||» Rezension «|| Luftgitarrengott [von Herbert Hirschler]
Herbert Hirschler
Humor || Unterhaltung
Einzelband
384 Seiten
Egal was Bastian Berger auch probiert, als Luftgitarrengott in Charlys heruntergekommener Kneipe, als Ghostwriter für den biestigen Superstar Lucy Hill oder als Juror einer kultigen Grufti-Kids-Castingshow – seine Versuche, doch noch selbst als Rockmusiker die Bühnen der Welt zu erobern, enden regelmäßig in mittelschweren Katastrophen. Bastian läuft die Zeit davon, doch plötzlich scheint sich das Blatt zu wenden, denn er lernt unerwartet den hippen Gangsta-Rapper Ice-Man kennen. Aber was will der nur mit »Weiße Rosen aus Athen«?
(c) by Leykam Verlag
Ich bekomme tagtäglich mehrere Anfragen von Verlagen und Autoren, die ich quasi alle (bis auf ein paar kleine Ausnahmen) ablehnen muss – leider. Aber auch meine Zeit ist begrenzt. Als dann eines Tages die Anfrage vom lieben Herbert in meinem Postfach auftauchte, war mir schnell klar: so eine humorvolle, sympathische Anfrage kannst du nicht ablehnen. Ich meine – wenn jemand so eine lustige Anfrage schreiben kann; dann kann das Buch ja nur toll werden, oder? Also prompt zugesagt und heute kann ich euch auch schon meine Meinung zum Luftgitarrengott alias Bastian Berger mitteilen. Falls ihr also neugierig seid, wie mir das Ganze gefallen hat, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension ♥
Dieses Buch ist so ganz anders, als ich es erwartet hatte. Geht man mal rein vom Klappentext aus, könnte man meinen, es wäre eine ganz herkömmliche Geschichte über einen Mann in seinen besten Jahren; der vom Pech verfolgt einige unterhaltsame Dinge durchleben muss. Aber falsch gedacht. Schon im ersten Satz – nein – in der ersten Kapitel-Überschrift wird deutlich, wie das Ganze hier aufgebaut ist. Denn wir begleiten Bastian nicht etwa erst, ab dem Punkt, an dem er seine besten Jahre erreicht, sondern ab Sekunde Null an – lernen ihn im Mutterleid kennen und dürfen dann, sein gesamtes Leben an seiner Seite verbringen. Eine Tatsache, die mich total überraschte und extrem positiv stimmte. Und so hatte ich auch echt Spaß am Lesen.
Es wird, weder in Bastian’s Kindheit, noch seiner Jugend geschweige denn im Renten-Alter langweilig, weil er so vieles erlebt, so vieles durchmachen muss und dabei immer noch eine ganz wundervolle Ausstrahlung hat. Herbert Hirschler thematisiert nicht nur die schönen Seiten in Bastian’s Leben, sondern setzt sich auch mit dem Tod, dem allgemeinen Verlust, der Trauer auseinander und schafft so eine irrsinnig breitgefächterte Abwechslung. Durch den Humor, mit dem der Autor uns von all dem erzählt, fehlte mir zwar manchmal ein wenig der Tiefgang und die Emotionen, doch jetzt im Nachhinein kann ich da doch gut darüber hinwegsehen, immerhin brachte er mich, selbst mit eigentlich todernsten Themen immer mal wieder zum Schmunzeln; eben weil er es so toll eingefangen hat und ebenso auch wiedergibt. In dem Buch wirkt alles sehr schnelllebig und kurz; fast ein wenig übereilt abgehandelt, doch ruft man sich mal vor Augen, dass wir hier Jahrzehnte eines Menschenlebens in nur 380 Seiten miterleben dürfen, war es teilweise umso verwunderlicher, wie viel Zeit er sich für so manch Geschehnis nimmt.
