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Carolin Wahl
New Adult || Romance
Band 1 von 3
Vielleicht – Trilogie
416 Seiten
(c) by Loewe Verlag
Als riesengroßer Fan der Autorin und ein als noch größerer Fan von Band 1 ihrer New Adult Trilogie stand es für mich gänzlich außer Frage, ob ich die Fortsetzung der Vielleicht-Reihe auch lesen möchte. Stattdessen war eher die Frage, wann ich das denn schaffe. Nun hab ich das Schätzchen zu Weihnachten bekommen und hab mich unsagbar darüber gefreut. Und kurze Zeit später hab ich mich auch schon mitten in München, in der wohl coolsten WG überhaupt wiedergefunden. Heute möchte ich euch gern erzählen, ob mich Joana und Killian (und ihre Geschichte) genau so für sich gewinnen konnten, wie Anton und Gabriella, die ich ja über alles geliebt habe. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.
Entgegen meiner Erwartung, hat es doch ein paar Seiten gebraucht, bis ich mich an die neuen Hauptfiguren gewöhnt hatte. Was ich aber zu 100% auf mein eigenes Verschulden schieben kann, denn wahrscheinlich hing mein Herz dabei einfach noch zu sehr in „Vielleicht jetzt“ fest, sodass es Joana zunächst etwas schwerer hatte, Gabriella’s Platz einzunehmen. Ebenso auch bei Killian. Doch nachdem ich mich damit abgefunden habe, dass meine einstigen Lieblinge nun nur noch Randfiguren sind, war es mir wieder ein Leichtes, in der Geschichte Fuß zu fassen. Die Wiedersehensfreude mit all den bereits bekannten, und geliebten Figuren war riesig und allein das schon macht einem den Sprung ins Geschehen in gewisser Weise sehr leicht. Carolin Wahl hält sich auch nicht damit auf, uns die hießigen Protagonisten näher vorzustellen, sondern schmeißt uns mitten hinein – in diesem Fall: mitten hinein ins Oktoberfest. Die Auftakt-Szene ist absolut geglückt, denn die ausgelassene Stimmung übertrug sich umgehend auch auf mich. Ich fühlte mich wohl, sah mich inmitten der Clique auf den Tischen tanzen und genoss die Atmosphäre von Sekunde Eins an total.
Doch nicht viel später kommt dann auch der Tiefgang und die Emotionen ins Spiel. Wir dürfen einen etwas genaueren Blick auf Joana werfen; auf ihre Vergangenheit, auf das, was sie umtreibt, auf das, was sie fühlt. Obwohl wir sie als eher unscheinbare Persönlichkeit kennengelernt haben, zeigt sie in ihrer eigenen Geschichte hier, dass viel mehr in ihr steckt. Die Autorin thematisiert hier einen sehr schweren Aspekt, nämlich Mental Health. Und das tut sie unheimlich verantwortungsvoll und glaubhaft; schafft es aber, dass die ganze Sache nicht zu erdrückend wird. Während des Lesens, gibt es immer wieder schwerer Passagen, aber dann auch wieder welche, die zum Wohlfühlen, zum Schmunzeln und zum Verweilen einladen. Mir persönlich war es sehr wichtig, dass die psychischen Probleme eingehend behandelt werden und das Ganze auch für Betroffene nachvollziehbar ausfällt. Und das ist Carolin Wahl gelungen. Sie schreibt von Fortschritten, von Rückfällen, von Momenten des Leidens und des Glücklichseins. Die ganze Geschichte lebt von dieser irrsinnig authentischen Lebendigkeit, von der Nachvollziehbarkeit und der Greifbarkeit, von dem humorvollen Schlagabtausch der Figuren, dem dezenten Dramen, die auftreten, und den innigen Freundschaften, die wir miterleben dürfen. Joana und Killian können sich eigentlich überhaupt nicht ab, und geraten immer wieder aneinander. Doch im Laufe der Geschichte verbringen sie, notgedrungen, mehr Zeit miteinander und dementsprechend entwickelt sich eine etwas – zunächst körperliche Anziehung. Ich konnte jedes Prickeln so intensiv nachempfinden und demnach auch wunderbar leicht mitfühlen. Das Knistern war deutlich spürbar und die Sticheleien sorgten für Zündstoff, aber auch für Witz und Charme, sodass wir auch mal herzlich lachen können.
