||» Rezension «|| Das St. Alex 01: Nachtleuchten [von Anne Lück]
– Nachtleuchten –
Anne Lück
New Adult
Band 1 von 3 [?]
Das St. Alex – Reihe
Nachts der Job im Krankenhaus, tagsüber Familien-Chaos – Samira hat absolut keine Zeit für die Liebe. Oder?
Samira hat keine Zeit für die Liebe: Neben ihrem Job auf der Kinder-Palliativstation des Berliner St.-Alex-Krankenhauses hat sie alle Hände voll damit zu tun, sich um ihre drei jüngeren Brüder zu kümmern. Ihre Mutter ist dazu offenbar nicht in der Lage. Deshalb übernimmt Sami auch so oft wie möglich Nachtschichten, um tagsüber für ihre Familie da zu sein. Der junge Arzt Louis hingegen zieht nach einem späten Feierabend gern noch durch die Berliner Clubs. Jemand wie er passt überhaupt nicht in Samis Leben, findet sie. Aber dann kommen die beiden bei einer gemeinsamen Nachtschicht dem seltsamen Fall einer jungen Patientin auf die Spur – und einander näher …
(c) by Knaur Verlag
Krankenhaus? New Adult? Tiefgang? Familie? Na das hab ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen lassen. Der erste Band von der St. Alex Reihe hat mich bereits binnen weniger Sekunden mit dem Klappentext (und dem tollen Cover) neugierig gemacht und so war sofort klar, dass dieses Schätzchen einziehen muss. Vielen Dank an dieser Stelle an den Knaur Verlag – ich hab mich unwahrscheinlich über das Belegexemplar gefreut! Aber konnte mich die Story auch wirklich so begeistern, wie ich mir das ausgemalt hatte? Oder verbirgt sich hinter der vielversprechenden Idee doch nichts weiter, als „nur“ nette Unterhaltung? Das und noch vieles mehr verrate ich euch jetzt. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension. ♥
Der Einstieg in „Nachtleuchten“ gelang mir mit einer Leichtigkeit, die mich beinah erschreckte. Binnen weniger Worte war ich bereits mitten drin; und das nicht nur im übertragenden Sinne, sondern auch auf der Gefühlsebene. Dabei beginnt das Buch gar nicht so besonders, sondern viel mehr alltäglich. Anne Lück hat sich für einen eher ruhigen Anfangspunkt entschieden und somit dafür gesorgt, dass wir Leser uns erst einmal ein Bild von Samira und ihren Lebensumständen – und von ihrem Job – machen können. Und letzteres hatte es definitiv in sich. Die Arbeit auf einer Kinder-Palliativstation ist unheimlich emotional und verlangt nicht nur den Ärzten und Krankenschwestern einiges ab, sondern auch dem Leser. Allerdings rückt der Fokus verhältnismäßig schnell davon weg, wahrscheinlich um nicht ganz die erdrückende Schwere aufkommen zu lassen. Stattdessen kommt Louis ins Spiel, und damit startet die eigentliche Lovestory.
Obwohl ich mir gewünscht hätte, dass der Krankenhaus doch mehr im Vordergrund gestanden hätte, erreichten mich die Protagonisten mit ihrer Geschichte sofort. Die anfängliche Abneigung, die sie des jeweils anderen verspüren, ist beinah mit Händen greifbar und sorgt sogar für den ein oder anderen Moment des Schmunzelns. Es ist einfach zu offensichtlich, dass da eine gewisse Anziehung herrscht. Und so nimmt die Liebesgeschichte ihren Lauf. Und gleichzeitig bleibt weder das Krankenhaus, noch der familiäre Background auf der Strecke. Anne Lück schafft den Spagat und bindet alle Themen, die sie in ihrem Roman behandelt, gleichermaßen authentisch wie ausgewogen, ein und schafft so eine gute Portion Abwechslung. Krankheiten, Verantwortungsbewusstsein, Druck, Stress, Eltern sein. Das alles thematisiert die Autorin sehr glaubhaft und nachvollziehbar, sodass es einem leicht fällt, sich davon mitreißen und berühren zu lassen. Als wäre das Setting in Form einer Krankenhausstation, in der ausgerechnet schwerstkranke Kinder behandelt werden, nicht schon bedrückend genug, ist auch Samira’s Lebensweg alles andere als einfach. Die Verantwortung für ihre drei jüngeren Brüder lastet schwer auf ihr, und obwohl sie alles gibt, scheint das nicht genug. Es kommen immer mehr Probleme ins Spiel und weil kein Ende davon in Sicht ist, steigt damit dann auch die Spannung immer mehr an. Schafft es Samira, alles unter einen Hut zu bringen? Hat da Louis wirklich noch Platz in ihrem ohnehin stressigen Leben? Oder ist die aufkeimende Liebe von vorn herein zum Scheitern verurteilt?
