||» Rezension «|| Dein letzter Atemzug [von Marnie Riches]

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13. Oktober 2021 0 Von Patchis Books
DEIN LETZTER ATEMZUG
Marnie Riches
Übersetzer: Frank Dabrock
+ Irene Eisenhut
Thriller
Einzelband
448 Seiten
13. September 2021
Heyne Verlag
Paperback
12,99€
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#werbung #rezensionsexemplar


Sie kämpft gegen das Unrecht, das Frauen jeden Tag erleiden – bis sie selbst zur Gejagten wird

Bev ist am absoluten Tiefpunkt angekommen: Nach einer schmutzigen Scheidung hat sie ihren Job, all ihren Besitz und ihren guten Ruf verloren. Doch sie will kämpfen. Also zieht sie in die feuchte Kellerwohnung von ihrer besten Freundin Sophie und deren Mann und macht sich als Privatdetektivin selbständig.

Als Bev den Fall von Sophies Freundin Angela übernehmen soll, die von ihrem Mann brutal misshandelt wird, zögert sie zunächst. Schließlich ist Angelas Ehemann Jerry Fitzwilliam ein mächtiger Politiker. Um seine perfiden Machenschaften zu entlarven, muss sie sich auf ein gefährliches Spiel einlassen. Doch jemand kennt ihre Schwächen und will sie ausschalten. Wird ihre dunkle Vergangenheit sie einholen, bevor sie Angela helfen und sich selbst retten kann?

(c) by Heyne Verlag

Der Herbst hat längst Einzug gehalten und damit ist auch meine Liebe zu Thrillern neu erwacht – wie jedes Jahr eben zu dieser Zeit. Ich hab lange die Vorschauen durchstöbert und geschaut, welche Neuerscheinungen mich da am meisten ansprechen und hängen geblieben bin ich, unter anderem, bei „Dein letzter Atemzug“ von Marnie Riches, weil mir die Idee extrem gut gefiel. Also hab ich das Buch angefragt und auch binnen weniger Tage die Zusage gehabt. Vielen Dank an dieser Stelle an den Heyne Verlag! Als das Schätzchen dann ankam, hab ich quasi umgehend sofort danach gegriffen – nicht zuletzt auch, um euch heute schon meine Meinung dazu liefern zu können. Falls ihr also neugierig seid, wie mir der erste Thriller des diesjährigen Herbsts gefallen hat, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Schon von Anfang an war ich wahnsinnig gespannt, welche Elemente Marnie Riches in diese vielversprechende Idee verbauen würde, um sie auch genau so spannungsgeladen und wendungsreich umzusetzen, wie sich das der Leser erhofft. Das Grundgerüst allein verspricht ja schon eine ganze Menge, immerhin geht es hier um eine junge Frau, die ihr Glück als Privatdetektivin versucht und dabei in ein Netz aus perfiden Machenschaften gerät. Kann ja im Grunde nur genial werden, oder?
Lassen wir den Prolog mal außen vor, so ist der Einstieg noch relativ ruhig gehalten und lebt eher vom Kennenlernen der Protagonistin und ihren Lebensumständen, als von großartiger Spannung. Bis dahin war das auch noch sehr informativ und notwendig, um eine gewisse Verbindung zu Bev aufzubauen. Allerdings zieht sich das Ganze doch ein wenig sehr in die Länge. In dieser „Einstiegsphase“, die ungefähr etwas mehr als das erste Drittel einnimmt, geschieht immerzu was; langweilig wurde es also nie. Aber in Sachen Spannung und Wendungen wäre sicher noch Luft nach oben gewesen.
Dafür sorgen sorgen vielleicht auch nie sehr ausführlichen Beschreibungen von Marnie Riches, die die Geschichte immer wieder kurzzeitig ausbremsen – aber dazu später nochmal mehr. Jedenfalls fand ich die Aufteilung wieder umso interessanter, denn wir lesen zum einen aus Bev’s Sicht, zum anderen aus Angie’s Sicht; aber auch der unbekannte Täter und eine vierte Person haben eigene Kapitel zugesprochen bekommen. Das sorgte nicht nur Abwechslung, sondern auch für einiges an Zündstoff, um als Leser selbst Vermutungen anzustellen und dementsprechend mitzurätseln.
Hat man den etwas langen Einstieg dann hinter sich, so spürt man regelrecht, wie das Tempo von Seite zu Seite immer mehr zunimmt. Es wird spannender; die Situationen spitzen sich zu und die Geschichte vermag auf einmal wahnsinnig zu fesseln. Die Geschehnisse überschlagen sich und Bev gerät immer mehr in Gefahr. Absolut bemerkenswert, wie sich auch die Atmosphäre schlagartig änderte und von eher gediegen in düster und packend wechselte. Das Lese-Erlebnis war genau das, was ich mir von einem guten Thriller immer erhoffe: Nervenkitzel, atemloses Mitfiebern, sich selbst Gedanken machen zu können, was oder wer sich hinter all dem verbarg und das perfekt inszinierte Verwirrspiel. Die ersten Stränge der Handlung liefen immer mehr zusammen; manches ergab plötzlich mehr Sinn, andere Fragezeichen in meinem Kopf wurden stattdessen wieder umso größer. Vor allem die Brutalität ist schockierend – besonders wenn man sich auch den Prolog immer mal wieder in Erinnerung ruft, ist die Beschreibungen aus dem Klappentext „perfide Machenschaften“ mehr als zutreffend. Gleichzeitig beinhaltet die Story aber auch Emotionen, die besonders auf Bev’s Verlust in Form ihres Jobs, ihrer Würde und all ihres Vermögens zurückzuführen sind.
Leider war die Auflösung dann aber doch mit einer gewissen Enttäuschung verbunden. Zum einen hatte ich schon sehr früh jemanden in Verdacht und auch wenn ich immer mal wieder an meiner Theorie zweifelte, so behielt ich am Ende doch recht. Die Hinweise waren deutlich genug, damit auch ein eher unerfahrener Leser sicher auf die Lösung kommt. Nicht alles, was hier ans Licht kam, war absehbar, manches konnte mich tatsächlich auch überraschen weil die Hintergründe ganz andere waren als ich vermutete; aber im gesamten sah ich einfach vieles kommen. Und zum anderen war mir der finale Part auch zu einfach abgehandelt. Da hat es sich so angefühlt, als hätte es sich die Autorin ein wenig zu leicht gemacht, um schließlich alles zum Punkt zu bringen. Im Gesamten kann ich sagen, dass mir die Idee und die Handlung gut gefallen hat, aber nicht ganz frei von Schwächen war.

