||» Kompakt-Rezension «|| Fake – wer soll dir jetzt noch glauben? [von Arno Strobel]
– wer soll dir jetzt noch glauben? –
Arno Strobel
Psychothriller
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Fake oder Fakt?
Patrick Dostert freut sich auf einen freien Tag mit seiner Frau Julia, als noch vor dem Frühstück zwei Beamte der Kripo Weimar vor der Tür stehen. Patrick bittet sie herein, und von einer Minute zur anderen ändert sich alles für ihn. Er wird verdächtigt, drei Tage zuvor eine Frau misshandelt und entführt zu haben. Patrick hat ein Alibi für die Tatnacht, doch der einzige Zeuge, der ihn entlasten könnte, bleibt unauffindbar. Und die beste Freundin des Opfers belastet ihn schwer. Patrick beteuert seine Unschuld, bis das Video auftaucht. Das Video, in dem er zu sehen ist. Das ihn überführt. Obwohl er das Opfer noch nie gesehen hat. Aber das glaubt ihm keiner. Er kommt in Haft, soll verurteilt werden. Und kann absolut nichts tun, denn Bilder sagen mehr als tausend Worte. Oder?
(c) by Fischerverlage
Arno Strobel gehört schon immer zu denjenigen Autoren, denen ich eigentlich bedingungslos vertraue. Obwohl mir „Die App“ nicht ganz so sehr zugesagt hatte, gefielen mir seine Bücher im Gesamten wirklich gut. Besonders positiv ist da „Offline“ in Erinnerung geblieben – ein Psychothriller, den ich auch heute noch gern empfehle, wenn nach Lesetipps für das Genre gefragt wird. Aber kann sein neuestes Werk, „Fake“ da mithalten? Wird es zu den Büchern gehören, die mir immer als erstes einfallen, wenn ich an gute Thriller denke? Das und noch vieles mehr erzähle ich euch jetzt. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt sehr gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.
In „Fake – wer soll dir jetzt noch glauben“ treffen wir auf eine recht bekannte Idee: ein unbescholtener Bürger gerät plötzlich ins Visier der Polizei und muss plötzlich mit aller Macht versuchen, seine Unschuld zu beweisen. Tatsächlich war das mit einer der Gründe, wieso mich das Buch zunächst nicht so richtig gereizt hat. Selbst ein Arno Strobel kann das Rad nicht neu erfinden. Oder? Also doch einen Blick ins Buch gewagt, um mich davon zu überzeugen, dass ich recht behalten sollte.
Der Einstieg war wirklich gut gewählt. Wir treffen auf Patrick und Julia, glücklich vereint am Frühstückstisch, unbeschwert quatschend über Belanglosigkeiten und alltägliche Dinge wie Job, Einkauf, usw. Doch unmittelbar danach gerät das idyllische Bild ins Wanken, als plötzlich die Polizei vor der Tür steht und Patrick einer nicht unerheblichen Tat beschuldigt. Damit nahm das Drama seinen Lauf, und mit ihm die Spannung. Arno Strobel ist ein Meister darin, den Leser mitten hinein zu ziehen und Geschehen und ihn irgendwann an wirklich allem zweifeln zu lassen. Vom ersten Moment an sympathisiert man extrem mit Patrick und seiner Frau und damit werden sogleich auch unzählige Gefühle aufgewirbelt. Man fiebert mit, leidet mit und bekommt immer wieder vor Augen geführt, dass sowas im Grunde jedem passieren kann. Die Verzweiflung, die zunächst noch unterschwellig spürbar ist beim Tatverdächtigen, steigert sich mit jedem weiteren neuen Hinweis, denn jeder davon lässt ihn noch schuldiger erscheinen. Wie soll man da seinen Kopf aus der Schlinge ziehen? Wie soll man beweisen, dass das alles inszeniert ist, um Patrick möglichst schlecht dastehen zu lassen? Es ist unmöglich. Sicher, so ganz ohne eigenmächtige Aktionen von Seiten des Protagonisten geht es nicht. Er will selbst mithelfen, Klarheit zu schaffen, reitet sich damit aber immer weiter hinein in die Misere.
Man merkt also, auf gewisse Elemente lässt sich nicht verzichten, aber hier muss ich sagen, dass ich es Patrick fast jedes Mal durchgehen ließ, ohne das Gefühl zu haben, er wäre naiv oder unvorsichtig. Mir gefiel der ganze Aufbau irrsinnig gut, weil die Wendungen an den richtigen Stellen platziert wurden, weil dauerhaft Spannung und Nervenkitzel im Spiel war und jede einzelne Szene nicht glaubhafter hätte sein können.
Das Ende bot dann vor allem deshalb nochmal eine Besonderheit, weil plötzlich die Sicht wechselt. Wo wir anfangs quasi Tagebuch-ähnliche Einträge hatten, die Patrick aus der Untersuchungshaft heraus mit uns teilte, switchen wir im letzten Viertel zu Patrick‘s Anwalt. Zugegeben, es war zunächst seltsam, erklärte sich aber dann von selbst. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen, diese fulminante Auflösung verständlich rüber zu bringen. Was war das bitte für ein Ende? Ich hatte im Laufe der Zeit wirklich zahlreiche Leute im Verdacht, die es auf Patrick abgesehen haben könnten. Vom Chef, über die Ehefrau, bis hin zur Polizei selbst. Aber das was dann kam, verschlug mir die Sprache. Jetzt rückblickend war’s in gewisser Weise die einzig logische Erklärung, aber in dem Moment, in dem ich es gelesen hab, fand ich’s unheimlich überraschend. Ob ich es so richtig gut fand, kann ich bis heute nicht sagen, aber Lesevergnügen bereitete es mir allemal.
