||» Rezension «|| Die Muschelsammlerin [von Charlotte Richter]
– deine Bestimmung wartet –
Charlotte Richter
Romantasy
Einzelband
Mariel hat immer darauf vertraut, dass sie in Amlon glücklich wird. Inmitten der perlweißen Strände und des türkisblauen Meeres sollte es ihr an nichts fehlen. Aber tief im Herzen spürt Mariel, dass sie nicht dazugehört. Als der Tag der Verbindung bevorsteht, an dem jeder Jugendliche seinem perfekten Partner begegnet, wird Mariels größte Angst wahr: Sie ist eine Sonderbare, eine von denen, für die es keine Liebesgeschichte gibt. Zusammen mit Sander, Tora und Tammo muss Mariel Amlon verlassen. Nur in Nurnen, dem Reich der Träume, können sie ihren Seelenpartner noch finden. Doch auf der Reise flammen in Mariel plötzlich Gefühle für einen anderen auf. Und diese Gefühle bedeuten in Nurnen den sicheren Tod …
(c) by Arena Verlag
Ich bin gerade so ein bisschen dabei, meine Sub-Leichen von ihrem Schicksal zu befreien; und da durfte „Die Muschelsammlerin“ von Charlotte Richter natürlich nicht fehlen. Gefühlt liegt das Buch schon ewig hier im Regal und bis auf das schöne Cover, hat es mich doch nie richtig angesprochen – zumindest in den vergangenen Monaten/Jahren nicht. Aber aus irgendeinem Grund durfte es ja bei mir einziehen, und deshalb hab ich mir nun ein Herz gefasst und danach gegriffen. Heute kann ich euch verraten, ob ich es bereue, es so lange unbeachtet gelassen zu haben, oder ob es gut und gern nochmal ein paar Jährchen hätte warten können. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.
Die Idee hinter „Die Muschelsammlerin“ hatte definitiv Potential und klang von Anfang an unglaublich vielversprechend. Ich habe mir eine wirklich spannende, temporeiche und innovative Dystopie erhofft, die mit neuartigen Elementen und überraschenden Wendungen aufwarten kann. Und der Einstieg war dahingehend auch noch wirklich verheißungsvoll. Es gelang mir recht schnell, Fuß zu fassen und mich zurechtzufinden; eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen und eine gewisse Neugier auf den weiteren Verlauf zu entwickeln. Aber je weiter dieser Verlauf voranschritt, umso mehr rutschte ich aus dem Geschehen raus. Mir fällt extrem schwer, in Worte zu fassen, was mein Problem war, aber ich versuche es dennoch:
Für mich hat es sich, nach einem doch recht passablen Einstieg, so angefühlt, als würde ich das, was hier passierte, durch eine beschlagene Scheibe beobachten. Mal wurde es kurzzeitig klarer, mal wieder so verschwommen, dass kaum was zu erkennen war. In dem klaren Momenten war es auch durchaus interessant – das spreche ich dieser Geschichte keineswegs ab; aber diese Phasen waren so spärlich und selten, dass sie neben all den verschwommenen Szenen fast gänzlich verblassten. Es entstand ein immer größeres Chaos in meinem Kopf, weil es mir zunehmend schwerer fiel, dem roten Faden zu folgen und die Tatsache, dass der nicht mal besonders deutlich war, machte es nicht leichter. Für mich fehlte es definitiv in Greifbarkeit – sowohl in Bezug auf die Charaktere, als auch auf die Geschehnisse, aber auch an einer klaren Struktur. Das Setting wechselte gleich mehrmals, sodass man sich an immer wieder andere Begebenheiten gewöhnen musste – und so verhielt es sich auch mit den Figuren. Der eine ging, drei neue kamen; einer war wichtig, sieben andere wiederum nicht so sehr. Mal starb einer, dann tauchte er aber wieder auf – mal haben wir es mit Magiern zu tun, mal mit normalen Menschen und mal mit Göttern. Dabei war die eigentliche Sache nicht unbedingt komplex; sondern, für meinen Geschmack, zu wenig nachvollziehbar in Worte gefasst. Hier war zu viel los und ein zu großes Chaos entstanden, weil so viele Facetten auftauchten, die sich nur schwer in die bereits bestehende Handlung einfügten. Ich bin mir sicher, das hätte etwas Großes werden können; aber weil alles so überfüllt und durcheinander wirkte, versprühte es nicht einmal ansatzweise die Stimmung, zu der es möglich gewesen wäre. Und dazu dann noch die Liebesgeschichte, die mich ebenfalls null erreichte. Was schade ist, denn die Idee, auf der sie basiert, ist echt mal etwas Neues – etwas Erfrischendes und alles andere als gewöhnlich. Aber mich catchten die Gefühle nicht, ich fieberte nicht mit, ich spürte im Grunde gar nichts. Und so blieb auch die Spannung restlos auf der Strecke. Logisch, wo will man mitfiebern, wenn man einen nicht unwesentlichen Teil nicht versteht?