Anne Lück ist es gelungen, die Kennenlern-Phase zwischen Samira und Louis so zu gestalten, dass sie aus dem echten Leben gegriffen scheint. In einem angenehmen, aber nicht zu langsamen Tempo nähern sich die beiden Protagonisten an; lernen sich kennen – mit all ihren Ecken und Kanten. Vom ersten Date, zum ersten Kuss. Von Verschlossenheit zum zaghaften Öffnen. Und die Mauern bröckeln immer mehr; geben mehr preis; offenbaren, womit sowohl Samira als auch Louis zu kämpfen hat. Und dabei geschieht dauerhaft irgendwas, was es sich zu lesen lohnt. Zu keiner einzigen Sekunde wurde es auch nur annähernd ruhig; geschweige denn langweilig. Trotzdem fehlte mir an der ein oder anderen Stelle noch eine Spur von Tiefgang – oder Pepp. Es lässt sich schwer in Worte fassen, aber das gewisse Etwas fehlte mir.
Gen Ende spitzte sich die Lage dann immer mehr zu; das Lüften des großen Geheimnisses stand bevor – aber natürlich lief alles ganz anders ab, als es geplant war und so entzündet ein kleiner Funke ein wirklich mitreißendes Feuerwerk, das sich über das gesamte letzte Drittel erstreckte. Anne Lück hat Wendungen eingebaut, mit denen ich so nicht gerechnet hätte – und die schlussendlich eben auch nochmal eine gewisse Form von Undurchsichtigkeit mit sich brachten. Happy End? Oder doch nicht? Ein Abschluss – oder ein offenes Ende? Fragen über Fragen, die ich unbedingt beantwortet haben wollte und darum gar nicht mehr aufhören konnte zu lesen. Auch emotional nahm mich das Geschehen nochmal auf einer ganz neuen Ebene mit; denn obwohl ich vorher schon mitfühlte und mitfieberte, war es kein Vergleich zu dem, was das Buch innerhalb der Auflösungsphase mit mir machte. Und so kam das gewisse Etwas, was mir zuvor gefehlt hatte, doch noch auf.
Die Charaktere passten dabei auch echt wunderbar zur Handlung. Obwohl beide nicht frei von Fehlern sind, nahmen sie mich doch sehr für sich ein. Und das sowohl einzeln, als auch zusammen. Samira ist eine wundervolle junge Krankenschwester, die so aufopferungsvoll und ehrgeizig in ihrem Job agiert und zu Hause nicht minder mit genau den gleichen Attributen auftritt. Sie ist verantwortungsvoll und kämpferisch; kümmert sich rührend um ihre Brüder und trägt so viel Liebe in sich, dass sie damit das Buch allein hätte schon füllen können. Aber Samira ist auch sehr .. wie nennt man das? .. stur? Ist es wirklich stur, wenn man nicht einsehen will, dass man auch mal was nicht meistert? Sie ist verbissen und lässt kaum Hilfe von Außen zu – verschatzt sich lieber und stellt sich selbst soweit zurück, dass sie sich manchmal selbst zu vergessen scheint. Und genau damit hatte ich so meine Probleme. Vielleicht, weil sie mir da sehr ähnlich ist; vielleicht weil es stellenweise etwas anstrengend war, sie auf ihrem selbstzerstörerischen Trip zu begleiten. Aber im Gesamten empfand ich sie dennoch als absolut sympathisch und liebenswert, eben weil sie so ein großes Herz besitzt. Und natürlich auch, weil ihre Entwicklung so beeindruckend ist. Sie sieht ihre Fehler ein und lernt darauf – sie springt über ihren Schatten und liefert damit eine unsagbar wichtige Message, die man nie vergessen sollte: sich Hilfe zu holen ist keine Form von Schwäche, sondern das stärkste, was man je tun kann.
