||» Rezension «|| Loveless [von Alice Oseman]

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23. Februar 2022 0 Von Patchis Books
LOVELESS
Alice Oseman
Übersetzer: Vanessa Walder
Queer Romance || Young Adult

Einzelband
480 Seiten
09. Februar 2022
Loewe Verlag
Paperback
14,95€
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#werbung #rezensionsexemplar


(c) by Loewe Verlag

Nachdem mich „Heartstopper“ von der Autorin vor einigen Wochen regelrecht umgehauen hat, war mir klar: ich möchte auch ihr anderes Buch unbedingt lesen. Danke an dieser Stelle an den Loewe-Verlag, der mir das Buch freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Allerdings bin ich doch mit einiger Vorsicht an die Geschichte rangegangen, immerhin lässt sich eine Graphic Novel nur schwer mit einem normalen Roman vergleichen. Trotzdem siegte meine Neugier und ich hab mich, bereits wenige Tage nach dem ET in die Handlung gestürzt; darauf hoffend, dass mich „Loveless“ genau so begeistern kann, wie „Heartstopper“. Ob dem so war, und was mir sonst noch so an Georgia und ihrer Geschichte aufgefallen ist, verrate ich euch jetzt. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt sehr gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Der Einstieg in die Geschichte ist nicht weiter schwierig, denn zunächst bekommen wir als Leser ein paar Seiten lang Zeit, um Georgia kennen zu lernen und sie einschätzen zu können. Auch ihr Umfeld wird kurz beleuchtet, ehe es dann an die Uni geht und die eigentliche Handlung beginnt. Ich war also von Anfang an mit dabei und konnte, gemeinsam mit den Figuren meine ersten Eindrücke von Durham sammeln. Vom Uni-Leben, von den aufkommenden Konstellationen an Charakteren und vom Setting im Allgemeinen. Und das Ganze wurde genau so erzählt, wie es einer 18-jährigen Erstsemestlerin wohl durch den Kopf geht. Mir gefiel die Art von Einstieg wirklich gut, weil alles sehr alltäglich, verhältnismäßig ruhig und sehr „gedankenvoll“ gestaltet wurde. Heißt: wir erfahren schon früh, was Georgia durch den Kopf geht. Vielleicht hätte das das erste Warnzeichen sein können.
Der weitere Verlauf gestaltete sich dann jedoch als recht anstrengend. Denn so richtig Schwung kommt definitiv nicht auf. Das Geschehen dümpelt eher unspektakulär vor sich her, es geschieht wenig und wir befassen uns weiterhin mit enorm vielen Gedankengängen, Überlegungen und inneren Monologen. Wohl gemerkt, mit exakt den selben, immer wieder. Und auf Dauer war das doch sehr ermüdend. Das stetige Hin und Her der Protagonistin machte es mir schwer, wirklich eine Verbindung zu ihr zu finden und weil ich eben noch nie mit dem Thema Asexualität in Berührung kam, war vieles auch nur wenig nachvollziehbar für mich. Wir drehen uns im Kreis und manche Plots wiederholten sich so oft, dass sie ihre Wirkung verloren und einfach nur noch als Lückenfüller fungierten. Trotzdem fand ich den Grundgedanken mit den unterschiedlichen Sexualitäten erstmal alles andere als verkehrt. Es war stellenweise wirklich interessant, mehr zu erfahren und zahlreiche Infos dazu aufschnappen zu können. Die Community wurde herrlich realistisch und greifbar dargestellt und zog mich, zeitweise, doch in ihren Bann. Man lernt einen ganz anderen Blickwinkel kennen und kann sich, je mehr man davon liest, doch immer intensiver in die Akteure hineindenken. Alice Oseman ist es gelungen, das Ganze alltäglich, aber doch besonders darzustellen und vieles glaubhaft umzusetzen. Doch auch in der Hinsicht gab es einen Punkt, der mich massiv störte: Georgia ist zwar die „Erzählerin“ des Buches, weil alles aus ihrer Sicht, in der Ich-Form, geschrieben wurde; doch sie rückt immer mehr in den Hintergrund, weil plötzlich jeder im Verlauf der Handlung merkt, dass er nicht einfach nur hetero ist. Das ist ja grundsätzlich nicht verkehrt, aber es schien mir fast, als hätte die Autorin mit aller Gewalt sämtliche Sexualitäten unterbringen wollen und so diese Story komplett gesprengt. Viel sinnvoller wäre es gewesen, wenn Georgia tatsächlich so ein wenig die Besonderheit geblieben und nicht in der Masse untergangen wäre. Dann wäre ihr Status als Protagonistin erhalten geblieben und sie wäre nicht zum „Mittelsmann“ degradiert worden. Ich weiß gar nicht, ob das alles Sinn ergibt, wie ich es beschreibe, aber um das ganze mal abzukürzen: natürlich bin ich mit jeder Neigung fein gewesen, aber die Vielzahl an unterschiedlichen Sexualitäten war für mich unrealistisch und to much. Manchmal ist weniger also doch mehr.
Gen Ende wurde es dann nochmal etwas rasanter und das schmerzlich vermisste Tempo kam endlich auf. Es wurde nochmal spannend, und das zuvor so vorhersehbare Ende geriet ins Wanken. Änderte sich jetzt doch nochmal alles? Leider war der Zug da aber bereits abgefahren und ich konnte, so sehr ich mich auch bemühte, nicht mehr 100% mitfiebern und mitfühlen. Trotzdem verfehlte zumindest die Message hinter dem Buch nicht ihre Wirkung. Ich fand die Botschaft, die hinter all dem steckte, wirklich gelungen und wunderschön und darum konnte mich das Ende, in gewisser Weise, dennoch berühren. Alice Oseman deutet nämlich auf etwas hin, das uns allen oft nicht ganz klar ist und das wir alle sicher auch mal aus den Augen verlieren – nämlich die Tatsache, wie wichtig Freundschaften sind. Im Gesamten war es ein stimmiges Ende, das zum Nachdenken anregt; aber auch eines, das so ein wenig unter dem Vorlauf zu leiden hatte.

