||» Rezension «|| Habits of my Heart [von Selina Salerno]
Selina Salerno
Queer || Romance
Einzelband
Alexis Gilbert hat seit Kindheitstagen einen Traum: als Solotänzerin des Australian Ballet auf der Bühne des Opernhauses Sydney zu stehen. Neben knochenhartem Training und fehlendem Zuspruch hat sie auch mit den Tücken des Lebens und ganz persönlichen Ängsten zu kämpfen. Die Abwärtsspirale, in der sie sich seit Jahren befindet, stockt jedoch, als sie auf die Fotografin Reagan Pérez stößt, die ihr Leben auf den Kopf stellt und verloren geglaubte Gefühle in ihr weckt. Für Alexis beginnt ein Jahr, welches geprägt ist von wahrer Freundschaft und schmerzendem Verlust, tiefgreifender Liebe und loderndem Hass. Doch auch die Angst wird zu ihrem stetigen Begleiter und lässt sie nicht nur einmal daran zweifeln, ob sie jemals gut genug für das Leben, geschweige denn die Liebe sein wird. Sie bringt Veränderungen mit sich, die Alexis nicht nur einmal bis an ihre Grenzen treiben werden.
(c) by Wreaders Verlag
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich eine super liebe Nachricht vom Wreaders Verlag in meinem Postfach, in der gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, bei der Blogtour zu „Habits of my Heart“ mitzuwirken – und da entdeckte ich doch prompt, dass ich der Autorin schon unsagbar lange bei Instagram [ @wortkunstzauberei ] folge und sie auf ihrem Weg natürlich gern unterstützen wollte. Also zugesagt, und nur wenig später hatte ich dieses irre schöne Buch bereits in den Händen. Heute möchte ich euch gern erzählen, ob auch der Inhalt so wundervoll ist, wie das Cover und wie mir die Figuren, der Stil, das Setting und die Umsetzung so gefallen haben. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.
Der Sprung ins Geschehen fällt hier nicht weiter schwer. Von Anfang ist es der Autorin gelungen, eine sehr einnehmende Atmosphäre zu erzeugen, die nicht nur per Fingerzeig darauf hinweist, wie hart das Leben als Ballerina ist, sondern auch eine Menge Emotionen für den Leser bereithält. Schon früh wirkt sich die Geschichte fast bedrückend aus, denn Alexis kämpft nicht nur für ihren Traum, eine Profi-Tänzerin zu werden, sondern auch mit ihren Dämonen aus der Vergangenheit. Schwierige Familienverhältnisse noch dazu.
Ich konnte mich von den Gefühlen leiten lassen, spürte sie am eigenen Leib und war überrascht, dass sie eine solch intensive Spannung mit sich brachten, ohne dass die Handlung undurchsichtig oder rasant gewesen wäre; denn das war sie nicht. Die Geschehnisse liefern sich keine wilde Verfolgungsjagd, sind eher gediegen aneinander gereiht und umfassen einen erstaunlich großes Zeitrahmen. Und trotzdem wurde es, für mein Empfinden, nie langweilig. Die Autorin setzt auf Tiefgang, erzählt uns viel von Alexis‘ Gedanken, Ängsten und Zweifeln und eben weil die so authentisch sind, fesseln sie dementsprechend umso mehr. Sicher, es wird mal ruhiger, und mal etwas temporeicher, aber im Grunde ist es eine eher langsame Geschichte, die rein nur von Emotionen lebt. Aber die haben es in sich. Thematisch wie auch in der Ausarbeitung. Selina Salerno greift hier gleich mehrere, schwere Themen auf und beschäftigt sich, zum Beispiel, mit Kriminalität und Tod. Beides war sehr lebendig dargestellt, sehr einnehmend und im Gesamten harmonisch miteinander kombiniert. Aber ist längst nicht alles, was wir an Alexis‘ Seite erleben und ertragen müssen. Ich litt, ich fieberte mit, ich hoffe, ich weinte und ich bangte – aber ich lachte auch, ich empfand Freude und Erleichterung. Diese Hoffnung war es auch, die dem Buch so ein wenig die Schwere nahm. So war das, was passierte, nicht mehr ganz so niederschmetternd und gab immer wieder Lichtblicke; schenkte Zuversicht.
