||» Rezension «|| Beyond the Sea [von L.H. Cosway]

Ich war auf alles vorbereitet – nur nicht auf dich

Seit dem Tod ihres Vaters will die 18-jährige Estella nur ihren Schulabschluss machen und Irland endlich den Rücken kehren. Doch ihre Pläne werden durchkreuzt, als der geheimnisvolle Noah auftaucht. Er ist nicht nur ganz anders als alle Jungen, denen Estella bisher begegnet ist, er gibt ihr das erste Mal seit langer Zeit das Gefühl, nicht ganz alleine auf dieser Welt zu sein. Estella verliebt sich jeden Tag ein kleines bisschen mehr in ihn, doch Noah ist nicht ohne Grund im Ort. Er hat ein Geheimnis, das alles zwischen ihnen zerstören könnte …

(c) by Lyx Verlag

Ehrlicherweise muss ich sagen, dass dieses Buch auf meiner Wunschliste nicht allzu weit oben stand. Ich war neugierig, keine Frage und genau darum habe ich es auch angefragt – aber hätte ich es nicht von der Bloggerjury zur Verfügung gestellt bekommen, wäre es mit Sicherheit nicht sofort eingezogen. An der Stelle also ein riesiges Dankeschön ♥ Ich fand einfach, dass der Klappentext recht gewöhnlich und sehr stereotypisch klingt, sodass meine Erwartungen an die Geschichte nicht allzu hoch waren. Aber eben so was mag ich auch, weil man dadurch viel mehr überrascht werden kann. Ob das nun so war, oder ob ich dennoch enttäuscht bin – und natürlich alles andere – verrate ich euch in der nachfolgenden Rezension. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran – viel Spaß!

Wir starten durch einen sehr spannenden, tiefgründigen Prolog in dieses Buch und bekommen gleich einmal einen Vorgeschmack darauf, was uns noch erwarten wird. Denn in „Beyond the Sea“ dreht sich mitunter viel um den Glauben und um Gott allgemein. Aber keine Sorge, denn auch wenn ich persönlich nicht gläubig bin, so empfand ich diesen Aspekt doch überhaupt nicht als störend oder dergleichen. Im Gegenteil! Für mich waren die Einblicke mal was Neues und brachten frischen Wind ins Genre. Ich meine, in welchem NA-Roman begegnet man schon Nonnen? Und wo wird der Stil durch wunderschöne Bibel-Zitate aufgehübscht? Für mich war das gänzlich neu. Gleichzeitig spielen aber noch viel mehr Faktoren eine wichtige Rolle; die ich aber bewusst nicht beim Namen nenne, um niemanden zu spoilern. Ich kann aber sagen, dass die Triggerwarnung definitiv berechtigt ist! Falls ihr also durch gewisse Themen getriggert werden könntet oder allgemein Angst oder Zweifel habt, lest euch die Warnung sicherheitshalber lieber durch.
Wir begleiten also Estella bei der Bewältigung ihres Alltags. Das Buch erinnert zunächst sehr an Cinderella, Denn genau so wie die Disney Prinzessin hat auch unsere Protagonistin mit einer bösen Stiefmutter zu kämpfen. Auch das fand ich amüsant, denn es erweckt nicht nur tiefstes Mitgefühl, sondern auch eine gewisse Spannung. Wie lange macht Estella das noch mit? Wie viel bürdet ihr ihre Stiefmutter Vee noch auf? Was steckt hinter dem Verhalten?
Dann taucht Noah auf und bringt eine völlig unerwartete Facette ins Spiel: die Undurchsichtigkeit. Die geheimnisvolle Aura, die ihn umgibt lässt die Spannung sprungartig in die Höhe schnellen und als Leser begibt man sich automatisch auf Rätselkurs. Man überlegt, dreht und wendet, zerbricht sich den Kopf und stellt die wildesten Theorien auf. Was treibt Noah zurück nach Hause? Ist er wirklich der, der er zu sein vorgibt? Was spielt er für ein Spiel? Immer wieder schafft es die Autorin, einen auf den Holzweg zu schicken; indem sie Wendungen einbaut, die einem die Sprache rauben. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich mit offenem Mund zwischen den Seiten steckte und überhaupt nicht mehr wusste, was überhaupt noch kommen soll. Das Höchstmaß war längst erreicht, aber L.H. Cosway setzte immer und immer wieder eins oben drauf. Die Kombination aus der frommen, unschuldigen Estella und des düsteren Bad Boys war eine explosive Mischung, die jede Menge interessante wie auch mitreißende Szenen entstehen lässt. Selten, ja beinah noch nie habe ich so sehr mitgefiebert und mitgerätselt, selten hab ich die Funken so glasklar zwischen den Figuren fliegen sehen. Es ist also nicht nur spannend, gruselig und actionreich, sondern eben auch gefühlvoll, prickelnd und voller tiefgründiger Momente. Die Chemie zwischen Estella und Noah ist einzigartig, völlig neuartig und macht schlicht Spaß.
Das große Finale bot dann nochmal eine gänzlich neue Sphäre an Überraschung. Die einzelnen Antworten auf die offenen Fragen kamen Schlag auf Schlag und schockierten wie berührten gleichermaßen. Es war unglaublich hart für mich, die Wahrheiten zu erfahren, und obwohl ich so schnell wie möglich wissen wollte, was da noch ans Licht kam, hab ich immer wieder kurze Atempausen gebraucht, um das Geschehene sacken zu lassen. Ein großartiges, aber auch verstörendes Finale, das mich mehr als nur umgehauen hat und das man auch niemals, wirklich niemals kommen sieht.

