||» Rezension «|| Das Ferienhaus [von C. M. Ewan]
– Und du denkst, du bist sicher –
C. M. Ewan
Übersetzung: Bernd Stratthaus
Thriller
Einzelband
(c) by blanvalet
Werfen wir mal einen Blick nach draußen… Es ist Hochsommer, aktuell haben wir laut Innenthermometer 28°C und trotzdem hab ich momentan unsagbar große Lust auf Thriller. Ungewöhnlich, weil mir bei solchen Temperaturen meist eher nach lockerleichten Liebesgeschichten ist. Aber ich nutze diese Stimmung jetzt einfach mal aus – und da kam „Das Ferienhaus“ quasi wie gerufen. Also hab ich gar nicht lange überlegt und nach dem Buch gegriffen. Ich war also nicht nur extrem gespannt darauf, was mich erwarten würde, ich hoffte auch noch inständig, dass die Geschichte die Bezeichnung „Thriller“ auch verdiente. Heute möchte ich euch gern verraten, wie mir das Ganze gefallen hat & ob all meine Hoffnungen und Erwartungen erfüllt wurden, oder ob ich doch eher enttäuscht zurückbleibe. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension. ♥
Der Einstieg in dieses Buch ist bewusst undurchsichtig gehalten. Der „Prolog“ besteht lediglich aus ein paar Zeilen, die zunächst keinerlei Sinn ergeben. Und auch während die eigentliche Geschichte startet, erschloss sich noch nicht so recht, was es mit den kursiv gedruckten Zeilen auf sich hat. Und so ist direkt ein Spannungselement eingesetzt worden, das zwar altbekannt, aber nicht minder wirkungsvoll ist. Und so liest und liest man, getrieben von der Neugier darauf, endlich zu erfahren, was sich hinter dem ominösen Einstieg verbirgt. Aber selbst der reguläre Start des Buches hat es schon in sich; denn auch hier werden gleich ein paar nicht uninteressante Fragen aufgeworfen. C. M. Ewan hält sich also offensichtlich nicht mit Erklärungen auf, sondern setzt darauf, dass sich die Leser im Laufe der Zeit alles zusammenreimen. Und während wir uns auf den ersten Seiten noch auf dem Weg zum Ferienhaus befinden, dauert es auch nicht lange, bis wir unser Ziel erreichen und die Spannung quasi explodiert.
Und damit beginnt ein Lese-Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Der Autor jagt nicht nur die Protagonisten durch eine Horror-Nacht, sondern den Leser gleich mit. Dabei entsteht nicht nur absolut nervenzerreißende Spannung, sondern auch eine dichte, beklemmende Atmosphäre, die ihren Klammergriff gezielt um meinen Magen legte und mit jeder gelesenen Seite weiter zudrückte. Es ist ein Horror-Trip, dieses Buch zu lesen; weil ich mich so oft selbst als Opfer sah und deshalb in einem Ausmaß mitfieberte, wie ich es selten zuvor erlebt habe. Es ist mitreißend, unheimlich, rasant. Und es schnürt einem quasi in einem fort die Luft ab. Für meinen Geschmack war das kein herkömmlicher Thriller, sondern eher ein Werk, das ich ins Horror-Genre einordnen würde; zumindest über die ersten zwei Drittel hinweg. Immerhin kann man sich das so vorstellen, dass den Figuren dauerhaft der Tod droht und sie innerhalb einer recht geringen Fläche ständig neue Versteckmöglichkeiten suchen müssen, um den Tätern nicht in die Finger zu fallen. Ein Aufeinandertreffen, bzw mehrere Aufeinandertreffen lassen sich so nicht vermeiden, und das treibt den Spannungsbogen natürlich von Zeit zu Zeit nochmal in die Höhe.
Aber gleichzeitig – und das ist das Skurile an der ganzen Sache – ziehen sich manche Szenen sehr in die Länge. Mir ist bewusst, dass dies vor allem dazu dient, die Spannung aufrecht zu erhalten und den Leser zu reizen, aber wir beschäftigen uns zeitgleich zur Jagd/Flucht auch enorm viel mit der Gedankenwelt des Protagonisten. Was denkt er? Was fühlt er? Welche Überlegungen stellt er an? Wem traut er? Wem misstraut er? Und das schien an der ein oder anderen Stelle doch ein bisschen zu viel Raum einzunehmen. Es hätte es schlicht nicht gebraucht. Denn obwohl das Tempo in einem fort sehr „schnell“ gehalten ist, kommen durch die teilweise seitenlangen Gedanken auch kurze Spannungslöcher auf, die mehr künstlich als nötig gewirkt haben.
