||» Rezension «|| Das Flüstern des Zwielichts [von C.E. Bernard]

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31. Januar 2022 0 Von Patchis Books

Achtung! Band 2 einer 3-teiligen Reihe. Spoiler zum Vorgänger sind möglich.
» hier « geht’s zur Rezension zu Band 1: „Das Lied der Nacht“

DAS FLÜSTERN DES ZWIELICHTS
C. E. Bernard
Übersetzer: Charlotte Lungstrass-Kapfer
High Fantasy
Band 2 von 3
Wayfarer-Trilogie
384 Seiten
19. Juli 2021
Penhaligon Verlag
Paperback
15,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


Wanderer Weyd begibt sich mit seinen Gefährten auf die Reise zu den legendären Türmen des Lichts. Seine Waffe gegen die monströsen Schatten ist keine Armee, sondern ein uraltes Lied – doch wird es die Helden schützen? Denn diesmal kann die Bardin Caer ihre Stimme nicht gegen ihre Feinde erheben. Dabei lauert ihnen ein Gegner auf, der finsterer ist als jeder Schatten

(c) by Penhaligon Verlag

Lange – unsagbar lange hab ich gebraucht, bis ich Band 2 der Wayfarer-Saga endlich gelesen hatte. Und das, obwohl ich sogar den finalen Teil schon eine geraume Weile im Regal stehen habe. Fast ein Jahr ist vergangen, seitdem ich den Auftakt gelesen hatte und ich war doch von ein paar kleineren Zweifeln geplagt, ob ich wirklich so schnell wieder in die Geschichte, die alles andere als gewöhnlich ist, reinfinden würde. Heute möchte ich euch gerne verraten, ob ich zurecht Sorgen hatte, oder ob das alles total unnötig war. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß bei meiner ausführlichen Rezension zu „Das Flüstern des Zwielichts“. ♥