Allerdings gab es auch eine Facette innerhalb dieses Romans, der mir nicht so sehr gefiel – nämlich die Liebesgeschichte. Für meinen Geschmack war es ein zu großes Auf und Ab, stellenweise schwer nachvollziehbar und in Anbetracht des Zeitrahmens, den das Buch umfasst, auch einfach zu sehr in die Länge gezogen. Ich hätte mir mehr Knistern gewünscht, mehr Funkenflug und mehr Nähe zu den Gefühlen, die sich da entwickelten. Ich bin mir sicher, dass sich vieles auf die Figuren an sich abwälzen lässt; auf ihre Handlungs- und Denkweisen; aber dennoch hätte ich mir mehr Lebendigkeit gewünscht, um intensiver mitfühlen zu können. Dabei hatte die Sache zwischen Reagan und Alexis definitiv Potential. Allein die Art, wie sich alles zwischen den beiden aufbaute, deutete zunächst darauf hin, dass uns da was Großes erwartet – aber es war zu viel Hin und Her und zu wenig Authenzität.
Das Ende allerdings bot dann nochmal ein regelrechtes Feuerwerk an Gefühlen. Da nahm dann auch die Liebesgeschichte die Form an, die ich mir schon früher gewünscht habe. Es wurde nochmal etwas rasanter, etwas dramatischer und bot eine Wendung, die man zwar durchaus kommen sieht, die aber nochmal frischen Wind mit sich bringt. Selina Salerno hat es geschafft, mein Herz zu brechen und es unmittelbar danach wieder beinah lückenlos zusammenzusetzen und allein das bewies mir, dass mich die Handlung doch extrem in ihrem Klammergriff hatte. Ein stimmiges, rundes Ende, das tief bewegt und doch Balsam für das geschundene Herz des Lesers ist. Ein schöner Abschluss für die Geschichte eben.
„Ist es nicht traurig, dass erst der Tod kommen muss, um Menschen wieder zusammenzubringen? Um sie daran zu erinnern, dass sie auch mal gute Zeiten hatten?“
[Aus „Habits in my Heart“ von Selina Salerno – Seite 230]
Die Charaktergestaltung im Gesamten überzeugte mich auf ganzer Linie. Es gab eine so große Bandbreite an unterschiedlichen Eigenschaften, Wesenszügen und Besonderheiten, so viele liebenswerte Persönlichkeiten; aber auch die ein oder andere Figur, die einen zur Weißglut treibt. Gerade die Emotionen, die ein jeder, im Leser, hervorruft, war bereits ein großer Bestandteil der Geschichte. Der eine erzeugt Mitgefühl, der andere eine richtige Wärme ums Herz. Den einen würde man sich gern ins eigene Leben holen, der andere macht einen unsagbar wütend. Also in dieser Hinsicht hat mich die allgemeine Gestaltung der Charaktere extrem überzeugt; aber werfen wir mal einen Blick auf jede einzelne Figur, gab es schon die ein oder andere Kritik.
Alexis als Hauptfigur ist, stellenweise, unglaublich anstrengend. Mir ihrer sturen Art will sie, gefühlt, immer wieder mit dem Kopf durch die Wand und gleichzeitig ist sie trotzdem so naiv und leichtgläubig, dass man sie überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich mochte die junge Frau, aber manchmal wollte ich sie einfach kräftig schütteln. Sie wirkt oft einfach unbedacht, fast kopflos und ist dann total überrascht von den logischsten Konsequenzen ihres Handelns. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus – oder wie heißt das? Das soll jetzt nicht heißen, dass Alexis gar keine positiven Seiten hatte – im Gegenteil. Ich mochte die junge Frau mit ihrer Leidenschaft fürs Tanzen und mit ihren intensiven Gefühlen. Ihre gesamte Gefühlswelt war total facettenreich und authentisch, war glaubhaft und greifbar. Manchmal gab’s da zwar die ein oder andere Wiederholung oder ein wenig sehr viel Hin und Her, aber das war okay, weil es im echten Leben kein bisschen anders ist. Da wälzt man manches auch zigfach hin und her und das wurde von Selina Salerno wirklich schön aufgefangen. Ich schloss Alexis einfach ins Herz, weil sie so nahbar und echt wirkte und ihre Ecken und Kanten einfach zu ihr passten. Nicht immer war ich ihrer Meinung oder damit einverstanden, was sie sagte und tat, und gerade in ihrer Naivität machte sie die ein oder andere Szene etwas „seltsam“ in ihrer Wirkung, aber im gesamten war sie eine gute Besetzung für die Geschichte.