Beverly Saunders ist eine durch und durch spannende Persönlichkeit. Als Protagonistin glänzt sie durch einige interessante Facetten und ist schon allein für sich sehr vielschichtig und abwechslungsreich dargestellt. Mir gefiel sie von Anfang an total gut, weil man die Zerbrochenheit und Verzweiflung in so vielen ihrer Handlungen und Gedanken wiederfindet und sie das zu einer realen, greifbaren Figur macht. Gleichzeitig beweist sie aber auch Mut, Stärke und Empathie, indem sie für ihre Klienten auf Ganze geht. Bev kann harsch und laut sein; fast abgebrüht – aber sie kann auch liebenswert, sympathisch und rücksichtsvoll. Bev ist kein 0-8-15-Charakter, den man bedingungslos ins Herz schließen kann. Sie ist nicht immer der riesige Sympathieträger, aber ich konnte sie trotzdem in jeder Lebenslage nachvollziehen und das verlieh ihr jede Menge Lebendigkeit. Auch zeigte sie in den richtigen Momenten Gefühle und bewies, dass sie nicht unverletzbar ist. Sie kämpft für das, was sie will – manchmal mit Krallen und ohne Rücksicht, mal mit Charme und Sexappeal. Neben all ihren Problemen spielt auch ihre (psychische) Gesundheit keine unwesentliche Rolle und das wiederum bringt Tiefgang ohne Ende ins Spiel. Gerade weil die Autorin so gerne und so ausführlich beschreibt, ist Beverly alles andere als oberflächlich Auch legt Bev eine bemerkenswerte Entwicklung an den Tag. Man gönnt ihr das Glück eben auch auf ganzer Linie und fiebert dementsprechend intensiv mit ihr mit – und, was viel wichtiger ist: man fühlt mir ihr mit. Und dafür muss sie nicht der Sonnenschein schlechthin sein.
Einen männlichen Protagonisten gibt es, in der Hinsicht nicht. Wie gesagt, lesen wir auch auf der Sicht des unbekannten Täters, was mehr als spannend ist. Denn „Der Wolf“ ist wirklich unglaublich brutal, gewissenlos und perfide – fast krank. Seine Kapitel waren immerzu von schockierenden Szenen durchsetzt und brachten erst die richtige Thriller-Stimmung ins Spiel. Trotzdem ist Marnie Riches nie ins Blutige abgerutscht – Leichen allerdings gehören genau so dazu wie die Luft zum Atmen. Ebenso andere, eher schwierige Themen wie Stalking werden thematisiert. Ich fand den Täter wirklich interessant verpackt; eben weil er so unmenschlich erscheint und barbarisch erscheint und in gewisser Weise auch eine Art Undurchsichtigkeit mit sich bringt und lange unenttarnt bleibt. Allein seine Darstellung schon als Wolf macht ihn außergewöhnlich und auch wenn ich früh schon meine Vermutungen hatte, so machten mir seine Kapitel dennoch größte Freude.
Ansonsten gibt es, wie schon angeteasert, noch andere, nicht gerade unwichtige Persönlichkeiten, wie Angie, die Klientin, die Bev den Auftrag erteilt ihren Mann zu durchleuchten. Oder Sophie und Tim, die Freunde, bei denen Bev unterkommt. Sie alle unterscheiden sich ganz deutlich voneinander, sind ebenso vielschichtig wie die Protagonistin selbst und begeistern durch Undurchsichtigkeit und Greifbarkeit. Besonders gut gefiel mir die Dynamik zwischen Bev und ihrem besten Freund Doc. Was für eine ungewöhnliche, aber nicht weniger intensive Freundschaft, die einem trotz allen Sticheleien und Streitereien einfach nah geht. Oder die Interaktionen zwischen Sophie und Bev, die zwar beste Freunde sind, sich aber oft einfach nicht so verhalten. Man merkt schon, es gab unzählige verschiedene Verbindungen zwischen den Figuren und jede Art von Beziehung war vertreten. Keine Konstellation glich der anderen. Dahingehend hat die Autorin wirklich ein gutes Händchen bewiesen und eine spannende, wie facettenreiche Charraktergestaltung.