Doch die ganze, geniale Umsetzung hätte niemals funktioniert, wenn ich nicht auch einen richtigen Draht zu den Figuren gefunden hätte. Ich hab mimch nämlich an Estella’s Seite sofort und ohne Umschweife wohl gefühlt und konnte mich, trotz unserer unterschiedlichen Lebensweisen, kinderleicht mit ihr identifizieren. Sie ist sympathisch, liebenswert und erhielt durch ihre böse Stiefmutter Vee auch eine gehörige Portion Mitgefühl von mir. Sie tat mir einfach leid, wie sie da in dieses Leben hineingeraten ist, ohne selbst die Schuld an ihrem Dasein zu tragen. Ich wünschte mir von Herzen, dass sie sich aus den Fängen ihrer Stiefmutter befreien konnte, und fühlte und litt einfach in jeder einzelnen Silbe mit ihr mit. Als dann Noah auftaucht, merkt man schon, dass die Geschichte eine andere Richtung nimmt und kurz hatte ich Angst davor, dass sich Estella nicht selbst treu bleibt – aber das tat sie – zum Glück. Sie bleibt die Unschuld in Person, reift aber im selben Zuge immer mehr zu einer erwachsenen Frau heran, die sich nicht mehr alles gefallen lässt. Mir gefiel, wie sie auf Noah reagierte; sowohl körperlich wie auch vom Verhalten her und es machte Spaß zu beobachten, wie sie ihre Grenzen austestete und auch überschritt. Lediglich ihre Sturheit war manchmal ein wenig anstrengend, verblasste aber neben all den positiven Aspekten beinah komplett. Ich hab sie jedenfalls geliebt, genau so wie sie war und ihr Glaube an Gott war nicht nur ein wichtiger Charakterzug an ihr, sondern auch essentiell für die Handlung.
Apropos Noah. Können wir bitte einmal darüber sprechen, wie unglaublich geheimnisvoll dieser Mann war? Bei ihm war man sich nie sicher, was als nächstes kam; was er im Schilde führte und was seine Beweggründe waren. Er gab immerzu vor, kein schlechter Kerl zu sein, aber ob er es ehrlich meinte, war eine ganz andere Frage. Ich hab mich regelrecht zu ihm hingezogen gefühlt, war verzaubert von ihm und fieberte maßlos mit ihm mit; aber immer mit dem Gedanken daran, dass ich mich auch in ihm täuschen konnte. Noah war extrem charakterstark, ein BadBoy wie er im Buche stand und mit seinem Bike und der Lederjacke auch eindeutig attraktiv und sexy. Man spürte, wie gut er Estella tat, aber die Angst davor, dass er sie zerstörte, schwang stets mit. Hinter Noah verbarg sich ein riesiges Geheimnis, das sich gewaschen hatte und das einem den Boden unter den Füßen wegzog; eine Vergangenheit, die gleichermaßen zu Tränen rührt wie auch fassungslos macht. Gott, was hab ich Noah gefeiert – allein für all die Aktionen, die er brachte und die Aussagen die er tätigte. Allein für sein Dasein für Estella, für seine Undurchsichtigkeit und für seinen Facettenreichtum. Noah war definitiv mein Highlight in dem Buch; aber eben auch nur in Kombination mit Estella.
Randfiguren gab es ebenfalls viele, und der Eindruck vom idyllischen Dörfchen verblasst schon nach wenigen Seiten. Es schien fast so, als hätte jeder in diesem Ort seine Geheimnisse und sein Päckchen zu tragen; als wäre keiner frei von Schuld. Und so hat es L.H. Cosway auch dargestellt. Während der eine am Anfang noch nett und sympathisch erschien, war der andere von Anfang an wie ein ungebeter Gast. Und andere, die hab ich zu Beginn bitterböse verflucht, nur um am Ende dann zu merken, dass man sich hat täuschen lassen. Vee beispielsweise war eine durch und durch bösartige Frau, die in ihrem Leben überhaupt keine mehr Freude mehr findet und einen Ausweg durch Alkohol sucht. Aber ist sie wirklich von Grund auf böse oder steckt auch da mehr dahinter? Das und noch vieles mehr müsst ihr selbst lesen – ich würde euch einfach nur noch spoilern, wenn ich mehr verrate.

