||» Rezension «|| Vergissmeinnicht [von Kerstin Gier]

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5. Juli 2022 0 Von Patchis Books
VERGISSMEINNICHT
– was man bei Licht nicht sehen kann –
Kerstin Gier
Jugendbuch || Fantasy
Band 1 von [?]
Vergissmeinnicht-Reihe
480 Seiten
29. September 2021
Fischer Verlage
Hardcover
20,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


(c) by Sauerländer Verlag

Bevor ich jetzt gleich mit der Rezension loslege, sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich das Buch ursprünglich gar nicht lesen wollte. Ich bin seit je her nicht der größte Kerstin Gier Fan, weil mir ihre Jugendbücher meist zu kindlich und jung waren und mich deshalb nur so durchschnittlich gut unterhalten konnten. Aber weil ich was lockerleichtes gebraucht habe und ich im Vorfeld schon das ein oder andere über „Vergissmeinnicht“ gehört habe, habe ich schlussendlich doch danach gegriffen. Trotzdem, oder gerade deswegen waren meine Erwartungen nicht unbedingt hoch. Heute möchte ich euch gern erzählen, ob sie denn erfüllt werden, übertroffen oder nicht erreicht werden konnten. Falls ihr also mehr wissen möchtet, bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Schon der Klappentext kündigt an, dass wir es es auch bei „Vergissmeinnicht“ mit einer eher jungen Geschichte zu tun bekommen werden. Aber das war ja schließlich auch ausschlaggebend für meine Entscheidung, dem Buch doch eine Chance zu geben. Und so freute ich mich darauf, mich berieseln lassen zu können, und vielleicht auch ein bisschen auf die Möglichkeit, mitzufiebern. Ich hoffte auf entsprechende Spannung, auf Teenie-Alltag und auf den typischen Humor der Autorin. Und wenn ich ehrlich bin, hab ich genau das auch bekommen. Und trotzdem schwingt da eine gewisse Enttäuschung mit. Aber fangen wir mal vorne an:
Der Einstieg in die Geschichte ist wortwörtlich kinderleicht. Wir lernen zunächst einmal die Protagonisten kennen, erfahren das ein oder andere über sie und werden dann, gemeinsam mit ihnen an die eigentliche Storyline herangeführt. Was gut ist, denn es bringt uns die fantastischen Elemente in aller Ruhe näher und wir können uns Begebenheiten und Fakten nach und nach einprägen. Auch wenn es davon gar nicht mal so viele gibt. Es ist eher eine Liebesgeschichte, die mit ein paar Fantasy-Einschlägen angereichert wurde. Und diese Fantasy-Elemente hoben sich jetzt nicht großartig vom Einheitsbrei ab. Vieles wirkte bekannt, manches sogar fast etwas abgedroschen; anderes wiederum dann doch erfrischend, weil die Autorin es versteht, die Platzierungen so zu wählen, dass es eben doch nicht ausgelutscht wirkt. Und apropos Liebegeschichte: die war zwar durchaus authentisch ausgearbeitet; konnte mich für meinen Teil aber nicht so richtig abholen. Ich nahm den Figuren ihre Emotionen auch einfach nicht so ab, wie es nötig gewesen wäre, um wirklich mitfühlen zu können.
Das Tempo ist dabei relativ gediegen, sodass es jeder Altersklasse problemlos möglich sein sollte, dem Geschehen zu folgen. Und genau darin lag mein wohl größter Kritikpunkt: denn während ich anfangs noch hoffnungsvoll war, dass sich das Tempo nach und nach erhöhen würde, verblasste die mit jedem gelesenen Kapitel mehr. Es kam einfach kein richtiger Schwung in die Handlung und es schien sogar in den spannenden Phasen nur so dahin zu plätschern. Gerade die Szenen, die es in sich haben sollten, wurden, für meinen Geschmack, mit zu viel Nichtigkeiten in die Länge gezogen, sodass die Wirkung nicht die sein konnte, die man sich sonst erhoffen kann. Vielleicht lag dies auch daran, dass viel vom normalen Leben der Figuren mit in die Handlung hineinspielt und das ja auch dementsprechend Platz brauchte. Dazu kamen zahlreiche Gespräche, die mal mehr, mal weniger sinnvoll waren und oft auch die Geschwindigkeit drosselten. Aber ich will dennoch nicht alles schlecht reden. Es gab durchaus Momente, die mich für sich gewinnen und mitreißen konnten; die wirklich glänzten und erstaunlich viel Action beinhalteten. Nur eben nicht so viele, wie erhofft.
In Kombination mit dem typischen Humor von Kerstin Gier ergibt das dann eine wirklich unterhaltsame, süße Geschichte für zwischendurch, die mal spannender, mal humorvoller, mal fantastischer, mal alltäglicher ausfällt und im Gesamten für einige schöne Lesestunden sorgen kann. Besonders gen Ende, wenn endlich mal so richtig Tempo aufkommt, weiß die Handlung dann auch zu fesseln. Zwar gab’s für mich nicht allzu viele überraschende Wendungen, aber für Unterhaltung sorgte der Schlusspart allemal.

