies Kidnapperin zu erkennen. Sie ist Teil des perfiden Netzwerks »The Chain«. Und sie hat Rachel auserwählt, die Kette der Kindes-Entführungen weiterzuführen: Wenn Rachel ihr Kind lebend wiedersehen will, muss sie nicht nur binnen weniger Stunden das Lösegeld auftreiben – sie muss ihrerseits ein Kind entführen und dessen Eltern dazu bringen, dasselbe zu tun. Die Kette muss weitergehen …
(c) by Knaur
Ehrlich gesagt, hatte ich, bis zur Info-Mail vom Verlag noch nie von diesem Buch gehört. Doch der Klappentext sprach mich direkt an und da ich im Moment ohnehin total in Thriller-Laune bin, hab ich direkt mal angefragt und prompt auch den Zuschlag bekommen. Vielen herzlichen Dank auch an dieser Stelle nochmal! Ich hab mich, kaum dass es eingetrudelt kam, auch direkt in die Geschichte gestürzt, sodass ich euch heute meine ehrliche Meinung zu „The Chain“ von Adrian McKinty liefern kann. Falls ihr also wissen wollt, wie es mir gefallen hat, bleibt gerne dran. Viel Spaß.
Schon während der ersten Seiten ist mir eins ganz klar ins Auge gestochen: das Buch lässt sich zwar flüssig lesen, wurde aber nicht in der Geschwindigkeit erzählt, die ich mir gewünscht hätte. Ich kam, zu meinem großen Erstaunen, wirklich nur sehr langsam voran und ertappte mich immer wieder dabei, wie ich mit den Gedanken immer wieder abdriftete. Ich kann nicht behaupten, dass mir der Stil nicht gefallen hätte, so ist es nicht. Aber die Tatsache, dass einfach keine richtige Fahrt aufkommen wollte, lässt sich nicht schönreden. Trotzdem hatte ich während der ganzen 350 Seiten stets ein klares Bild vor Augen und konnte mich gut in die verschiedenen Szenen hineindenken. Adrian McKinty nimmt sich in diesem Werk auch mal Zeit für nebensächliches und lässt immer wieder kurze Aspekte der Philosophie einfließen. Eine Tatsache, die mich zwar nicht großartig begeisterte, mich aber auch nicht sehr störte. Meines Erachtens hätte man darauf aber verzichten können, nicht zuletzt um das Tempo zu erhöhen. Gegliedert in verschiedene Perspektiven, begleiten wir nicht nur unsere Hauptfigur Rachel, sondern auch andere, wichtige Charaktere und bekommen, dank der gewählten Erzähl-Form, sogar Einblicke in die Ansichten des Täters. Das wiederum hat mich sehr angesprochen und dem Ganzen noch die besondere Würze verliehen.
Besagte Charaktere taten sich dabei aber allesamt sehr schwer, mich für sich zu gewinnen. Sie alle waren besonders, gar keine Frage. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen und verbarg dieses erstaunlich gut vor den anderen. Die Interaktionen untereinander waren glaubhaft und lebendig, die Gespräche echt und die Verbindungen spürbar. Was es meines Erachtens nach nicht gebraucht hätte, war die Liebesgeschichte. Diese spielt sich zwar nur am Rande ab, wirkte für mich aber ein wenig erzwungen und gestellt. Außerdem geschah das alles so aprupt, dass ich kurz richtig erschrocken bin, was ich da verpasst habe.
Rachel ist eine taffe Frau, die in ihrem Leben schon einiges durchmachen musste und nun, mit der Entführung ihrer Tochter, den Gipfel der Pechsträhne erreicht hat. Natürlich hatte ich Mitgefühl mit ihr, und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich hätte nicht mit ihr mitgefiebert und ihr nicht alle erdenklichen Daumen gedrückt. Doch oftmals fühlte ich eine unüberbrückbare Distanz zwischen uns. Ich war noch nie in einer solchen Situation und möchte deshalb nicht großartig über ihre Entscheidungen und Gedanken urteilen – aber so richtig nachvollziehbar war für mich nur weniges. Vielleicht schaltet der Kopf in einer solchen Lage einfach in den Not-Modus und man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Fakten; doch für mich war einiges vom dem, was Rachel tat, eher schwer nachzuvollziehen. Dennoch gab es auch Lichtblicke; besonders im Umgang mit ihrer Tochter oder ihres Ex-Mannes, wenn die völlig normale Frau und Mutter durchscheint, war sie mir absolut sympathisch und erschien mir wesentlich realistischer als in der Ausnahmesituation. Deshalb vermute ich auch, dass es schlicht die Lage und die Erlebnisse sind, die uns voneinander abheben.
