||» Rezension «|| Das Geschenk [von Sebastian Fitzek]
Sebastian Fitzek
Psychothriller
Einzelband
Milan Berg steht an einer Ampel, als ein Wagen neben ihm hält. Auf dem Rücksitz ein völlig verängstigtes Mädchen. Verzweifelt presst sie einen Zettel gegen die Scheibe. Ein Hilferuf? Milan kann es nicht lesen – denn er ist Analphabet! Einer von über sechs Millionen in Deutschland. Doch er spürt: Das Mädchen ist in tödlicher Gefahr.
Als er die Suche nach ihr aufnimmt, beginnt für ihn eine albtraumhafte Irrfahrt, an deren Ende eine grausame Erkenntnis steht: Manchmal ist die Wahrheit zu entsetzlich, um mit ihr weiter zu leben – und Unwissenheit das größte Geschenk auf Erden.
(c) by Droemer
Na wer kam an „Das Geschenk“ in den vergangenen Tagen vorbei? Ich jedenfalls nicht, aber ich gebe zu, ich habe auch ganz schön auf dieses Buch hingefiebert. Jedes Jahr zur selben Zeit startet bei mir die große Thriller-Phase; ein Glück dass Fitzek’s Bücher immer pünktlich dazu erscheinen 😉 Ein kleiner Fun Fact: ich habe die Zusage vom Verlag für das Rezensionsexemplar bekommen, doch nachdem mich das Buch auch 2 Tage nach dem ET immer noch nicht erreicht hatte, habe ich es mir kurzerhand gekauft. Die Vorfreude und Neugier war einfach zu groß. Btw: es ist immer noch nicht da. Die Post ist wohl im Moment genau so zuverlässig wie mein Internet *hust* 😀 Nun aber genug gequasselt, heute habe ich schon meine Meinung für euch mitgebracht und falls ihr wissen möchtet, wie mir der neue Fitzek gefallen hat, bleibt dran. Viel Spaß ♥
In „Das Geschenk“ ist unser Protagonist Milan Berg der Dreh und und Angelpunkt des Ganzen. Durch sein Analphabetismus sticht er schon von vorn herein klar und deutlich aus der Masse an Buch-Charakteren heraus und ist so eine äußerst interessante und innovative Persönlichkeit, die gleichermaßen neugierig wie nachdenklich macht. Milan’s Leben ist geprägt von seiner Störung, immer wieder wird deutlich aufgezeigt, wie schwer es Analphabeten im Alltag tatsächlich haben. Meines Erachtens nach hat Sebastian Fitzek es geschafft, die Problematik nahezu perfekt einzufangen und wiederzugeben und uns Lesern den Protagonisten und seine Gedankenwelt enorm nahe zu bringen und darüber nachzudenken, was es für ein Privileg ist, dieses Buch lesen zu können. Milan glänzte allerdings nicht unbedingt durch Sympathie; viel eher war es die Vielschichtigkeit seiner Person, die mich begeisterte. Nicht nur, dass er weder lesen noch schreiben konnte; auch sein Wesen war so undurchsichtig wie eine Betonwand. Die Frage, ob Milan vielleicht etwas verheimlichen könnte; und wenn ja, was, stellte sich unzählige Male und immer wieder spürte ich meine Zweifel, ob ich ihm trauen konnte oder nicht. Dennoch; oder vielleicht gerade deswegen gelang es mir auch so gut, mit ihm mitzufiebern und mitzurätseln. Ich hatte größten Spaß dabei, ihn begleiten und die Geschichte durch seine Augen erleben zu dürfen; denn das war eindeutig ein Erlebnis – im positiven wie negativen Sinne.
Sebastian Fitzek schafft es immer wieder, seine Charaktere so zugestalten, dass man als Leser nur anerkennend den Hut ziehen möchte. Auch wenn ich an Figuren aus vorangegangene Werke aus seiner Feder denke, überkommt mich stets eine Welle des Misstrauen; denn jeder wirkte, wie auch Milan, eher zwielichtig und so fern ab jeglicher Norm, dass man sie eigentlich gar nicht mögen sollte – aber man tut es trotzdem; ganz automatisch.
Aber nicht nur Milan war es, der für mich ein Rätsel verkörperte, auch jede weitere beteiligte Person in der Geschichte. Ich ertappte mich des öfteren dabei, wie ich irgendwann jedem von ihnen absolut alles zutraute, nur um später den Kopf über mich selbst schütteln zu müssen, weil ich derart falsch lag mit meinen Vermutungen und Verdächtigungen. Für mich die perfekte Besetzung für das Buch! Vielschichtige und außergewöhnliche Charaktere, die ihre Absichten nicht sofort offen legen, sind einer der wichtigsten Bestandteile eines Thrillers und Sebastian Fitzek hat es meisterhaft geschafft, eben jene in „das Geschenk“ zum Leben zu erwecken.
Der Einstieg in die Geschichte fällt ebenfalls nicht schwer. Alles beginnt schon hochdramatisch und als Leser fragt man sich unwillkürlich, wie es nur dazu kommen konnte. Denn auch das finde ich äußerst typisch für Fitzek: wir lernen den Protagonisten quasi am Ende der Geschichte kennen und kehren dann via Zeitsprung an den Anfang zurück. Die perfekte Methode, um uns zum Miträtseln zu animieren. Wie konnte es soweit kommen? Was ist geschehen, dass sich Milan nun in einer solchen Situation befindet? Was lief schief? Oder ist er doch nicht so unschuldig, wie es scheint?