Die Hauptfiguren waren für meinen Geschmack genügend tiefgründig und detaillreich dargestellt, um den Leser bei der Hand zu nehmen und durch die Geschichte führen zu können. Ich fand auch die familiären Begebenheiten von Quinn und Matilda interessant und spannend, und außergewöhnlich. So kommt Quinn aus gutem Hause, ist aber dennoch nicht vom Glück verfolgt. Sein Unfall ist das beste Beispiel dafür. Da hilft alles Geld der Welt nichts, um dieses Unglück ungeschehen zu machen. Trotzdem ist der junge Mann keineswegs unsympathisch oder versnobt. Er ist ein durch und durch sympathischer, greifbarer Charakter, der mein Herz relativ schnell für sich gewinnen konnte. Seine Entwicklung im Verlauf des Buches sprach ebenfalls für ihn – nur manchmal.. da wünschte ich mir, er wäre in seinem Verhalten und seinem Auftreten ein wenig erwachsener. Er wirkte von Zeit zu Zeit etwas naiv und unbeholfen; aber Matilda stand ihm da in nichts nach. Auch sie wies immer wieder kindliche Züge auf, die sie einige Pluspunkte kosteten.
Ich glaube, das ist allgemein so ein wenig das Problem bei mir, wenn es um Kerstin Gier’s Jugendbücher geht: mir erscheinen manche Handlungsweisen nicht recht nachvollziehbar und wirken in sich einfach mehr kindlich, als jugendlich. Aber bleiben wir einfach mal bei Matilda:
Sie ist eine junge, dynamische Persönlichkeit, die aktiv zur fortschreitenden Handlung beiträgt. Sie liefert immer wieder interessante Einwände und scheint manchmal sogar weiter, als Quinn. Aber manchmal eben auch nicht. Mit ihrem Tatendrang steckt sie Quinn immer wieder an, treibt ihn vorwärts und motiviert ihn; regt ihn zu neuen Überlegungen an und bringt einfach Frische ins Spiel. Sie ist liebenswert auf ganzer Ebene, auch durch ihre zeitweise auftretende Tollpatschigkeit und ihrer Fähigkeit, sich in äußerst unangenehme (für den Leser aber fast lustige) Situationen zu befördern. So bringt sie sogar Momente des Schmunzelns mit sich und lockert die Atmosphäre damit ungemein auf. Aber trotz allem blieb immer eine gewisse Distanz, die ich dauerhaft zu spüren bekam.
Und vielleicht ist es gerade diese Distanz, die ich gegenüber Quinn und Matilda verspürte, die auch die Liebesgeschichte von mir fern hielt. Ich fand die Art und Weise, wie sich die beiden annähern wunderschön und wirklich toll aufgebaut. Auch die Schwingungen waren zu spüren, aber einfach nicht so intensiv, wie ich mir das erhofft hatte. Als der erste Kuss fiel – was verhältnismäßig spät geschah – war ich doch echt überrascht; weil es sich für mich nicht so anfühlte, als wären sie schon soweit; obwohl es eigentlich der einzig logische nächste Schritt gewesen ist.
Im Gesamten gefiel mir die Charaktergestaltung aber dann doch gut. Kerstin Gier erschafft mit bloßen Worten echte Menschen, die alle ihre Eigenheiten, Macken und Schwachpunkte haben und dadurch dementsprechend lebendig wirken. Das zeigt sich auch an den Nebenrollen, die alle mit ausreichend Details ausgestattet wurden, um sie sich kinderleicht vor Augen führen zu können. Egal ob Freund oder Feind, sie alle hatten ihre Daseinsberechtigung und begeisterten durch viele Facetten, zahlreiche unterschiedliche Wesenszüge und zig verschiedene Ausstrahlungen, die alle ihre Wirkung nicht verfehlten.