Die Geschichte schließt nahtlos an den Vorgänger an. Und obwohl etliche Tage zwischen Band 1 + 2 lagen, hatte ich, rein vom Inhalt her, keinerlei Probleme damit, den Anschluss zu finden. Die Erinnerungen waren sofort wieder präsent und man ist prompt wieder im Geschehen drin. Allerdings war es auch hier so, dass es ein paar Seiten dauerte, bis ich mich an den Stil gewöhnt hatte. Die spezielle, um nicht zu sagen anspruchsvolle Erzählweise von C.E. Bernard ist einfach besonders und erfordert ein gewisses Maß an Konzentration. Doch kaum dass diese kleine Hürde gemeistert war, entfesselte die Geschichte all ihren Sog, ihre Macht und ihre einzigartige Atmosphäre.
In Band 1 hatten wir den Wanderer am Anfang seiner waghalsigen Mission, die legendären Türme zu erreichen und das Land damit von den Schatten zu befreien, verlassen – ein wirklich fieser Cliffhanger, der aber bereits damals offenbarte, wie viel Potential in diesem zweiten Band stecken würde. Und die Autorin hat uns nicht enttäuscht. Entgegen der allgemeinen Meinung zu zweiten Bänden ist diese Fortsetzung längst nicht nur ein Übergang zum großen Finale, sondern bringt nochmal ganz neue Aspekte ins Spiel, die die Handlung in ganz andere Richtungen lenkt. Es kommen andere Spannungselemente dazu, während die bisher bekannten eher in den Hintergrund rückten, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Auch wenn die Bücher zusammenhängen, gibt es trotzdem noch so viel zu entdecken, dass es allein aufgrund dieser Tatsache niemals langweilig wird. So viele neue Elemente, die Frische ins Spiel bringen und wieder genau so von Innovation und Kreativität zeugen, wie all das, was wir schon kennen aus Band 1. Was die kleine Truppe rund um Weyd erlebt, ist gespickt von Spannung, sogar einigen Gruselmomente und einer Menge Stimmung. Selbst die ruhigen Phasen, in denen einfach über das Leben, den Sinn oder gar Belangloses gesprochen wird, sind voller Atmosphäre. Und genau davon lebt das Buch auch wieder. Was jetzt nicht heißen soll, dass nichts passiert – im Gegenteil – aber die Besonderheit dieser beiden Bänden ist eindeutig das einzigartige Flair, das geprägt ist von Dunkelheit und Düsternis, von Gewalt und Brutalität; aber auch von tiefschürfenderen Szenen, in denen der enge Bund zwischen den Freunden zu Tage tritt. Denn auch hier setzt die Fortsetzung dem Auftakt gegenüber noch eins drauf. Es ist, wie ich finde, deutlich emotionaler und einnehmender, noch „näher“ und noch ergreifender. Die Liebe, die zuvor nur einen kleinen Teil des Buches eingenommen hat, wird hier mehr in den Fokus gerückt, obwohl sie auch weiterhin eine relativ kleine Rolle innehat. Trotzdem konnte ich mich von den Gefühlen wunderbar beeinflussen lassen, sodass ich das, was Weyd und Co. erleben, quasi hautnah miterlebte. Es fühlte sich ein bisschen an wie ein Roadtrip in längst vergessener Zeit. Die Reise zu den Türmen ist, einfach gesagt, ein Roadtrip zu Fuß bzw. mit Pferd und das Setting verlagert sich daher ständig. Mal campieren wir inmitten eines furchtbar unheimlichen Waldes – mal machen wir Rast in einer größeren Stadt – aber die bedrohlichen Schatten verfolgen uns auf Schritt und Tritt und lauern hinter jeden Ecke auf uns. Aber während die Figuren damals beinah ausschließlich gegen diese Schemen ankämpfen mussten, so gesellt sich hier eine weitere Unbekannte zu den Feinden, die um so vieles erschreckender und tötlicher ist, als alles bisher dagewesene.
Gerade gen Ende offenbart sich nochmal, mit wie viel Power die Geschichte ausgestattet wurde. Die Lage spitzt sich erheblich zu und ein Twist jagt den vorherigen, sodass das Ende von Zeile zu Zeile unvorhersehbarer wird und das Happy End immer weiter in die Ferne rückt. Es folgt ein fast epischer Kampf, der aber so ganz anders ausfällt, als man sie schon zu genüge kennt. Die Autorin ließ der brutalen Gewalt nochmal freien Lauf, und versetzte mein Herz damit in einen Zustand, in dem es nicht mehr wusste, ob es schneller schlagen, oder den Betrieb doch lieber gleich einstellen sollte. Was für ein grandioses, fesselndes, überraschendes Ende, das perfekt zum Vorlauf passte und das Spektrum für Band 3 nochmal um einiges erweitert hat. Ich bin inzwischen komplett planlos, was im großen Finale auf uns wartet – aber dank des fiesen Cliffhangers, mit dem auch dieser Band endet, wird wohl nicht allzu viel Zeit vergehen, bis ich es erfahre.