Spätestens ab Beginn der zweiten Hälfte, war ich eigentlich komplett raus und quälte mich nur noch durch die Geschichte. Aber abbrechen wollte ich es nach all den Seiten auch nicht mehr. Das Ende bot dann auch keine großen Überraschungen mehr für mich – wohl deshalb, weil ich mir keinerlei Gedanken mehr machen konnte, wie sich das letzte Drittel entwickeln würde. Ich las/hörte halt zu und war mit dem Ende dann weder besonders unglücklich, noch besonders glücklich. Es war ein stimmiges Ende, wie ich fand, und der Epilog war echt schön insziniert. Aber großartig was zur Auflösung bzw. dem allgemeinen Schlusspart kann ich nicht sagen, weil einfach einiges im Unklaren blieb und sich meiner Wahrnehmung entzog.
Die Charaktere gefielen mir zunächst noch sehr gut. Gerade unsere Protagonistin Mariel hat sich während der ersten Seiten direkt interessant gemacht und sammelte einige Sympathiepunkte. Ich dachte echt, ich könne die restliche Geschichte über intensiv und eingehend mit ihr mitfiebern, aber leider verlor ich, wie auch schon angeteasert, immer mehr den Bezug zu ihr. Sie verblasste immer mehr, und auch wenn ich bis zuletzt nichts direkt negatives zu ihr sagen kann, so ging sie, für meinen Geschmack, in diesem ganzen Chaos unter. All ihre Liebenswürdigkeit und Besonderheit erlosch und ihr authentisches Auftreten verlor auch immer mehr seine Wirkung. Das, was sie zunächst so liebenswert machte, verschwand nicht direkt, aber es erreichte mich einfach nicht mehr – und das finde ich, im Gesamtbild, fast am traurigsten. Denn Mariel und ich hätten Freunde werden können, wenn sie nicht in diesen riesigen Pool an Elementen geworfen worden wäre, der schon so viel Konzentration bedurfte, dass alles andere – wie Mariel und ihre Freunde – auf der Strecke blieb. Allein durch die große Anzahl an Figuren war es schon enorm schwer, sie alle auseinander zu halten bzw. verschiedene Eindrücke von ihnen zu gewinnen. Irgendwie verschwamm alles zu einem großen Brei und ich hab mich öfters dabei ertappt, wie ich die Charaktere durcheinanderbrachte, wie ich ewig lange grübelte, wie es zu gewissen Situationen kam, nur um dann zu merken, dass ich mich (mal wieder) vertan hatte. Dass da Verwirrung in meinem Kopf entstand, war nur die logische Folge.