All diese und noch viele weitere Fragen schwirrten mir während des Lesens durch den Kopf. Die Plots sind einfallsreich, absolut grandios recherchiert und innovativ. Die einzelnen Einflüsse sind interessant, schockierend und scheinen manchmal so abwegig, obwohl hier nur die Realität in all ihrer Brutalität ans Licht kommt. Egal wie unrealistisch manches auch scheint; es sind nichts als Fakten und das überracht nochmal auf einer völlig neuen Ebene. Medizinische sowie psychische Informationen sind dabei perfekt in die Storyline integriert, ohne den Lesefluss zu unterbrechen. Im Gegenteil: sie erzeugten nur zusätzliches Potential, immerhin spielt Sebastian Fitzek nicht nur mit den Abgründen der menschlichen Seele, sondern bringt auch immer wieder angebrachte Gesellschaftskritik ins Gespräch und lädt zum Nachdenken; vielleicht sogar zum Umdenken ein.
Die grundlegende Handlung läuft trotz Zeitsprüngen sehr nachvollziehbar ab, der rote Faden ist klar erkennbar. Mittels geschickt platzierten Aussagen von Figuren, oder scheinbar nebensächlich erwähnten Rand-Infos lockt die Geschichte den Leser bewusst in völlig falsche Richtungen und jedes Mal, wenn man meint, die Lösung zu kennen, überrascht einen die nächste Wendung derart, dass sich alle Überlegungen prompt als falsch erweisen. Doch trotz all diesen positiven Aspekten, schaffte es „Das Geschenk“ nicht, mich 100% zu fesseln. Ich las es gerne, ich konnte auch gut ins Geschehen eintauchen, doch dieses „mitgerissen sein“ empfand ich leider nicht. Buch aus den Händen gelegt; Sache erledigt. Wieder zum Buch gegriffen, wieder eingetaucht. Ich hätte mir viel mehr gewünscht, dass ich mich auch in der Zeit, in der ich nicht lese, nicht loslässt und mich permanent beschäftigt. Dem war leider nicht so. Ein weiterer, eher negativ behafteter Punkt ist der große Twist bzw. die Auflösung. Ich habe lange überlegt, wie ich das benennen soll, doch im Endeffekt wird „es war mir zu krass“ wohl am besten passen. Irgendwie verlor alles gelesene seine Bedeutung, als klar war, war wirklich Sache ist. Auch die sehr extremen Richtungswechsel innerhalb der Auflösung sorgten für Verwirrung. Jetzt rückblickend, wenn ich den Klappentext noch einmal lese, ist es vor allen Dingen ein Wort, das ich als sehr treffend betrache: nämlich „Irrfahrt“. Denn genau das ist, was die Geschichte im letzten Drittel ist: eine Irrfahrt. Diese ständigen Wechsel erzeugten zwar Tempo und auch die nötige Spannung, doch im großen und ganzen war es zu viel des guten. Immer wieder gab es neue Auflösungen, neue Erkenntnisse, neue Tatsachen und am Ende musste ich als Leser wirklich alle Konzentration aufwenden, um überhaupt noch mitzukommen.
So kann ich sagen, dass ich sowohl Idee wie auch Umsetzung eigentlich sehr geglückt finde, sehr realistisch und authentisch; aber beides kommt eben nicht ohne Kritik davon.
Völlig kritikfrei ist aber wiederum der Schreibstil. Ich liebe es, wie Sebastian Fitzek schreibt und erzählt! Man kann problemlos ins Geschehen abtauchen, die Szenen sind bildhaft und greifbar und der Lesefluss ist derart gut, dass man nur so durch die Seiten rauscht. Wie schon erwähnt kann der Autor Fakten ebenso gut in die Geschichte einweben, wie Gefühle und Brutalität. Selbst Zeitsprünge und Gliederung ist perfekt ausgearbeitet und trotz der vielen Wechsel bleibt das geschriebene Wort verständlich und nachvollziehbar. Wir lesen hier nämlich aus allerlei verschiedener Sichten und bekommen so einen Panoramablick über sämtliche Figuren, deren Abgründe und Absichten – und trotzdem bleibt es undurchsichtig. Etwas, was sich nur schwer erklären lässt, mir aber unheimlich gut gefällt und mich zutiefst beeindruckt. Man spürt die Erfahrung des Autors – und das Talent.
„Das Geschenk“ von Sebastian Fitzek ist wieder ein Psychothriller, der durchaus begeistern kann. Absolut stimmige, außergewöhnliche und interessante Figuren treffen auf eine mehr als innovative Handlung. Der Autor bringt Themen zur Sprache, denen man in Bücher sicher noch nie begegnet ist und animiert den Leser so zum nachdenken. Gesellschaftskritik ist hier ebenso eingewoben wie die menschlichen Abgründe, fehlgeleitete Gefühle und absolute Grausamkeit. Lediglich die fehlende Spannung nagt ein wenig an der Geschichte; und auch die Ausarbeitung der Auflösung überzeugte mich nicht gänzlich. Trotzdem ein mehr als lesenswertes Buch und für alle Fans von Fitzek ohnehin ein Muss.
» » » Sebastian Fitzek « « «
Sebastian Fitzek, geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster Autor von Psychothrillern. Seit seinem Debüt „Die Therapie“(2006) ist er mit allen Romanen ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden. Mittlerweile werden seine Bücher in vierundzwanzig Sprachen übersetzt und sind Vorlage für internationale Kinoverfilmungen und Theateradaptionen. Als erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Er lebt in Berlin. » hier « gehts zur Autoren-Website.
(c) by Droemer
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Droemer-Knaur-Verlag bedanken: dafür alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.
[…] Lisa von Patchis Book […]
[…] Weitere Rezension: Papierfliegerin […]
[…] Absolut stimmige, außergewöhnliche und interessante Figuren treffen auf eine mehr als innovative Handlung. Patchis Books […]
[…] Absolut stimmige, außergewöhnliche und interessante Figuren treffen auf eine mehr als innovative Handlung. Patchis Books […]