||» Rezension «|| Offline [von Arno Strobel]
Arno Strobel
Psychothriller
Einzelband
Fünf Tage ohne Handy. Ohne Internet. Offline.
Fünf Tage ohne Internet. Raus aus dem digitalen Stress, einfach nicht erreichbar sein. Digital Detox. So das Vorhaben einer Gruppe junger Leute, die dazu in ein ehemaliges Bergsteigerhotel auf den Watzmann in 2000 Metern Höhe reist. Aber am zweiten Tag verschwindet einer von ihnen und wird kurz darauf schwer misshandelt gefunden. Jetzt beginnt für alle ein Horrortrip ohne Ausweg. Denn sie sind offline, und niemand wird kommen, um ihnen zu helfen …
(c) by Fischerverlage
Lange; wahrscheinlich viel zu lange, lag dieses Buch auf meinem Sub; bis eines Tages die Sprache darauf kam und mich Carina » @bambis_bunte_buecherwelt] und Nadine [» @all.the.storiess] quasi gezwungen haben, endlich danach zu greifen. Und das habe ich dann auch getan. Nachdem die zwei mir so vorgeschwärmt und mich eindringlich gewarnt hatten, es nur bei Tag zu lesen, war ich echt neugierig, was mich da erwarten würde. Inzwischen bin ich durch und kenne die Geschichte rund um die Gruppe, die in den Bergen eine Digital-Detox-Phase einlegen, und kann euch verraten, ob auch ich so geflasht war, oder ob ich doch schon besseres von Arno Strobel kenne. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension ♥
Die ersten Seiten des Buches dienen rein nur der Einführung. Es beginnt noch recht ruhig und uns werdenn nach und nach die beteiligten Figuren nähergebracht. In Anbetracht der Menge war dies bereits der erste Pluspunkt. Insgesamt agieren hier 11 Personen, die alle als Reisegruppe in das abgelegene Hotel reisen um dort eine internet- und smartphonfreie Zeit zu verbringen. Und dann gibt es da noch die beiden Hausmeister des Hotels, die dafür sorgen, dass alles reibungslos läuft im Hintergrund. Die, die an oberster Stelle steht, ist Jenny. Aus ihrer Sicht erleben wir den Großteil des Geschehens, wodurch sie für mich am zentralsten, und auch ein eingehendsten erschien. Aber allgemein ist die Zusammenstellung der Charaktere äußerst vielfältig ausgefallen. Wir haben da Jenny, eine junge Frau, die als „Chefin“ einer Kommunikationsfirma arbeitet. Wir haben einen Influencer, dem die Handy-Auszeit wohl am schwersten fallen dürfte; wir haben eine Versicherungsangestellte, einen kurpulenten Computernerd und ein Pärchen, das als Privatpersonen an der Reise teilnimmt. Um nur mal ein paar der beteiligten Personen zu nennen. Aber bleiben wir mal bei Jenny:
Ich hab relativ schnell einen Draht zu ihr finden können, sodass mir das Mitfiebern nicht weiter schwer fiel. Ich fand sie gut gewählt als „Leitfigur“, denn sie hatte den nötigen Verstand und konnte auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren. Gleichzeitig bewies sie mit logischen Gedankengängen auch die Intelligenz, die es für ihren Posten braucht. Und mit ihrer einfühlsamen, empathischen Art erreichte sie mein Herz schließlich gänzlich. Allerdings, und das fand ich viel wichtiger: sie besitzt durchaus auch Schwächen; sie gesteht sich auch mal ein, einen Fehler begangen zu haben oder mit etwas überfordert zu sein. Das verlieh ihr eine ganze Menge Lebendigkeit und Authenzität und ließ sie menschlich und nahbar werden. Ich mochte Jenny, ertappte mich allerdings auch immer wieder dabei, wie ich ihr nicht über den Weg traute.
Aber genau so verhielt es sich mit allen anderen Beteiligten. Jeder geriet mal ins Visier der imaginären Ermittlungen in meinem Kopf und ein 100%iges Vertrauen konnte ich bis zuletzt zu keinem aufbauen. Wie auch, wenn der Autor den Verdacht bewusst immer wieder an einen anderen übergibt?