Der Schreibstil von Marnie Riches ist wahnsinnig angenehm und leicht zu lesen und erzeugt dennoch glasklare Bilder vor dem inneren Auge. Dafür sorgen auch die sehr, sehr, sehr eingehenden Beschreibungen, die ich oben schon mal kurz erwähnt habe. Diese Beschreibungen versteifen sich manchmal über mehrere Zeilen auf ein und die selbe Sache und bremsen das Geschehen dementsprechend aus. Manche Darstellungen hätte man viel kürzer halten können; denn am Ende des Tages ist es auch völlig egal ob der Rasen im Garten mittelgrün oder dunkelgrün oder neongrün ist und wie lang die Halme sind, ist auch mehr uninteressant als relevant. Das ganze ist jetzt etwas überspitzt dargestellt von mir, aber oft haben wir uns mit Dingen beschäftigt, die nichts oder zumindest kaum was der Handlung zu tun haben und das schafft immer wieder gewisse Längen, die unnötig waren.
Ansonsten aber war der Lesefluss dauerhaft gegeben und der Spannungsaufbau absolut gelungen. Ich mochte die Atmosphäre, sowohl die ruhigen Phasen wie auch die derberen Szenen und konnte mich gut in die Geschichte hinein denken. Ein Thriller eben, der zeitweise ein sehr geschickt eingefädeltes Verwirrspiel bot und eine Mischung aus „Ermittlungen“ und Emotionen; aus Nervenkitzel und Rätselraten beinhaltet.

„Dein letzter Atemzug“ von Marnie Riches ist ein solider Thriller, der besonders zum Beginn und gen Ende ein paar Schwächen aufweist, aber stattdessen viele interessante Aspekte mitbringt und mit einer taffen, schlagfertigen und facettenreichen Protagonistin aufwartet. Besonders spannend fand ich die Kombination aus Emotionen, Nervenkitzel, Brutalität und Tiefgang und ich hatte, während des Lesens, kein einziges Mal sowas wie Langeweile, hätte mir aber gerade am Anfang etwas mehr Tempo gewünscht und am Ende eine etwas außergewöhnlichere Auflösung. Trotzdem möchte ich euch das Buch empfehlen, weil ich glaube, dass die Geschichte bei einigen super ankommen könnte. Gebt dem ganzen eine Chance.

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Marnie Riches wuchs auf einem Landsitz im Norden von Manchester in der Nähe eines Gefängnisses auf. An der University of Cambridge studierte sie Germanistik und Niederlandistik. Bevor sie das Schreiben für sich entdeckte, war Marnie Riches ein Punk, ein angehender Rockstar, eine verkappte Künstlerin und professionelle Spendensammlerin. Wenn sie nicht gerade einen ihrer preisgekrönten düsteren Thriller schreibt, kommentiert sie im Radio für die BBC Social-Media-Trends und spricht über die Welt der Kriminalliteratur. Dein letzter Atemzug ist ihr erster Thriller bei Heyne.

(c) by Heyne Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Heyne Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen. «