Patrick ist natürlich auch die perfekte Besetzung für das Buch und passt perfekt in diese Opferrolle. Wie gesagt, sympathisiert man von Anfang an mit ihm und findet, dank seiner Bodenständigkeit und seines 0-8-15-Lebens, direkt einen Draht zu ihm. Man kann sich so spielend leicht mit ihm identifizieren und fiebert deshalb sehr intensiv mit ihm mit. Ich litt so sehr; hoffte und bangte, dass die Wahrheit schnellstmöglich ans Licht kommen würde. Er ist ein offenes Buch; so nahbar und friedlich, dass doch irgendjemandem einleuchten müsste, dass dieser Mann niemals dazu fähig wäre, solch eine grausame Tat zu begeben. Aber nein. Stattdessen verdichtet sich der Verdacht gegen ihn mit jedem Kapitel mehr und weil eben enorm viel Gefühl im Spiel ist, zerriss es mir fast das Herz, diesen einst zufriedenen, glücklichen Mann so am Boden zu sehen. Patrick ist in jeder Hinsicht glaubhaft und authentisch, sehr lebendig und mit viel Greifbarkeit ausgestattet. Während ich so an seiner Seite durch die Geschichte schlitterte, fühlte ich mich sicher, fast willkommen. Als hätte er es drauf angelegt, endlich jemanden zu finden, der ihm zuhört, der ihn wahr und ernst nimmt. Wie oben schon mal angeteasert, trifft Patrick auch mal Fehlentscheidungen. Natürlich. Er ist in einer absoluten Ausnahmesituation, hat das Vertrauen gegenüber der Polizei verloren und versucht nun, in Eigenregie seine Unschuld zu beweisen. Demnach waren also auch die unüberlegten Aktionen durchaus verständlich – wahrscheinlich hätte man selbst nicht anders gehandelt, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Mir gefiel Patrick einfach von Anfang bis Ende sehr gut; es passte menschlich und die Verbindung brach während all der 368 Seiten nicht ein einziges Mal ab. So muss das in einem Thriller dieser Art auch sein. Da müssen Emotionen da sein, damit die Story auch ihre ganze Wirkung entfalten kann.
Aber nicht nur Patrick weiß zu überzeugen, auch die anderen Figuren waren allesamt sehr schön ausgearbeitet und weckten damit auch Gefühle im Leser. Gerade Patricks Ehefrau muss so einiges ertragen, und sie geht damit sehr glaubhaft und authentisch um. Mir gefiel der langsame Wandel, von aus bedingungslosem Vertrauen immer mehr Skepsis wurde. Absolut nachvollziehbar, dass sich auch Julia von der Beweislage immer mehr verunsichern lässt und am Ende wirklich nicht mehr weiß, was sie glauben soll. Da steht sie der Polizei in nichts nach. Apropos Polizei. Die ermittelnden Beamten waren eine echte Überraschung. Ich mochte beide gleichermaßen gerne, weil sie eine echte Ausnahme zur Regel darstellten. Sie verhielten sich absolut vorbildlich; stellten keine wilden Vermutungen auf, sondern zeigten, dass ein vermeintlicher Täter solange als unschuldig gilt, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Natürlich machten auch sie Druck; versuchten Patrick aus der Reserve zu locken – aber sie gingen nicht von vorn herein davon aus, dass er diese Tat begangen hat. Sehr gut gemacht und für mich definitiv das i-Tüpfelchen bei der Charaktergestaltung.
„Fake – wer soll dir jetzt noch glauben“ von Arno Strobel ist wieder ein sehr mitreißender, spannender und wendungsreicher Psychothriller. Die Charaktere erzeugen eine ganze Menge Gefühl, sodass ich mich sowohl dem Protagonisten, wie auch anderen Beteiligten sehr nahe fühlen konnte und dementsprechend intensiv mitfieberte. Geschickt platzierte Richtungswechsel lassen einen immer mehr an allem und jeden zweifeln, sodass der Ausgang dauerhaft ungewiss bleibt. Für mich war die Auflösung eine echte Überraschung, jedoch bin ich mir bis jetzt nicht ganz sicher, ob die mehr positiv oder doch mehr negativ angehaucht ist. Sie bot jede Menge Lesespaß, das steht außer Frage. Aber ich glaube, so ganz begeistert bin ich nicht davon. Trotzdem war es insgesamt spannende Unterhaltung, die ich durchaus empfehlen kann, mit dem zaghaften Hinweis, dass man mit einem etwas anderen Ende rechnen muss.
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Arno Strobel liebt Grenzerfahrungen und teilt sie gern mit seinen Lesern. Deshalb sind seine Thriller wie spannende Entdeckungsreisen zu den dunklen Winkeln der menschlichen Seele und machen auch vor den größten Urängsten nicht Halt. Seine Themen spürt er dabei meist im Alltag auf und erst, wenn ihn eine Idee nicht mehr loslässt und er den Hintergründen sofort mit Hilfe seines Netzwerks aus Experten auf den Grund gehen will, weiß er, dass der Grundstein für seinen nächsten Roman gelegt ist. Alle seine bisherigen Thriller waren Bestseller. Arno Strobel lebt als freier Autor in der Nähe von Trier.
(c) by Fischerverlage
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Fischer Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.
Sehr schön geschrieben. Bin ganz Deiner Meinung. Zudem hat mir die frische Schreibweise von Strobel, verpackt als „Knasttagebuch“ von Dostert, sehr zugesagt. Das Ende hat mich auch überrascht und etwas schockiert, vor allem, dass die Anwalts-Koryphäe auf den Leim ging.