Gen Ende, im letzten Drittel ca., kommen dann aber auch die gewohnten Thriller-Facetten ins Spiel. Die ganze Sache schlüsselt sich nach und nach auf und vieles, von dem, was zuvor geschah, wird verständlicher. Aber eben nicht alles. Mir erschien es fast so, als habe der Autor zu viel Zeit und Platz für die Jagd „verschwendet“, um dann am Ende fast gehetzt durch die Aufklärung hasten zu müssen. Und so blieb manches auch einfach unverständlich. War für meinen Geschmack nicht nahe genug ausgeleuchtet und blieb deshalb eher schemenhaft. Selbst nachdem ich das Buch zugeschlagen hatte, überlegte ich noch immer, wie dieses und jenes gemeint war, und was sich jetzt genau hinter allem verbarg. Die Erklärung war mir persönlich zu schwammig – und zu chaotisch insziniert. Trotzdem; und das möchte ich an der Stelle nochmal explizit betonen, gab es am Ende durchaus überraschende Erkenntnisse. Nicht alles blieb unklar – vieles wurde auch wunderbar aufgegriffen und dargestellt, sodass der Wow-Effekt trotz gewissen „Lücken“ seine Wirkung entfaltete. Es hätte vielleicht einfach nochmal 20-30 Seiten mehr gebraucht, um die Hintergründe besser bzw. verständlicher rüber zu bringen. Aber im Gesamten war’s doch ein stimmiges Ende, das mich beinah komplett zufriedenstellen und wieder beruhigt schlafen lassen konnte.
Die Charaktere sind, vor allem anfangs, eine wirklich spannende Angelegenheit. Im Grunde ist es eine ganz normale Familie, die jedoch vom Schicksal schwer gezeichnet wurde und nun dringend Abstand vom Alltag braucht. Während der Fahrt ins Ferienhaus begann ich bereits, erste Verbindungen zu Tom, Rachel und Holly (und Buster!) aufzubauen und genau deswegen fiel es mir auch im weiteren Verlauf nicht schwer, mit ihnen mitzufiebern und mitzufühlen. Jedoch zeigten sich nach und nach dann auch die ersten negativen Charakterzüge, was mein Misstrauen, jedem einzelnen gegenüber, auflodern ließ. Tom, unser Protagonist, aus dessen Sicht wir die Geschichte auch lesen, verstrickt sich manchmal dermaßen in seinen Gedanken, dass er sich oft über Seiten hinweg nicht mehr daraus befreien kann und die Handlung damit gekünstelt in die Länge zieht. Rachel scheint, ganz offensichtlich, was zu verbergen zu haben und erschien mir auch nicht unbedingt wie eine erfahrene Ärztin, sondern eher wie eine Hobby Krankenschwester. Und die 13-jährige Holly wirkte so, als ob sie ab einem gewissen Punkt nur noch nettes Beiwerk war. Und so war jeder, auf seine Art und Weise, auch anstrengend. Besonders bei Tom fiel mir auch mehrfach auf, dass seine Handlungen entweder recht unbedacht (was total konträr zu seinen ewigen Gedankenspiralen ist), oder schlicht nicht nachvollziehbar ausfielen. Mehr als einmal schlug ich mir imaginär die Hand an die Stirn, weil er zum Teil Reaktionen an den Tag legt, die sich jeder Logik entziehen. Aber sie fördern eben auch die Spannung und treiben das Geschehen aktiv voran. Wäre Tom nur untätig herumgesessen und hätte gebetet, wäre das eine denkbar lahme Story gewesen. Trotzdem hätte man das etwas glaubhafter ausarbeiten können. So hätte man vielleicht auf den ein oder anderen inneren Monolog verzichten können, denn zusätzlich zu der ohnehin bereits bestehenden Kritik verlor er dadurch auch noch eine gehörige Portion Männlichkeit. Schwieriges Thema mit mir und ihm; auch weil ich mich überhaupt nicht in seine Lage hineinversetzen kann und deshalb eigentlich gar nicht beurteilen mag, ob ich genau so wirre Gedanken haben würde.
Aber trotz aller Kritik; egal ob an Tom, Rachel oder Holly, fieberte ich doch intensiv mit ihnen mit. Ein jeder verdiente es meiner Meinung nach, unbeschadet aus diesem Alptraum rauszukommen, weil diese „gedankenreichen“ Passagen im gleichen Zuge zur Länge auch noch etwas anderes mit sich brachten: Tiefgang! Nur durch all die Überlegungen und inneren Kämpfe wurde Tom erst so richtig menschlich und auch seine Liebe zu seiner Familie wurde damit auf eine ganz neue Ebene gehoben. Allgemein herrschte zwischen den dreien, trotz Differenzen, eine sehr harmonische Stimmung und man spürt, wie gut sie sich kennen und wie schön sie miteinander funktionieren. Und last but not least: Tom war nicht dumm! Manchmal etwas unbedacht, und zögerlich, aber im Gesamten wusste er sich doch stets zu helfen und legte dazu auch noch eine echt bemerkenswerte Entwicklung an den Tag.