Ich fand die Charaktergestaltung jedenfalls top! Jeder hatte sein Päckchen zu tragen und jeder verbarg etwas; keiner hatte eine reinweiße Weste und es brachte diese Undurchsichtigkeit ins Spiel, die ich so liebe. Arno Strobel zeigt mit den Handlungen und Gedanken eines jeden einzelnen auch auf, wie schnell eine einst harmonische Gruppe auseinander driftet und wie jeder ganz anders mit der Extrem-Situation; mit der Angst umgeht. Während der eine sachlich bleibt, dreht der andere völlig durch und steckt damit den nächsten vielleicht sogar noch an. Der eine hält sich mit seinen Verdächtigungen zurück, der andere tut ganz offen kund, was ihm gerade durch den Kopf geht. Die ganze Dynamik unter den Figuren war zutiefst glaubhaft und deshalb umso schockierender. Der, der in einem Moment noch als das netteste und sympathischste Mitglied der Gruppe auftritt, sagt nur eine falsche Silbe und schon gerät er in Beschuss; sowohl von den anderen, als auch vom Leser. Aber egal ob Jenny, Anna, Florian, Thomas oder Timo – oder alle anderen – sie alle waren mir doch so sympathisch erschienen, dass ich mit jeden einzelnen intensiv mitfiebern konnte. Dass ich immerzu in Angst um sie durch die Seiten schlich.
Ja ganz recht: schleichen. Ich bin durch die Geschichte geschlichen. Aber nicht, weil Arno Strobel so langsam und leise schreibt, sondern weil jeder einzelne Schritt hätte der letzte von einem der Figuren sein können. Der Autor erzählt so eingehend und intensiv, voller Lebendigkeit und Greifbarkeit. Die dichte Atmosphäre, die stets vor Anspannung vibriert, tut ihr übriges, um dem Leser eine dicke Gänsehaut auf den Körper zu zaubern. Dabei geht es stetig voran, das Erzähltempo ist dauerhaft hoch und man rauscht nur so durch die Seiten. Die Geschichte ist verständlich, die Dialoge geschickt eingesetzt, um möglichst viel Verwirrung zu schaffen. Leichte Lesbarkeit und bildhafte Beschreibungen rundeten den Stil für mich gänzlich ab.
Wie ich oben bereits gesagt hatte, lesen wir größtenteils aus der Sicht von Jenny; aber eben nicht nur. Immer wieder switcht die Perspektive auf eines der Opfer, sodass man sich als Leser der Aufklärung viel näher fühlt. Vielleicht kann man ja durch die Sichtenwechsel doch einen Blick auf den Täter erhaschen. Jedenfalls sorgt diese Gliederung für jede Menge Infos und Stichpunkte, die am Ende dann zur Auflösung führen könnten – wenn man denn die richtigen Schlüsse zieht.
Die Idee hinter „Offline“ erinnert viel mehr an einen Horrorroman, als an einen Psychothriller. Eine Gruppe von mehreren Personen, ein abgelegenes Hotel und ein Täter, der ein perfides Spiel mit den anderen spielt. Vom ersten Moment an habe ich mich auf den Grusel-Faktor gefreut und war unglaublich gespannt, wie Arno Strobel das Ganze wohl umsetzen wird und ob es tatsächlich so undurchsichtig sein wird, wie es der Klappentext ankündigt. Meist hat man ja nach einer gewissen Zeit doch eine Ahnung – aber so wie ich den Autor bisher kennengelernt habe, war ich doch guter Dinge, dass das Katz- und Mausspiel gelingt.
Der Einstieg in die Geschichte ist nicht weiter schwierig. Wir lernen zunächst erstmal die Menschen kennen, die keinen blassen Schimmer haben, auf was sie sich da eingelassen haben. Doch kaum dass man auch den letzten beim Namen genannt hat, beginnt auch schon die Spannung klar hervorzutreten. Bereits nur der Weg bis ins Hotel auf dem Watzmann ist gepflastert mit allerlei Hindernissen und lässt schon erstes Potential für den weiteren Verlauf erkennen. Und auch nach der Ankunft flaut der Spannungsbogen keineswegs ab, sondern steigert sich von Seite zu Seite immer mehr. Spätestens als dann das erste Opfer misshandelt und verstümmelt aufgefunden wird, ist es vorbei mit der Ruhe. Es wird turbulent und da es einem so leicht gemacht wurde, mit den Figuren mitzufiebern, tat ich das auch umgehend – intensiv und voller Angst. Man wird regelrecht hinein gezogen ins Geschehen und muss mitansehen, wie die einst harmonische Gruppe immer mehr auseinander driftet. Man begleitet Jenny & Co. dabei, wie sie zig Überlegungen anstellen, Verdachte äußern und sich zunehmend mehr streiten. Kein Wunder, immerhin ist keine Menschenseele in diesem Hotel, außer die Reisegruppe und die Hausmeister. Immer wieder lässt Arno Strobel Backgrounds der einzelnen Charaktere einfließen und lenkt den Verdacht von einen zum anderen, und das, ohne dass es zu übertrieben wirken würde. Jeder gerät mal ins Visier der anderen (und des Lesers) und immer wieder musste ich feststellen, dass das eigentlich nicht sein kann. Ich liebe Geschichten, bei denen ich miträtseln kann; und das konnte ich hier beinah im Übermaß.