Unsere zweite Protagonistin ist Reagan. Ich hab bereits angeteasert, dass ich mir auch mit ihr etwas schwer tat, weil hier deutlich weniger Nachvollziehbarkeit vorhanden war. Anfangs zwar noch nicht, aber die Entwicklung, die sie machte, sagte mir nicht so 100% zu. Sie wusste einfach nicht, was sie wollte; verhielt sich zum Teil sehr konträr zu dem, was sie sagte und machte sich damit nicht unbedingt beliebter. Aber genau wie Alexis hatte auch Reagan ganz klare, positive Seiten. So fand ich ihren Humor und ihre Ausstrahlung wirklich toll zu verfolgen und auch ihr Verständnis, ihre Sanftheit und ihre Einsicht zeugte von einem großen Herzen. Reagan war alles andere als schlecht, nur eben in ihrem Auftreten nicht ganz mein Fall – und das war okay. Wichtig war, dass sie etwas für die Geschichte tat, und darin war Reagan ganz groß. Sie sorgte gleichermaßen oft für Drama wie auch für Ruhe. Und das war mir persönlich mehr wert als die Sympathie. Und es gab ja Sympathie, nur eben nicht über die gesamte Geschichte.
Ansonsten gab es natürlich zahlreiche weitere Figuren, die alle auf ihre Art und Weise wichtig für den Verlauf der Handlung waren. Egal ob die Konkurrentinnen von Alexis, die Freunde von Reagan oder die Familie von Alexis. Ich fand auch den Aufbau der LGBTQ-Szene sehr gut getroffen. Allein die Figuren aus der Bar lieferten eine Menge Diversity und erzeugten einen gewissen Tiefgang in diesem Bereich. Hudson und Chester zum Beispiel waren unglaublich! Ich hab binnen Sekunden mein Herz an diese zwei Männer verloren und fühlte die Liebe zwischen ihnen um so vieles mehr, als die zwischen Alexis und Reagan. Btw war Alexis‘ Mutter eine der schlimmsten Figuren, denen ich in meinem Leben je begegnet bin – und das meine ich positiv! Die Autorin hat mit dieser Figur eine Frau geschaffen, die man abgrundtief hassen muss. Man kann gar nicht anders, als diese Frau unverzüglich erwürgen zu wollen – und allein dass es Selina gelungen ist, diese Emotionen in Bezug auf die Mutter im Leser zu wecken, zeugt doch von Talent.
Der Schreibstil von der Autorin ist enorm gut. Nicht nur, dass von Anfang an so intensive Emotionen entstanden sind; die Worte von Selina erzeugen auch einen wahnsinnigen Sog. Und trotzdem kommt man unglaublich schnell, einfach und in gewisser Weise auch leicht durch das Buch. Es ist die perfekte Mischung aus Schwere und Leichtigkeit, aus Trauer und Glück. Jede Emotion ist mit Händen greifbar und in jede Szene lässt es sich wunderbar schön hineindenken. Durch den bildhaften Schreibstil entstehen richtige Video-Sequenzen im Kopf und ich hab’s total genossen, dem Alltag entfliehen zu können. „Habits of my Heart“ ist das erste Buch überhaupt, in dem ich gleich zwei Stellen mit Post Its markiert habe, weil mir die Passagen einfach unendlich gut gefallen, und mich tief bewegt haben. Und trotz der Schwere, war es doch nie erdrückend. Selina erzählt von Tod und Verlust, von schwerer Krankheit und innerlichen Zerstörtheit, ohne dass man selbst zerrissen wird und das gefiel mir enorm.
„Habits of my Heart“ von Selina Salerno ist ein unsagbar emotionales Erlebnis, das es sich zu entdecken lohnt. Nicht alles war perfekt, aber manchmal ist es genau das, was erst zur Perfektion führt. Ich mochte beispielsweise die Figuren in manchen Szenen nicht; konnte manches nicht nachvollziehen und fand gewisse Momente einfach weird, aber im Gesamten hat mich das Buch öfters zu Tränen gerührt, als mir lieb war und ist auch jetzt, nach dem Beenden, immer noch sehr präsent in meinem Kopf. Schade, dass die Liebesgeschichte nicht ihre volle Wirkung bei mir entfalten konnte, aber in Anbetracht der Umstände kann ich darüber beinah hinwegsehen – viel wichtiger war mir der Tiefgang und die Gefühle; und beides überzeugt auf ganzer Linie.
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Selina Salerno wurde 1998 geboren und lebt in NRW. Im Alter von knapp 15 Jahren hat sie für sich die Welt des Schreibens entdeckt und kann es sich seitdem nicht mehr wegdenken. Schreiben bedeutet für sie, abschalten zu können, zu heilen und mit gewissen Dingen aus ihrem Leben abschließen zu können. Obwohl sie seit knapp acht Jahren schreibt, hat sie dennoch nebenbei die dreijährige schulische Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin abgeschlossen und beendete auch ihre zweite, darauf aufbauende Ausbildung, als Mediengestalterin mit dem Schwerpunkt Digital. Mittlerweile ist sie als Produktdesignerin tätig und nutzt nebenbei das Schreiben an weiteren Romanideen, um dem Alltag entfliehen zu können und zu entspannen.
(c) by Wreaders Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Wreaders Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.