Auch der männliche Protagonist war, gemeinsam mit den anderen männlichen Figuren, ein Einheitsbrei. Er stand weder großartig im Vordergrund, noch hob er sich durch besondere Facetten oder Eigenschaften von den anderen männlichen Charakteren ab. Ich weiß nicht einmal mehr den Namen von diesem Mann, einfach weil die gesamte Geschichte schon ewig weit weg wirkt. Nicht als hätte ich sie vor zwei Tagen, sondern vor zwei Jahren beendet. Einzig meine negativen Eindrücke zu Thora sind bis zum bitteren Ende geblieben. Vielleicht auch deswegen, weil sie mir von Anfang an unsympathisch erschien und sich mit ihrer großen Klappe keine Freunde machte. Das ist dann wohl hängen geblieben, obwohl die junge Frau wohl eine echt beeindruckende Entwicklung durchgemacht hat. Immerhin traf ich sie am Ende noch einmal an und da war von Antipathie zwischen uns keine Spur mehr. Alles sehr seltsam und für mich nicht nachvollziehbar.
Der Schreibstil von Charlotte Richter war nicht schlecht. Gerade zu Beginn sprach es doch sehr für ihn, dass ich so problemlos in diese High Fantasy Welt hineingleiten konnte und relativ schnell Fuß fasste. Auch glaube ich, dass es nicht unbedingt der Art, wie uns die Autorin versucht die Geschichte näher zu bringen, war, die mich so ins Straucheln geraten ließ, sondern einfach die Handlung an sich – die Umsetzung. Denn wenn ich mal einen klaren Blick auf die Geschehnisse werfen konnte, dann waren die durchaus in der Lage, mir ein deutliche Bilder in den Kopf zu pflanzen. Die Settings waren alle auf ihre Art und Weise besonders und nicht schlecht dargestellt, sondern einfach nicht wirkungsvoll genug, um mich gänzlich hinab in die Tiefe des Buches zu ziehen. Ich hätte mir, gerade wenn es um die Figuren geht, doch noch ein paar Details mehr gewünscht, aber inzwischen bin ich der Ansicht, dass vieles von meiner Kritik mein eigenes Verschulden war – ob es nun an mangelnder Konzentration lag (was ich fast komplett ausschließe) oder ob das schlicht nicht meins war, weiß ich nicht – aber der Schreibstil von Charlotte Richter ließ sich leicht und flüssig lesen; erzeugte von Zeit zu Zeit eindrucksvolle Bilder vor meinem inneren Auge und war im Gesamten passend für die Storyline.
„Die Muschelsammlerin“ von Charlotte Richter war leider überhaupt nicht mein Fall. Für meinen Geschmack wurde hier zu viel gewollt, und diese Masse an Elementen, Settings, Figuren und Wesen miteinander zu verbinden, scheiterte in meinen Augen kläglich. Es mochte an der Vielzahl liegen, oder an den außergewöhnlichen Namen, oder die ganzen unterschiedlichen Positionen – aber allein in Sachen Charaktere verlor ich über kurz oder lang den Überblick. Für mich wirkte es, als würde ich die Geschichte durch eine beschlagene Scheibe beobachten – mal ein bisschen klarer, mal umso verschwommener. Immer wieder katapultierte es mich fast schmerzhaft auf der Geschichte und die Motivation überhaupt nochmal Fuß fassen zu wollen, schwand mit jedem einzelnen Mal weiter. Dabei hätte die Geschichte echt überzeugen können, denn die Idee war mehr als vielversprechend – neu und innovativ; aber für mich nicht so umgesetzt, dass sie ihre volle Wirkung hätte entfalten können. Schade. Aber ich möchte an der Stelle nochmal anmerken, dass dies nur mein persönliches Empfinden wiederspiegelt und bei euch ganz anders ausfallen kann. Ich hab zahlreiche positive Rezensionen zu dem Buch gelesen und denke, dass es den ein oder anderen von euch wirklich begeistern kann.
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Charlotte Richter begann noch während des Studiums zu schreiben und verfasste ihre ersten Texte für den Hörfunk. Seitdem hat sie mehrere Romane für Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Sie erhielt diverse Literaturstipendien und unter anderem den Förderpreis für Literatur der Stadt Hamburg. Seit vielen Jahren ist sie Mitglied im Hamburger Writers’ Room, einer Arbeits- und Bürogemeinschaft für Schriftsteller, auch wenn sie Hamburg inzwischen verlassen hat. Heute lebt und schreibt sie in Kattendorf in Schleswig-Holstein.
(c) by Arena Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Arena Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.