Die Charaktere trugen sicher ihren Teil dazu bei, dass mich das Buch nicht so sehr begeistern konnte, wie ich es mir erhofft hatte. Ich hab im vorherigen Abschnitt ja bereits von dem großen Hin und Her der Protagonistin gesprochen und das war längst nicht alles, was mich an Georgia störte. Aber fangen wir vielleicht mal mit dem positiven an: Georgia lernen wir als wirklich sympathische, authentische und liebenswerte junge Frau kennen, die vielleicht anfangs noch etwas unreif wirkt, sich aber im Großen und Ganzen doch sehr zu benehmen weiß. So fiel es mir zunächst auch nicht weiter schwer, mich mit ihr anzufreunden und mich auf das weitere Geschehen mit ihr zu freuen. Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, umso schwieriger wurde unser Verhältnis. Georgia ist unheimlich verbissen in dem Bestreben, ihre große Liebe zu finden und geht dabei – sprichwörtlich, über Leichen. Sie nimmt kaum noch Rücksicht auf ihr Umfeld und vergrault alles und jeden. Meiner Meinung nach wenden sich ihre Freunde zurecht von ihr ab, weil sie zunehmend anstrengender wird. Dazu diese ewigen Gedankenkarusselle, die einfach nicht enden wollen und alles nur unnötig in die Länge ziehen. Die Selbstzweifel, die Ängste, die flatterhaften Entscheidungen. Das zerrte alles doch sehr an meinen Nerven. Ich hätte mir gewünscht, dass sie straighter durch die ganze Selbstfindung geht – sicher, Fehler gehören dazu, aber Georgia lernt einfach nicht daraus. Sie ist total verbohrt, in gewisser Weise schwach und gibt sich, nach außen, kaum Mühe etwas daran zu ändern. Dazu das Selbstmitleid, in dem sie regelmäßig versinkt, und schon war es beinahe vorbei mit der Sympathie. Auch dass sich ihre Gedanken, und ihr Handeln so heftig voneinander unterschieden, machte es keinen deut besser. Erst gen Ende, als sie dann langsam aus diesem Zustand flieht, wird es wieder eine Nuance besser, aber eben längst nicht mehr so wie es am Anfang war. Leider.
Die anderen Figuren hatten es nicht leichter. Für mich war ohnehin alles zu viel – so auch die Anzahl an wichtigen Charakteren. Und jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen, was haargenau beleuchtet wird und irgendwie auch kein Ende findet. Dabei könnte ich nicht mal behaupten, dass ich sie alle nicht mochte – gerade der ein oder andere überzeugte mich durchaus; wie Jason, der ein riesengroßes Herz beweist. Was mir hingegen sauer aufstieß war seine Nachsicht mit Georgia. Sie alle hatten irgendwie sehr viel Nachsicht mit ihr und das hatte sie, meiner Meinung nach, nicht verdient. Trotzdem möchte ich auch noch was Positives hervorheben, bevor ich zum Schreibstil komme: die Vielfalt. So viele Figuren es auch ganz – zu viele – so unterschiedlich waren sie doch alle. Jede Charaktereigenschaft war vertreten, jeder Wesenszug keine zwei Mal zu finden. Da war die Pride Society, die wundervolle Mitglieder hatte; oder Rooney, die sich zwar irgendwie sehr in den Vordergrund drängte, aber doch eine mehr als sympathische, deutlich nachvollziehbarere Figur als Georgia und authentische Besetzung war.