Für mich war die Umsetzung dieses Debüt-Romans nahezu perfekt. Ich hab mich während des Lesens geärgert, war wütend, brachte nur Unverständnis zustande, war sprachlos – aber ebenso konnte ich lachen, spürte das Herzklopfen am eigenen Leib und freute mich intensiv mit den Figuren mit. Gleichzeitig lag hier Trauer und Glück so nah beieinander, dass man es kaum für realistisch erachten konnte. Aber sind wir mal ehrlich: Herbert Hirschler hat hier den Lebensweg eines Mannes exakt so wieder gegeben, als wäre Bastian’s Geschichte real. Auch im wahren Leben geben sich die Gefühle manchmal die Klinke in die Hand und was heute noch als großes Drama erscheint, ist morgen vielleicht schon Schnee vom gestern. Und in all dem Chaos, dem Drama, verliert weder Bastian noch Herbert als Autor jemals den Humor aus den Augen. Ich hoffe, er wird ersichtlich, was mich so begeistert hat und worin ich die Perfektion sehe: dieses Buch bzw. diese Geschichte war nicht perfekt, aber das ist das Leben schließlich auch nicht und gerade in dieser Inperfektion liegt die Genialität.
Besonders zum Ende hin wird nochmal deutlich, worauf der Autor hinauswollte – was er mit Bastian und dessen Leben aussagen wollte und ich habe, als ich das Buch final zugeschlagen habe, sogar ein Tränchen verdrückt, weil ich mich „über all die Jahre“ so sehr an Bastian gewöhnt hatte und ihn mit jedem vergangenen noch mehr ins Herz geschlossen habe.
Die Charaktergestaltung ist ebenfalls genau auf den Punkt. Bastian als Protagonist ist nicht nur wahnsinnig sympathisch und liebenswert, sondern auch facettenreich. Durch diese lange Zeitspanne, in der wir ihn begleiten erleben wir ihn bei Höhenflügen und Tiefschlägen; glücklich und traurig und jede Phase war so glaubhaft und realistisch ausgearbeitet, dass man meinen konnte, man selbst wäre der Protagonist. Auch in Sachen Entwicklung glänzt Bastian, immerhin wird er vom heulenden Kleinkind zum pubertierenden Teenager zum erwachsenen, erfolgreichen Mann bishin zu tatteligen Greis. Und er lernt im Laufe des Daseins eine ganze Menge. Bastian macht nicht immer alles richtig; ihm unterlaufen Fehler, er tritt in Fettnäpfchen, wird mal über eine gefühlte Ewigkeit vom Pech verfolgt aber immer findet er zurück in seine Spur – er sammelt Erfahrungen, wird reicher an Wissen und Vernunft und bleibt doch immer der sympathische Mann, den man einfach gern haben muss. Ich könnte so vieles über ihn erzählen, aber ich bin mir sicher, es wäre viel klüger, wenn ihr euch dafür entscheidet, ihn und seine Lebensgeschichte selbst zu lesen. Es bereitet so viel Freude, sich an seiner Seite durch ganz alltägliches Chaos, durch unzählige Probleme und ganz viel Drama zu kämpfen, aber dabei stets ein Lächeln auf den Lippen zu haben. Einzig der Umgang mit seiner Schwester Lisa war für mich, stellenweise, nicht ganz das, was ich unter glaubwürdig verstehe. Bastian war mir in der Hinsicht zu nachsichtig mit Lisa und verzieh doch deutlich zu schnell. Während ich noch einen wahninnigen Groll gegen die jüngere Namensvetterin hegte, war für den großen Bruder schon wieder alles vergessen. Mir ist, jetzt rückblickend klar, dass das einfach seinem Naturell entsprach, denn Basti war alles andere als aufbrausend oder cholerisch, geschweige denn nachtragend. Und so freundete ich mich auch damit über kurz oder lang an und verzieh ihm, dass er immer so schnell verzieh.
Apropos Lisa. Lisa war eine wirklich schwierige Figur, mit der man sich weder anfreunden noch identifizieren konnte. Sie spielt zwar nicht die Hauptrolle, ist aber stets und ständig der Problemfall schlechthin. Biestig, aufmüpfig, arrogant und selbstverliebt – so würde ich diese junge Frau bezeichnen. Doch selbst im Alter schien sie keineswegs zu reifen, sondern ihre Star-Allüren nur noch mehr zur Schau zu stellen. Schade eigentlich, denn das Potential für sie war definitiv da. Aber entgegen all meiner Antipathie zu ihr, war sie für mich trotzdem irgendwie ein gern gesehener Akteur in dem Ganzen. Man wusste schon im Vorfeld: Wenn Lisa auftaucht, gibt’s Drama. Und so kam es Mal um Mal und langweilig wurde es mit ihr auch garantiert nie. Dreht man den Spieß mal um, so muss man anerkennen, dass Herbert Hirschler diese Figur extrem ergreifend dargestellt und ausgearbeitet hat. Lisa weckte in mir allerlei Gefühle, die zwar größtenteils negativ behaftet waren; aber selbst das geschah mit einer Intensität, wie ich sie selten erlebt habe. Eine schlechte Protagonistin war sie also keineswegs, nur einfach sehr sehr sehr anstrengend.