Der Schlusspart liefert dann nicht nur die restlichen Antworten auf offene Fragen, sondern auch nochmal ein Ansteigen der Spannungskurve. Obwohl mich schon das vorherige Geschehen wahnsinnig fesseln konnte, so wollte ich während der letzten 100 Seiten gar nicht mehr aufhören mit lesen. Es wird dramatisch, Minuten des Hoffens und des Bangens treten ein und litt so intensiv mit Joana und Killian mit, dass es mir beinah körperliche Schmerzen bereitete, den Ausgang ihrer Geschichte nicht klar vor Augen zu haben. Selten habe ich einem Pärchen so sehr ihr Glück gewünscht, wie den beiden – doch Carolin Wahl macht es nochmal spannend und lässt den Leser zappeln. Für mich war es ein großartiges Ende, das die Geschichte perfekt abrundete – und irgendwas in mir auslöste. Etwas, das ich nicht greifen kann, Joana und Killian gaben mir Motivation, Mut, Hoffnung.
Und eben weil ich Joana, oder Jo, wie sie hier genannt wird, und Killian so sehr mochte, ist eigentlich jedes weitere Wort zu ihnen unnötig. Die beiden sind für mich der Inbegriff eines Traumpaars, eben weil ihr Weg nicht schnurgerade war, sondern Höhen und Tiefen aufwies. Zwischen ihnen läuft längst nicht alles perfekt ab, aber das macht es umso greifbarer. Die beiden kennen sich schon seit Kindertagen, doch ihre Beziehung besteht hauptsächlich aus gegenseitiger Abneigung und Sprüche drücken – erst spät, als Killian wieder nach München zieht, fangen die beiden an, sich anzunähern; erst gezwungen durch Karla, die einerseits die beste Freundin von Joana ist, und andererseits die Schwester von Killian; dann immer mehr freiwillig. Der ganze Prozess gestaltete sich als so realistisch, dass ich oft glaubte, selbst in der Haut der beiden zu stecken. So einnehmend, so emotional, so 100% echt. Und dabei passen sie, bzw. ihre Leben doch eigentlich gar nicht zusammen…
Joana ist eine junge Frau, die mir im Auftakt der Reihe gar nicht mal so sehr ins Auge gestochen war. Ja, sie war Gabriella’s beste Freundin und Mitbewohnerin und darum ein dauerhafter Akteur in der Geschichte, doch eine richtige Nähe konnte ich zu ihr nicht aufbauen. Dies geschah erst hier in „Vielleicht nie“ so richtig. Ich lernte sie hier nochmal ganz neu kennen, warf all meine Vorurteile über Bord und schloss sie binnen weniger Sekunden tief ins Herz. Ihre Vergangenheit hatte es echt in sich und schmerzte auf mehr als nur eine Art und Weise. Was Jo in ihrem bisherigen Leben bereits alles erleben musste, tut weh, und verschaffte mir zugleich Bewunderung dafür, wie lebensfroh Jo trotzdem wirkt. Doch hinter der Fassade brodelte es. Und da kam auch der Mental Health Aspekt ins Spiel. Jo ist gezeichnet von dem Erlebten und kämpft bereits seit Jahren gegen ihre inneren Dämonen an – mal erfolgreicher, mal hoffnungsloser. Allein deshalb konnte ich mich so gut in sie hineinversetzen – allein deshalb fühlte ich mich ihr so unsagbar nah. Jo litt, aber sie hatte auch so viele schöne Zeiten, konnte sogar für eine gewisse Zeit vergessen, was sie innerlich umtrieb. Gott, was habe ich diese Frau geliebt? Es war wie eine Berg- und Talfahrt, wie ein großes Auf und Ab, und ihre Reaktionen darauf waren wie aus dem echten Leben gerissen. Alles an ihr war liebenswert, sowohl ihre schnippische, impulsive Seite, als auch ihre sanfte Facette. Eine großartige Protagonistin, die mit ihren Stärken, aber vor allem mit ihren Schwächen bei mir punkten konnte.
Killian stand ihr dabei in keinster Weise nach. Auch er überzeugte mich binnen weniger Seiten von sich und das obwohl unsere Lebensstile sich so sehr voneinander unterscheiden. Ich bin einfach eine Joana, und konnte es vielleicht deshalb noch besser verstehen, wieso es zwischen ihr und Killian immer wieder krachte. Das lag aber keineswegs nur am ihm – es ging von beiden Seiten aus. Denn Killian war alles andere als ein schlechter Kerl, er war sogar von Anfang an total sympathisch und erschien mir als wirklich liebenswert. Vielleicht auch weil er für mich so ungewöhnlich war – so anders als ich. Das machte ihn als Person interessant und ich freute mich stets, wenn die Geschichte auf seine Liebe für Action und Adrenalin gelenkt wurde. Killian war optisch nicht so 100% mein Typ, aber sein Charakter machte dies auf so viele Arten und Weisen wieder wett. Er benahm sich einerseits total schlagfertig, mutig und frech, hatte aber auch eine sanfte, zuvorkommende und weiche Seite, die mindestens genau so auf Gefallen bei mir stieß.