Pete, ebenfalls ein tragender Teil der Geschichte, ist eine Faszination für sich. Irgendwie konnte ich den ehemaligen Marine nicht mit dem heutigen Mann in Einklang bringen. In meinem Kopf war Pete ein ganz anderer, als im Buch und egal wie sehr ich das Bild zu ersetzen versuchte, der heruntergekommene Drogenabhängige drang immer wieder an die Oberfläche. Auch sein Sinn für Ehrlichkeit ließ immer wieder zu wünschen übrig und ich wollte nicht so recht verstehen, was Rachel denn an ihm fand. Dafür glänzt er aber umso mehr im Bereich der Ruhe und Bedachtheit. Während Rachel immer wieder am Rande einer Panikattacke wandelte, besaß er den kühlen Kopf und das Können, sich aus so manch brisanter Situation heraus zu manövrieren.
Alle weiteren Figuren waren soweit auch in Ordnung. Es gab, bis auf Kylie, die Tochter von Rachel, niemanden, der mir so richtig ans Herz wuchs. Trotzdem empfand ich viele als sehr realistisch und sympathisch, sehr glaubhaft und größtenteils auhentisch. Einzig und allein die Undurchsichtigkeit hätte vielleicht eine Spur besser sein können.
Der Grundgedanke hinter dem Buch war äußerst vielversprechend und strotzte nur so vor Potential. Wie schon erwähnt, gefiel mir die Idee sehr gut und ich war vor allen Dingen neugierig, wie das Netzwerk hinter „Die Kette“ aufgebaut und ausgearbeitet wurde. Es ist nur schwer vorstellbar dass dieses seltsame Konstrukt tatsächlich funktioniert und ich wollte um jeden Preis erfahren, ob ich damit recht behalten würde oder mich auf dem Holzweg befand. Kaum in die Geschichte eingetaucht, befinden wir uns als Leser auch schon mittendrin und erleben die Entführung von Kylie hautnah mit. Das sorgt für einen interessanten Einstieg, der animiert, weiterzulesen. So erging es mir zumindest, doch die Spannung ließ, trotz wechselnder Perspektiven, schnell nach. Das Erzähltempo nahm ab und die Geschehnisse reihten sich fast emotionslos aneinander. Auch wenn einiges passierte, war das nichts, was irgendwie Adrenalin in mir aufwallen ließ. Adrian McKinty erzählt und erzählt, doch von überraschenden Wendungen keine Spur. Es lief mir einfach alles viel zu glatt ab; und nachdem die eigentliche Geschichte nach rund der Hälfte schon beendet ist, kommt man tatsächlich in Versuchung, es damit einfach gut sein zu lassen. Ich bin, jetzt rückblickend, froh, dass ich das nicht getan habe. Denn ab der zweiten Hälfte gibt es eine immer deutlichere Steigerung. Zwar bleibt es bis zum Ende des zweiten Drittels eher gediegen und wenig spannend, doch die letzten 70-80 Seiten hatten es definitiv in sich und zum ersten Mal zeichnete sich auch so was wie „Thriller-Charakter“ ab. Die Action nahm zu, es wurde zunehmend spannender und erst gen Schluss fühlte ich mich richtig gefesselt von der Geschichte. Leider aber war alles sehr vorhersehbar. Ich hatte die Auflösung des Ganzen schon recht früh vor Augen und behielt damit dann auch recht. So blieb die Überraschung dann bis zum Ende komplett aus. Nichts desto trotz fand ich die Auflösung sehr gut in Szene gesetzt und sehr spannend dargestellt. Genau diese actionreiche Atmosphäre hätte ich mir schon viel früher gewünscht – denn dann hätte das Buch das Potential für eine deutlich bessere Bewertung gehabt.
„The Chain“ von Adrian McKinty war ein Thriller, der lange Zeit eher an einen Roman erinnert und keine thriller-typischen Eigenschaften aufweist. Das eher gediegene Erzähltempo nimmt dem Buch die Spannung und der aalglatte Ablauf sorgt ebenfalls für wenig Fesselung. Erst gen Ende nahm die Geschichte an Fahrt auf und zeigte endlich das, was ich so lange vermisst hatte: Action, Spannung, Adrenalin und viel Blut. Leider war aber auch dieses toll inszinierte Finale wenig überraschend, sodass sich meine Vermutung, die schon früh aufkeimte, als richtig erwies. Positiv stimmte mich allerdings die gut gewählte Gliederung in Form mehrere Perspektiven und gesplittet in „vorher“ und „nachher“. Für mich dennoch ein weniger guter Thriller, der zwar ganz interessant, aber nicht großartig spannend ist.
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Adrian McKinty wuchs im nordirischen Carrickfergus auf und studierte Jura an der Warwick University sowie Philosophie in Oxford. In den neunziger Jahren wanderte er nach New York City aus. Dort hielt er sich mit allen möglichen legalen bzw. illegalen Gelegenheitsjob bis 2001 über Wasser. Dann zog er nach Denver, Colorado, um dort als Highschool-Lehrer Englisch zu unterrichten. 2008 packte ihn erneut das Fernweh und er siedelte mit Frau und Kindern um nach Melbourne, Australien.Seine zahlreichen Kriminalromane sind preisgekrönt. In Deutschland wurde McKinty bekannt mit seinem katholischen Bullen Sean Duffy, der im Belfast der düsteren achtziger Jahre ermittelt.
(c) by Knaur
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Knaur-Verlag bedanken: dafür alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.