Der Schreibstil von Kerstin Gier ist auch in „Vergissmeinnicht“ wieder sehr angenehm zu lesen; leicht zu verfolgen und bildhaft. Lockerleicht, und trotzdem atmosphärisch – so würde ich die Art und Weise, wie sie uns die Geschichte vermittelt, beschreiben. Ich mag ihr Talent, die humorvollen Passagen genau dann einzusetzen, wenn sie am meisten bringen und wie subtil der Humor manchmal zu Tage tritt. Ich ertappte mich mehr als einmal beim Schmunzeln, und das allerlei Situationen. Sowohl dann, wenn es angebracht war – und manchmal ganz überraschend. Andererseits nahm das den spannenden Szenen dann auch wiederum die Ernsthaftigkeit, was ich etwas schade fand.
Dennoch wird der Schreibstil immer einer der Gründe sein, warum ich weiterhin Kerstin Gier Bücher lesen werde. Genau wie alle anderen aus ihrer Feder, so lässt sich auch dieses unheimlich schnell und einfach weglesen, bietet trotzdem eine Menge Unterhaltungswert und macht Spaß. Trotz aller Kritik.
Unterteilt ist das Ganze übrigens in zwei Perspektiven. Logischerweise in die, der beiden Hauptfiguren Quinn und Matilda. Und beide Parts waren sehr lebendig und realistisch geschrieben, glaubhaft und greifbar, sodass uns allein die Aufteilung den Charakteren schon näherbringen kann. Nicht immer, aber in den meisten Fällen waren die Gedankengänge, Handlungsweisen und Aussagen absolut nachvollziehbar, weil die einzelnen Sichten dafür sorgen, dass vieles verständlicher und einleuchtender wird. Ich jedenfalls bin und bleibe ein großer Fan dieser Unterteilung, weil sie einfach Abwechslung, tiefere Einblicke und Authenzität mit sich bringen.

„Vergissmeinnicht“ von Kerstin Gier ist eigentlich genau das, was ich erwartet hatte: eine lockerleichte, flüssig zu lesende Geschichte mit verhältnismäßig wenig Fantasy, dafür umso mehr Lovestory. Da mich aber beide Facetten des Buches nicht zu 100% glücklich stimmen konnten, schwingt trotz erfüllter Erwartungen eine gewisse Enttäuschung mit. Es wäre deutlich mehr aus der Idee, die der Klappentext verspricht, herauszuholen gewesen und besonders in den ersten zwei Dritteln mehr Tempo nötig gewesen, um so richtig fesseln zu können. Auch die Distanz zu den beiden Hauptcharakteren, die eigentlich sympathisch waren, minderte den Lesespaß ein wenig. Im Gesamten wars wirklich nett. Ein schöner Zeitvertreib, der irgendwie Spaß machte, aber irgendwie auch zum Teil etwas zäh wirkte.

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Kerstin Gier, Jahrgang 1966, hat 1995 ihr erstes Buch veröffentlicht und schreibt seither überaus erfolgreich für Jugendliche und Erwachsene. Ihre Edelstein-Trilogie und die »Silber«-Bücher wurden zu internationalen Bestsellern, mehrere Romane von ihr sind verfilmt worden. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln.

(c) by Fischer Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Fischer Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.