Die Figuren haben, wie ich vielleicht schon angeteasert hatte, nochmal eine ganz neue Dimension von Tiefe bekommen. Weyd, Caer, Bahr und Jori haben mich bereits im Auftakt von sich überzeugt, doch durch die Intenzität der Geschichte rückten wir als Gruppe (ich mit eingeschlossen) nochmal viel enger zusammen. Wir dürfen nochmal ganz neue Seiten an allen Beteiligten entdecken und über die ein oder andere lässt sich wohl einfach nur staunen. Manche Entwicklung machte mich beinah sprachlos und kamen total unerwartet – andere wiederum, die bereits bekannten, vertieften sich noch einmal und die Verbindung wuchs mit jedem überlebten Abenteuer. Ich fand es vor allem toll zu beobachten, wie harmonisch die Figuren miteinander umgingen – wie sie eine große Einheit bildeten, ohne dass immer alles Friede, Freude, Eierkuchen zwischen ihnen gewesen wäre. Es kommt zu Streitereien, zu Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen, aber in den wichtigen Momenten, da war all der Groll, all das böse Blut vergessen und man kämpfte Seite an Seite. Auch die Vielfalt innerhalb des Freundeskreises war bemerkenswert. Wir haben so viele unterschiedliche Persönlichkeiten, die mal besser, mal weniger gut miteinander zurecht kamen, sich aber im großen Ganzen perfekt ergänzten.
Ich denke, zu Weyd brauche ich nicht mehr allzu viel zu sagen. Er ist der Kopf der Wayfarer-Saga und macht dabei einen echt guten Job. Einerseits ist er mutig, stark und erfahren – andererseits auch empathisch, einfühlsam und rücksichtsvoll – und irgendwie auch ein Angsthase. Weyd, der Wanderer ließ mich schmunzeln und verzweifeln, er ließ mich staunen und hatte immer einen Rat parat; möge die Situation auch noch so ausweglos erscheinen. Aufgeben ist für ihn, wie auch für alle anderen, ein absolutes Fremdwort. Und auch wenn Weyd irgendwie außergewöhnlich und „alt“ wirkte (im positiven Sinne!), so konnte ich mich doch bedingungslos auf ihn als Hauptfigur einlassen und mich mit ihm identifizieren. Er war mir genau so sympathisch wie im ersten Band; ich empfand ihn als genau so liebenswert und genau so „mitfiebernswert“ und .. ach ich mochte ihn einfach. Punkt.
Genau so verhielt es sich auch mit Caer, die ebenfalls wieder eine der wichtigsten Rollen innehatte. Caer ist eine durch und durch spannender, vielschichtige Persönlichkeit, die so viel Kampfgeist in sich trägt, dass man dem nur sprachlos folgen kann. Aber gleichzeitig offenbart sie auch so viel Verletzlichkeit; was eigentlich in totalem Kontrast dazu stehen müsste, sich aber viel mehr ergänzt. Caer hat, wie der Klappentext schon verrät, ihre Stimme verloren – was ist eine Bardin ohne Stimme? Caer zeigt uns, was das ist. Sie beweist enorm viel Mut, indem sie einfach nicht aufgibt und aus der Situation, notgedrungen, das Beste macht. An Caer’s Seite fühlt man sich unbesiegbar, aber auch total wie ein zartes Blümchen, das beschützt werden will. Ich hab diese junge Frau, die so viel für diese Reise geopfert hat, so unglaublich ins Herz geschlossen und habe bereits jetzt größte Angst davor, sie irgendwann verlassen zu müssen.
Apropos verlassen! Die anderen Freunde hinterlassen übrigens genau die selben Verlustängste bei mir. Ich kann keinen davon guten Herzens ziehen lassen, wenn sich die Reihe im nächsten Teil so langsam dem Ende neigt – geschweige denn, sollte einer von ihnen das Ziel nicht lebend erreichen. Ich hab sie alle gern und besonders Bellitas wird für immer einen festen Platz in meinem Herzen haben. Und Urth natürlich! Wie konnte ich Urth die Krähe vergessen?
Wir treffen in diesem zweiten Band natürlich gleichermaßen viele bekannte, wie unbekannte Gesichter. So lernen wir beispielsweise auch die Bürgermeisterin von Briva kennen; ziemlich eingehend sogar. Und ich gebe zu, zunächst empfand ich sie als gewissen Störfaktor. Ich habe mich fest an die neun Freunde gewöhnt gehabt, und wollte da niemand anderen sehen – doch im Laufe der Zeit fand ich auch zu ihr einen Draht. Der am Ende genau so unzerstörbar war, wie zu der „Haupttruppe“. Ich kann die Charaktergestaltung also nur in den höchsten Tönen loben und dementsprechend auch nur davon schwärmen. Selbst neue Charaktere sind einnehmend genug, um genau die selben Begeisterungsstürme auszulösen.