Wie schon angeteasert, wird die Geschichte rein aus der Ich-Perspektive von Georgia erzählt. Das verlieh dem ganzen Buch einen gewissen Tagebuch-Touch, was wirklich gut passte. Die Kapitel sind dabei nicht zu lang und nicht zu kurz und lassen die Seiten nur so dahinfliegen. Ich kam, trotz meiner Kritik, gut voran und merkte oft gar nicht, wie viele Kapitel ich schon gelesen hatte, obwohl ich gefühlt erst angefangen hatte. So war ich auch verhältnismäßig schnell durch mit dem Roman. Das Setting, in Form der Uni hat Alice Oseman toll und vor allem bildhaft beschrieben, sodass ich mich von hier direkt nach Durham träumen konnte. Auch die Anschaulichkeit der Figuren gefiel mir. Es ließ sich ein jeder leicht vor Augen führen, weil geschickt platzierte Beschreibungen für Greifbarkeit sorgten. Lediglich in den lang gezogenen Passagen hätte ich mir etwas mehr Tempo gewünscht, doch im Gesamten kann und werde ich den Schreibstil nicht kritisieren, weil er sich echt wunderbar leicht lesen ließ und sprachlich auch perfekt auf Georgia, und ihre Probleme abgestimmt war. Besonders die Infos, die die Autorin hier streut, sich interessant verpackt und fügen sich wunderbar in den Fluss ein. Wir lernen nicht nur viel über die Charaktere, sondern auch über die verschiedensten Sexualitäten und Neigungen. Wenn ich etwas nennen müsste, was mir nicht zusagte, wären es wohl die Wortwiederholung, die aber in Anbetracht der Tagebuch-Atmosphäre dann doch irgendwie gut passten.

„Loveless“ von Alice Oseman ist ein Roman über eine junge Frau, die noch dabei ist, sich selbst zu finden und dabei allerlei Stolpersteine und Hürden mitnimmt. Obwohl ich sie anfangs noch sehr gerne mochte, entwickelten sich ihre Gedanken in eine Richtung, die für mich nicht mehr nachvollziehbar waren und ihr als Person die Lebendigkeit raubte. Sie stieß Freunden vor den Koopf, vor lauter Verbissenheit, ihre große Liebe zu finden und benahm sich auch sonst oftmals kindisch und unreif. Außerdem war mir persönlich auch einfach zu viel los. Die Handlung ist vollgestopft mit allerhand Problemen, sowohl von Georgia als auch von anderen Figuren und die wirklich wichigen Punkte, die der Klappentext verrät, geraten beinah in den Hintergrund. Dafür überzeugen Idee, Schreibstil und Informationsfluss wieder umso mehr und das Ende punktete ebenfalls. Alles in allem war es ein eher durchwachsenes Lesevergnügen, das manchmal ausgebremst wurde durch langatmige Passagen und manchmal dann doch ordentlich Spaß machte. Trotzdem hatte ich mir mehr versprochen und komme nicht drumherum, eine gewisse Enttäuschung zu empfinden.

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Alice Oseman veröffentlichte den ersten Roman mit 19 Jahren. Inzwischen sind drei weitere Jugendromane erschienen sowie die erfolgreiche Webcomicserie Heartstopper. Alice starrt am liebsten stundenlang auf einen Computerbildschirm, stellt dabei die menschliche Existenz in Frage und tut alles Mögliche, um einen ordentlichen Bürojob zu vermeiden.

(c) by Loewe Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Loewe Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.