Es ist die perfekte Mischung aus Psychothriller und Horror, denn sowohl gruselige, fast schon beängstigende Atmosphäre trifft auf eine ausgeklügelte Storyline, hinter der mehr steckt, als man ahnen könnte. Es gab Momente, in denen ich das Buch einfach weglegen musste. Abends lesen war sowieso nicht drin; und wenn dann nur mit Beleuchtung, die man sicher auch auf Google Maps sehen konnte. Und es gab Momente, da konnte ich das Buch nicht aus den Händen geben. Ich musste um jeden Preis erfahren, wer denn nun der Täter ist und woher seine kranken Neigungen kommen. Gefesselt war ich also allemal; und dadurch, dass ich selbst vor viel überlegte und Theorien aufstellte, las ich umso konzentrierter und eingehender. Es gab mit wahnsinnigen Spaß gemacht, mich immer wieder in die Irre führen zu lassen und ganz nebenbei auch noch des Atems beraubt zu werden.
Die Auflösung am Ende, die doch sehr spät erst ans Licht kommt, war allerdings, im Vergleich zum großartigen Vorlauf, irgendwie enttäuschend. Man fiebert mit, bibbert, rätselt, tut, macht, hat schlaflose Nächte und dann wurde alles recht unspektakulär aufgelöst. Versteht mich nicht falsch, es kam absolut überraschend für mich, wer dahintersteckte und vor allem: wieso – aber die Inszinierung hätte noch ein gutes Stück Luft nach oben gehabt. Trotzdem war das Ende rasant, keine Frage. Ich musste die letzten 120 Seiten in einem Rutsch durchlesen, nur um meine abgrundtiefe Neugier zu stillen. Aber der fade Beigeschmack ist dennoch da – leider.
„Offline“ von Arno Strobel ist ein durch und durch packender Psychothriller mit klarem Hang zum Horrorroman. Wer Lust hat, sich in einem abgeschiedenen Hotel von einem Mörder bzw. einem abgrundtief kranken Psychopathen jagen zu lassen, der wird diese Geschichte lieben! Ich jedenfalls habe es getan! Die Reisegruppe, bestehend aus elf völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten + die beiden Hausmeister ergeben eine brisante, undurchsichtige Mischung und dank des großartigen Talents des Autors gerät auch jeder von ihnen mindestens einmal in Verdacht, der Täter zu sein. Miträtseln und mitfiebern könnt ihr hier jedenfalls im Übermaß. Leider fand ich das Ende ein klein wenig „unspektakulär“ in Szene gesetzt. Es war überraschend und vor allem überraschend logisch; aber in Anbetracht des großartigen Vorlaufs bleibt am Ende doch eine gewisse Enttäuschung bei mir. Eine Leseempfehlung gibt’s aber trotzdem! Für alle Grusel/Horror/Psychothriller-Fans ein eindeutiges Muss!
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Arno Strobel liebt Grenzerfahrungen und teilt sie gern mit seinen Lesern. Deshalb sind seine Thriller wie spannende Entdeckungsreisen zu den dunklen Winkeln der menschlichen Seele und machen auch vor den größten Urängsten nicht Halt. Seine Themen spürt er dabei meist im Alltag auf und erst, wenn ihn eine Idee nicht mehr loslässt und er den Hintergründen sofort mit Hilfe seines Netzwerks aus Experten auf den Grund gehen will, weiß er, dass der Grundstein für seinen nächsten Roman gelegt ist. Alle seine bisherigen Thriller waren Bestseller. Arno Strobel lebt als freier Autor in der Nähe von Trier.
(c) by Fischerverlage
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Fischer Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.