Und um auch noch ein paar Worte zum Schreibstil. Auch wenn ich weder weiß, wo ich dahingehend anfangen, geschweige denn aufhören soll. Ich könnte stundenlang über die Art, wie C.E. Bernard schreibt, berichten – und schwärmen. Die Erzählweise ist unglaublich intensiv und besonders, die dabei entstandene Atmosphäre absolut einzigartig. Die Autorin schreibt weder leicht, noch locker, doch hat man sich an den melodischen Klang der Geschichte erst einmal gewöhnt, kommt man dennoch sehr schnell und auch einfach voran. Man versinkt zwischen den Seiten und sieht sich selbst auf dieser Reise den bösesten Kreaturen gegenüber; man fiebert und fühlt mit, man leidet, man hofft, man bangt, man lacht. Dieser Schreibstil löst so viel im Leser aus, und ist trotz des hohen Anspruchs, perfekt für diese Abenteuer. Gerade weil es auch inhaltlich viel um Musik, Lieder und Gesang geht, passt es wunderbar, dass auch die Erzählung selbst an eine dunkle, tiefe und traurige Melodie erinnert. Da noch ein so großes Maß an Greifbarkeit und Leben einzubauen, gleicht einem Wunder, doch C.E. Bernard ist es gelungen. Selbst die abruptesten Perspektiv-Wechsel wirkten nicht störend und katapultierten einen nicht, wie erwartet, komplett aus dem Geschehen. Im Gegenteil, sie fügten sich irgendwie perfekt ein – wie ein Fluss, der mal eine rasche Biegung nimmt. Einzig die ewig langen Kapitel waren etwas anstrengend und ließen einen das Buch eher mal weglegen. „Okay, noch ein Kapitel, dann schlaf ich wirklich“ war hier also leider nicht – weil ein Kapitel gut und gern mal 50-100 Seiten umfasste.

„Das Flüstern des Zwielichts“ von C.E. Bernard ist ein würdiger Nachfolger für den grandiosen Auftakt! Mittels geschickt platzierten, neuen Facetten und noch mehr Tiefgang überzeugt auch diese Fortsetzung wieder auf ganzer Linie. Ein melodischer, aber durchaus anspruchsvoller Schreibstil fügt sich perfekt ins Gesamtbild ein und rundet das Buch schlussendlich ab. Besonders die Figuren, zu denen die Verbindung noch tiefer ging, noch inniger wurde, begeistern wieder. Man kann einfach nicht anders, als Weyd und Caer, und all die anderen, ins Herz zu schließen. Mit ihnen die Reise zu den Türmen anzutreten macht einerseits Spaß, fühlt sich andererseits aber auch an wie eine gewisse Ehre, die ich definitiv zu schätzen wusste. Ich jedenfalls bin extrem neugierig auf das große Finale und darauf, ob bei all der Gewalt und der Brutalität auch wirklich alle Figuren lebend ans Ziel kommen – bzw. ob überhaupt jemand das Ziel erreichen wird. Fürs Highlight hat’s wieder nicht ganz gereicht, aber wer weiß schon, ob die Trilogie nicht mit einem riesigen Knall endet?

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C.E. Bernard ist das Pseudonym von Christine Lehnen, die 1990 im Ruhrgebiet geboren wurde und seitdem in Kanada, den Vereinigten Staaten, Australien und Paris gelebt hat. Sie studierte die Fächer English Literatures and Cultures und Politikwissenschaft, seit 2014 lehrt sie Literarisches Schreiben an der Universität Bonn. Daneben promoviert sie an der University of Manchester über Neuerzählungen des Trojanisches Krieges, erwandert das Siebengebirge und mentoriert zukünftige Talente für PAN e. V. Ihre Kurzgeschichten wurden mit den Literaturpreisen der Jungen Akademien Europas und der Ruhrfestspiele Recklinghausen ausgezeichnet, ihre Romane waren für den RPC Fantasy Award und den Lovelybooks-Leseraward nominiert. Christine Lehnen schreibt auf Englisch – ihre auf Deutsch erschienenen Werke, darunter die Palace-Saga und zuletzt die Wayfarer-Saga, werden ins Deutsche zurückübersetzt.

(c) by Penhaligon Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Penhaligon Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen. Sowie natürlich auch für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.