Und im Laufe seines Lebens trifft Bastian natürlich die ein oder andere Persönlichkeit und so kommen immer mehr Nebenfiguren ins Spiel, die der Geschichte neuen Schwung verleihen. Da war der Plattenboss, die große Liebe, die besten Freunde von ihm, der Rapper, der Moderator .. einfach eine Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren, die allesamt wirklich toll eingefangen waren. Sie alle hatten ihre Ecken und Kanten, ihre Merkmale und ihre Narben und sie alle unterhielten mich bravourös (danke Herbert für das tolle Wort 😀 ). Mit dem Hosenscheißer und den Kumpels war immer Action, immer gute Laune, immer Party, immer Drama und ich konnte herzlich mit ihnen allen lachen (und viel wichtiger: auch weinen!). Danke, dass ich diese bunte Truppe kennenlernen durfte! Es gibt definitiv mehr als einen Kandidaten, den ich noch lange Zeit im Herzen tragen werde. Und vielleicht sogar auch Lisa.
Der Schreibstil des österreichischen Autors überzeugt durch die Einfachheit, gepaart mit dem Witz, dem Charme und der einnehmenden Atmosphäre. Ich kam wunderbar schnell und leicht voran; hatte aber stets ein klares Bild der einzelnen Szenen vor Augen. Herbert Hirschler erzeugt Stimmungen, die einen ergreifen und in die jeweilige Situation hinein katapultieren. Selbst die Dialoge wirkten dem echten Leben entsprungen und begeisterten so ebenfalls durch Glaubwürdigkeit und Realität. Einzig die Emotionen fehlten mir an mancher Stelle ein wenig; jedoch wurde diese kleine Kritik dadurch geschmälert, dass der Fokus hier eindeutig auf dem Humor liegt. Obwohl ich in der Hinsicht wirklich schwer zu catchen bin, ertappte ich mich immer wieder beim Schmunzeln, wenn nicht sogar beim lauten Lachen, sodass mir mein Freund verwirrte Blicke zuwarf. Ich versank einfach in Bastian’s Leben und genoss es, seine Geschichte mit ihm erleben zu dürfen. Großartig gemacht!
„Luftgitarrengott“ von Herbert Hirschler ist ein Roman, wie man ihn bestimmt kein zweites Mal im großen Buch-Universum vorfindet. Schon Heino hat gesagt, dass Bastian Berger das Zeug dazu hat, Kult zu werden und dem möchte ich mich bedingungslos anschließen. Eine Geschichte, die ans Herz geht, zum Nachdenken animiert und die unsagbar humorvoll ausfällt. Pleiten, Pech und Pannen gepaart mit den Tücken des Lebens. Besonders schön fand ich die Dauer der Erzählung, denn wir begleiten Basti von Sekunde Null an, bis zum bitteren Ende. Die Handlung zeigt so schön auf, wie es im Leben mal laufen kann – niemals schnurgerade, sondern immer bergauf und bergab und obwohl ich Kritik habe, ist „Luftgitarrengott“ trotzdem ein Highlight für mich, weil es so real, so authentisch und so voller Leben ist. Nochmal: Danke Herbert, dass ich Bastian kennen- und liebenlernen durfte und er mir seine wertvolle Zeit geopfert hat, um mich durch sein Leben zu führen. Tolle Unterhaltung! Wirklich wirklich toll!
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Herbert Hirschler ist Musiker, Texter und Autor. Er schrieb 650 Musiktexte im Bereich der Schlager- und Volksmusik und ist zweimaliger Sieger der österreichischen Vorentscheidung zum Grand-Prix der Volksmusik. Sein erstes Buch »Himmel, Herrgott, Meer, Musik – Der andere Jakobsweg über die Ruta del Norte« (Leykam) erreichte drei Auflagen, sein zweites »Himmel, Herrgott, Portugal« (Leykam) zählt als Must Read für den portugiesischen Jakobsweg.
(c) by Loewe Intense Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Leykam Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.