Louis, der zunächst wie der typische Arzt wirkt und mit seiner reichen Mutter und dem entsprechenden Bankkonto auch noch gleich zwei Klischees erfüllt, entpuppt sich als unheimlich lebendiger Protagonist, der mit seinem Background eine mindestens genau so wichtige Botschaft sendet, wie Samira. Nämlich dass es in keinster Weise der richtige Weg ist, Menschen anhand des ersten Eindrucks in Schubladen zu stecken. Louis ist jung, dynamisch – nichts scheint ihm etwas anhaben zu können. Partys gehören genau so zu seinem Lifestyle, wie sein Job als Arzt. Und den scheint er nur weder mit Herzblut, noch aus Leidenschaft auszuführen. Zumindest ist das der erste Eindruck, den ich von ihm hatte. Doch schnell musste ich feststellen, dass er ganz anderer, ein viel einfühlsamerer und empathischer Mensch ist, als ich zunächst annahm. Louis hat etwas zu erzählen, und tut dies nach und nach – öffnet sich in einem sehr realistischem Tempo und lässt nicht nur Samira, sondern auch uns Leser an seiner Gedankenwelt und seinen Empfindungen teilhaben. Ich mochte den jungen Arzt anfangs überhaupt nicht; nachher dafür dann umso mehr. Es hat mir solch eine Freude bereitet, ihn zu begleiten und aufgezeigt zu bekommen, wie sehr man sich täuschen kann. Ich verstand Louis, konnte nachvollziehen, wieso er sich so distanziert gab und wieso er nicht gleich mit allem herausplatzte, was er zu sagen hatte. Louis ist also längst nicht nur ein attraktiver Kerl mit einem wunderbaren Job, sondern auch ein echter, greifbarer Mensch mit einem Herz und mit Gefühlen, die einen manchmal überwältigen. Sicher ist auch er nicht perfekt. Hat Ecken und Kanten. Macht Fehler. Aber er ist reif genug, darüber nachzudenken, sie einzusehen und dafür gerade zu stehen. So war er, im Gesamten, für mich fast noch eine Spur einnehmender, als Samira es war.
Und neben den beiden Protagonisten treffen wir auf noch viele weitere Persönlichkeiten, die von Anne Lück zum Leben erweckt wurden. Arbeitskollegen, die zu Freunden wurden; Familienmitglieder, auf die man gut und gerne verzichten konnte und Patienten, deren Schicksal einen manchmal zu Tränen rührten. Und daran hab ich auch gemerkt, dass die Spannung in diesem Roman beinah nebensächlich war – viel wichtiger war die Menschlichkeit und die Emotionen, die mich so sehr erreichten, dass alles andere in den Hintergrund rückte.
Und so kann ich auch über den Schreibstil der Autorin nichts – aber auch gar nichts – negatives sagen. Sie erzählt uns greifbar und echt vom Krankenhausalltag und den Problemen, die Teenie-Brüder mit sich bringen. Sie berichtet von schwersten Krankheiten, die wirklich toll recherchiert waren und dementsprechend eine immense Wirkung entfalten konnten – und sie erzählt uns von Liebe, die manchmal einfach zum falschen Zeitpunkt kommt und unvermittelt unser Leben durcheinanderbringt. Ich konnte mich restlos fallen und mitreißen lassen; konnte mich hineindenken in die einzelnen Szenen und sah mich, nicht nur einmal, inmitten von Berlin stehen, obwohl ich noch nie einen Fuß in diese Stadt gesetzt habe. Und zu guter letzt konnte ich intensiv und komplett ohne Vorbehalte mitfühlen – mich von den Emotionen gefangen nehmen lassen und damit hat sie mich dann schlussendlich wohl am meisten überzeugt. Ob nun die ersten, zaghaften Funken zwischen zwei Menschen, oder die tiefe Trauer über den Verlust von Patienten; alles nahm ich am eigenen Leib wahr und so sehr es manchmal auch schmerzte – ich konnte es dennoch genießen, diese Geschichte zu erleben.
„Das St. Alex 01: Nachtleuchten“ von Anne Lück ist ein wunderbar authentischer Roman über zwei Menschen, die sich zufällig begegnen und sich ineinander verlieben, obwohl beide nicht die besten Vorraussetzungen für eine Beziehung mitbringen. Und das ganze dann auch noch gepaart mit einem emotionalen familiären Background und dem Krankenhaussetting, das mindestens genau so viele Gefühle bereit hielt, und schon hatte man die perfekte Unterhaltung geschaffen. Nicht alles war perfekt; so fehlte mir vor allem in den anfänglichen zwei Dritteln so ein bisschen das gewisse Etwas.. oder die kurzen Dispute mit Samira, die mich von Zeit zu Zeit ein wenig anstrengte mit ihrer Art – aber es war eine Geschichte, die mich berühren und begeistern und wunderbar unterhalten konnte.
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Anne Lück wurde 1991 in Sachsen-Anhalt geboren. Schon im Kindergarten dachte sie sich Geschichten aus, mit dreizehn schrieb sie ihren ersten Roman. Nach einer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitete sie in einer renommierten Klinik im psychiatrischen Kinder- und Jugendbereich in Berlin als Betreuerin und Schreibtherapeutin. Mittlerweile hat es sie nach Leipzig verschlagen, wo sie die Nähe zu Familie und Freunden genießt und sich neben der Arbeit in einer Klinik endlich mehr Zeit zum Schreiben nimmt.
(c) by Knaur Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Knaur Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.