Ansonsten treffen wir auf verhältnismäßig wenige andere Figuren. Klar: die Täter, aber zu denen kann und möchte ich nichts sagen. Und die anderen, die zwar hier und da ihre Auftritte haben (beispielsweise durch Rückblenden), spielten meiner Meinung keine tragende Rolle. Ich fand sie aber dennoch ausreichend detailliert dargestellt, sodass ich sie mir vor Augen führen und mir ein Bild von ihnen und ihren Wesenszügen und ihren Beweggründe und Zielen machen konnte. Und ob ich da wirklich jedes Mal richtig lag, lasse ich mal offen. Ich denke, ein jeder weiß, dass es genau solch undurchsichtige Charaktere sind, die Spannung und Würze in einen Thriller bringen – und so war es auch hier.
Der Schreibstil von C. M. Ewan ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, weil die Sätze zum Teil doch sehr verschachtelt aufgebaut sind und es deshalb ein wenig Zeit bedarf, um einen richtigen Lesefluss zu entwickeln. Doch ist diese kleine Hürde erstmal gemeistert, ließ sich das Buch wirklich zügig lesen. Der Autor erzeugt mit bloßen Worten eine sehr beklemmende, düstere Atmosphäre, die perfekt zu den Geschehnissen innerhalb der Geschichte passt. Das Erzähltempo ist dabei, trotz der inneren Monologe, erstaunlich rasant, und beherbergen allein dadurch schon eine gehörige Portion Spannung. C.M. Ewan schreibt bildhaft, und schreckt auch vor brutaleren Ausführungen nicht zurück, sondern bringt unverblümt auf den Punkt, was sich gerade zuträgt. Ich war mehrmals überrascht davon, wie greifbar und lebendig sich die Ereignisse für mich angefühlt haben und wie sehr ich mich selbst als Opfer auf der Flucht sah. Für mich ein rund herum gelungener Schreibstil, der zwar am Anfang etwas Zeit braucht, um sein Können zu zeigen, aber dann doch echt überzeugt.
„Das Ferienhaus“ von C. M. Ewan ist ein erstaunlich düsterer, horrorlastiger Thriller, der eine Vielzahl an verschiedenen Facetten aufzuweisen hat und dementsprechend auch nie an Tempo verliert. Bis auf ein paar Stellen, die mit Gedankenspiralen gekünstelt in die Länge gezogen wurden, war dauerhaft etwas in Gange und wurde nie langweilig. Besonders die ersten beiden Drittel waren an Spannung kaum zu überbieten und boten eine Menge Überraschungsmomente und Wendungen, mit denen man absolut nicht rechnet. Doch weil sich der Autor manchmal ein wenig in inneren Monologen vom Protagonisten verloren hat, schien er am Ende nicht mehr die Zeit übrig gehabt zu haben, die nötig gewesen wäre, um die große Auflösung so darzustellen, dass man ihr problemlos folgen kann. Für mich ging die Erklärung zu schnell, und zu chaotisch über die Bühne, und es blieb teilweise auch Unverständnis zurück. Aber im Gesamten fand ich es aber gut gemacht, wie die offenen Fäden miteinander verstrickt wurden und nach und nach alles zusammenfand. Und so wurde aus „Das Ferienhaus“ zwar kein 100%iges Highlight, aber immerhin großartige Unterhaltung, die hier und da kleine Schwächen aufwies, aber im Großen und Ganzen für nervenaufreibende Lesestunden sorgte.
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C. M. Ewan wurde 1976 in Taunton geboren und hat an der Universität von Nottingham Amerikanische und Kanadische Literatur und später Jura studiert. Nach elf Jahren auf der Isle of Man ist er mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Hund nach Somerset zurückgekehrt, wo er sich ganz dem Schreiben widmet. Mit »Das Ferienhaus«, seinem ersten Roman bei Blanvalet, hat er gleich die SPIEGEL-Bestsellerliste erklommen und sich zahlreiche Fans geschaffen.
(c) by blanvalet
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim blanvalet Verlag bedanken: dafür alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen. Und natürlich dafür, das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.
Bei vier Sternen werde ich es auch mal versuchen;)
alles Gute
Connor