Alle anderen Figuren waren mal wieder perfekt auf den Punkt gebracht, ohne dass sich zu viel mit ihnen beschäftigt wurde. Gabriella und Anton spielen natürlich wieder eine Rolle, ebenso wie Carla, Manu, die Cateringfirma und deren Mitarbeiter – aber sie alle verblassten so ein wenig neben den großartigen Protagonisten. Aber wie gesagt, ich freute mich natürlich immens, Gabriella und Anton wieder zu sehen und miterleben zu dürfen, wie sich ihre Liebe, die sich in Band 1 entwickelt hatte, immer weiter festigt und noch immer so heiß brennt, wie am ersten Tag.
Schreibstil. Eigentlich würde es reichen, den Absatz, den ich in der Rezension zu Band 1 getippt habe, hier hin zu kopieren. Ich kann meine Begeisterung für Carolin Wahl’s Schreibstil schlicht nicht in Worte packen. Einerseits ließ sich „Vielleicht nie“ wahnsinnig schnell, leicht und locker lesen – ja ich rauschte regelrecht durch die Seiten und merkte oft gar nicht, wie ich durch die Kapitel schlitterte. Andererseits erzeugen ihre Worte auch so eine einnehmende Atmosphäre und so greifbare Bilder, dass man meinen könnte, sie würde mir zahllosen Beschreibungen arbeiten. Aber nein. Sie beschreibt natürlich, aber eher dezent. Sie zeichnet viel mehr – zeichnet mit Worte ganze Bilderserien, die vor meinem inneren Auge abliefen und mich einfach komplett überzeugten. Jo und Killian, die WG – jede einzelne Szene wurde von der Autorin zum Leben erweckt und das ist genau das, was ich an ihr, und an ihren Büchern liebe. Die Greifbarkeit der einzelnen Geschehnissen und dieses Gefühl, als wäre man mittendrin statt nur stiller Beobachter. Ich konnte lachen, konnte weinen, konnte hoffen und bangen, konnte mich fallen lassen und wurde immer wieder aufgefangen. So eine Intenzität ist selten, und war, meiner Meinung nach, in Band 1 auch nicht ganz so extrem spürbar, wie hier.
Dabei wurde eigentlich nichts anders gemacht. Die Geschichte ist, genau so wie „Vielleicht jetzt“. unterteilt in kurze, knackige Kapitel, die aus der Sicht von der weiblichen Protagonistin erzählt sind. Entgegen dem aktuellen Trend verzichtet Carolin auf die Perspektive des männlichen Hauptcharakters, doch litt weder Geschichte noch er selbst darunter. Für meinen Geschmack passte es perfekt zum Buch und spielte der ohnehin schon vorherrschenden Perfektion nur noch mehr in die Karten.
„Vielleicht Nie“ von Carolin Wahl ist ein unsagbar ehrlicher, authentischer und lebendiger Roman, der vom Trope her sehr an Enemies to Lovers erinnert – aber irgendwie doch anders ist. Killian und Joana hassen sich nicht, doch eine gewisse Abneigung ist dennoch spürbar. Mir gefiel das zarte Näherkommen wahnsinnig gut und auch die Richtung, in die die Sache zwischen ihnen läuft, fand ich authentisch. Wo zunächst der körperliche Aspekt im Fokus steht, entwickeln sich langsam aber sicher auch Gefühle. Und genau das wurde von der Autorin wahnsinnig einnehmend, glaubhaft und nachvollziehbar ausgearbeitet. Außerdem hat sie es geschafft, die Waage zu halten zwischen tiefgründiger Mental Health Thematik (die sehr verantwortungsbewusst und echt ausfiel!) und lockerleichtem Wohlfühl-Faktor. Im Netz heißt es: Gabriella, Joana und Carla seien die coolste WG Münchens – und dem widerspreche ich hiermit: sie sind mindestens deutschland wie coolste WG! Falls ihr die Reihe noch nicht kennt, schnappt sie euch, lest sie und verliebt euch; genau so wie ich es getan habe. Natürlich ist auch „Vielleicht Nie“ wieder ein absolutes Highlight!
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Carolin Wahl wurde 1992 in Stuttgart geboren, fühlt sich aber in anderen Ländern genauso zu Hause wie im Schwabenländle. Reisen und Geschichten erzählen gehören seit der frühsten Kindheit zu ihren großen Leidenschaften. Egal, ob die fremden Welten zwischen zwei Buchdeckeln oder ein paar Flugstunden entfernt liegen. Nach einem Germanistik- und Geschichtsstudium in München und einem längeren Aufenthalt in Edinburgh, erkundete sie mit ihrem Ehemann mehrere Länder und Städte: von der Ost- und Westküste Nordamerikas, über den asiatischen Großstadtdschungel, bis hin zu versteckten Wasserfällen auf der Isle of Skye. Für ihre Texte wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. Heute lebt die Autorin wieder in ihrer Heimatstadt.
(c) by Loewe Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Loewe Intense Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.