Der Schreibstil von L.H. Cosway überzeugt genau so wie der Rest des Buches auf ganzer Linie. Sie schreibt authentisch und lebendig, greifbar und sehr emotional und begeistert mit Gefühl und Tiefgang. Die gewählte Sprache passt zu der Handlung, verleiht ihr ein gewisses Flair und erzeugt eine einzigartige Atmosphäre. Es gab so viele verschiedene Emotionen, die in mir hervorgerufen wurden: Angst, Zweifel, Schock, Freude, Trauer.. die gesamte Bandbreite. Und so intensiv, wie diese Emotionen übertragen werden, war es nur klar, dass ich mich mitten hineingezogen fühlte ins Geschehen. Das Buch wegzulegen war mir so oft schlicht unmöglich, weil ich um jeden Preis wissen wollte, was da noch auf mich zukommen würde. Die Wendungen waren aber auch so geschickt platziert, dass sie in den unerwartesten Momenten aufploppten und das Erzähltempo trug ebenso dazu bei, dass das Buch zu einem Pageturner wurde. Aufgelockert wurde das Ganze, wie schon erwähnt, durch ein paar Bibel-Zitate, die nicht nur wunderbar passten, sondern auch Abwechslung ins Spiel brachten.
Die Erzählperspektive beschränkt sich dabei rein auf Estella’s Sicht, was ich wahnsinnig gut gewählt fand. Niemals wäre die Undurchsichtigkeit so gut zur Geltung gekommen, wenn auch Noah seine eigenen Kapitel zugesprochen bekommen hätte. Es passte so perfekt und es gibt nichts, was mir negativ aufgefallen wäre.

„Beyond the Sea“ von L.H. Cosway ist ein absolutes Jahreshighlight für mich. Dieses Buch bietet so viele Facetten und es schien fast so, als hätten sich hier mehrere Genre vereint: es war emotional und prickelnd wie man es von new Adult kennt, es war spannend und undurchsichtig wie eine Familiensaga, gruselig wie ein Horrorroman und spannend wie ein Thriller! Dazu noch die beiden absolut lebendigen Charaktere und der einnehmende, atmosphärische Schreibstil und fertig ist eins der genialsten NA-Bücher, die ich jemals gelesen habe. Von mir gibt’s daher eine bedingungslose Lese-Empfehlung; lasst euch darauf ein und erlebt ein regelrechtes Abenteuer!

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L.H. Cosway lebt in Dublin und hat so gut wie jedes geisteswissenschaftliche Fach studiert, das es gibt. Die beste Inspiration zum Schreiben zieht sie aber aus Musik und den vielen verschrobenen Persönlichkeiten, die ihren Weg kreuzen – denn die erzählen einfach die besten Geschichten!

(c) by Lyx Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Lyx Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.