||» Rezension «|| Wenn das Böse nach Brandenburg kommt [von Richard Brandes]
Richard Brandes
Kriminalroman
Teil 2 von ?
Carla Stach – Reihe
(c) by emons Verlag
Noch vor ein paar Wochen hatte ich absolut gar nichts von oder über Richard Brandes gehört. Erst durch einen lieben Bookstagram-Kollegen bin ich auf sein Buch „Tod in der Schorfheide“ aufmerksam und direkt neugierig gemacht worden. Nur durch Zufall bin ich dann mit Richard Brandes ins Gespräch gekommen und freundlicherweise hat er mir direkt Band 1 + 2 seiner Carla Stach – Reihe zukommen lassen. Ein riesengroßes Danke an der Stelle an dich, lieber Richard, und natürlich auch an den emons Verlag. Blöd wie ich bin, hab ich natürlich erst Band 2 gelesen – aber gut, dann eben verkehrt herum. Die Fälle an sich sind ja in sich abgeschlossen. Heute möchte ich euch verraten, wie mir dieser Krimi gefallen hat, und ob ich überhaupt nicht Lust darauf habe, nach Band 1 zu greifen. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension ♥
Im Fokus dieses Buches steht, wie der Reihen-Titel schon sagt, die Ermittlerin Carla Stach. Mit ihr hat Richard Brandes eine wirklich interessante Persönlichkeit geschaffen, die einen unweigerlich für sich einnehmen und mitreißen kann. Ihre Vorgeschichte spielt da natürlich auch eine Rolle, immerhin hat sie durch die Geschehnisse aus Band 1 immer noch unter den Folgen zu leiden. Damit hat der Autorin eine ganze Menge Tiefgang erzeugt und gleichzeitig eine weitere Spannungskomponente geschaffen. Carla ist eine absolut fähige Kommissarin, aber auch eine ganz alltägliche Frau und damit eine herrlich authentische Mischung. Ihr Privatleben bot mindestens genau so viel fesselnde Dynamik, wie der Fall an sich. Ich mochte Carla in dieser erdenklichen Form und war froh, eine so sympathische, greifbare Protagonistin zur Seite gestellt bekommen zu haben. Die trieb die Handlung aktiv voran, war aber doch keine Hellseherin. Sie musste, genau so wie all die anderen Figuren, auch mal Rückschläge hinnehmen und war damit alles andere als fehlerfrei. Sie hatte Schwächen, Ängste und Zweifel; sie plagte sich mit genau den selben Problemen herum, wie jeder von uns und das verlieh ihr enorm viel Lebendigkeit.
Doch Carla ist längst nicht die einzige, die hier aktiv am Geschehen beteiligt ist. Wir haben eine stattliche Anzahl an Persönlichkeiten, die alle ihre Daseinsberechtigung hatten. Neben Carla war auch Julia eine nicht unwesentliche Komponente der Ermittlungsarbeit. Sie war, dafür, dass ich sie nicht unbedingt als Hauptfigur bezeichnen würde, erstaunlich intensiv ausgeleuchtet und mit einer Menge Greifbarkeit versehen worden. Auch ihr Privatleben war nicht nur nebenbei thematisiert, sondern ein tragendes Elemente innerhalb des Buches. Wir erfahren auch über Julia eine ganze Menge, und können so fast spielend leicht eine Verbindung zu ihr herstellen. Damit ließ sich dann wirklich durchdringend mit ihr mitfiebern – wie mit Carla auch. Weitere Beamte der Polizei gab es natürlich auch, und auch hier spielte das Privatleben eines jeden einzelnen eine gewisse Rolle. Keiner von den ermittelnden Polizisten/Kommissaren blieb blass; und allein das begeisterte mich schon auf ganzer Linie.
Aber die Polizei ist natürlich nicht das einzige, was Figuren liefert. Auch Opfer sind immer wieder kurzzeitig begleitet und vorgestellt worden, sodass sie zu wahrhaftigen Menschen wurden und nicht nur Namen bleiben mussten. Angehörige, mögliche Täter .. sie alle haben ein Profil bekommen und damit zeigte Richard Brandes, dass seine Charaktergestaltung einfach goldwert ist. Er schafft es, sich detailliert mit den Figuren zu beschäftigen, ohne dass die eigentliche Geschichte darunter leiden würde. Er schafft es, alles sehr ausgeklügelt zu kombinieren und beweist damit, dass nicht nur die Gestaltung der Charaktere überzeugt, sondern auch sein Schreibstil. Man rauscht nur so durch die Seiten, kann sich wunderbar in die einzelnen Szenen hineindenken und spürt die jeweilige Atmosphäre mit einer Intenzität, die einem nicht nur einmal Gänsehaut beschert. Zeitgleich baut der Autor immer wieder Hinweise ein, die die eigenen Gedanken ankurbelt und das Miträtseln wird einem so leicht gemacht, dass man gar nicht mehr aufhören kann, zu grübeln. Ich fand die Art und Weise, wie alles insziniert, erklärt und miteinander verwoben wurde, schlicht großartig und kann nur in den höchsten Tönen von Charaktergestaltung und Schreibstil schwärmen.
Obwohl ich Band 1 der Serie rund um Carla Stach nicht kannte, traf ich auf keinerlei Verständnisprobleme. Zwar greift der Autor gewisse Aspekte auf, und verbaut sie mit dieser Geschichte; aber doch verzichtet er darauf, zu sehr zu spoilern. Das heißt, ich kann die Grundrisse vom Auftakt der Reihe erahnen; nicht aber die Handlung an sich – und das erleichtert mich ungemein. Bis ich diese Rezension anfing abzutippen, war ich auch der felsenfesten Überzeugung, dass dieses Buch hier der erste Teil wäre; und auch das spricht sehr für den Autor, immerhin erklärt er alles so, dass keine Fragezeichen zur Vergangenheit der Ermittler offenbleiben. Aber kommen wir zur Idee an sich:
Der zweite Fall von Carla Stach bietet eine ganze Menge Raum für mögliche Szenarien und Richtungen. Der erste Leichenfund ereignet sich schon sehr früh, und weil wir auch kurzzeitig aus der Sicht des Opfers lesen, steigt die Spannung damit rapide an. Es gilt, den Mörder schnellstmöglich zu finden, denn es stellt sich bald schon heraus, dass die erste Leiche nicht auch die einzige ist. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen, und in seinem Fokus stehen männliche Jugendliche. Es drohen also weitere Morde zu geschehen. Und damit legt Richard Brandes den Grundstein für eine temporeiche Geschichte, die längst nicht nur aus Ermittlungsarbeit besteht. Zwar nimmt die Arbeit der Polizei ein Großteil des Buches ein; doch auch die jeweiligen Privatleben der einzelnen Ermittler rücken immer wieder in den Vordergrund und vermischen sich herrlich authentisch mit dem laufenden Geschehen. Damit hat der Autor gleich mehrere Stränge miteinander verknüpft und eine dementsprechend vielfältige Abwechslung geschaffen. Mal werden Fakten und Hinweise zusammengetragen, mal geht’s um ganz alltägliche Probleme wie Kindererziehung, Pubertät und körperliche Anziehungskraft.
Mir gefiel längst nicht nur, wie Morde eingefädelt wurden, sondern auch die Tatsache, dass kein Opfer nur ein Opfer blieb. So fiebert man nochmal auf einer ganz anderen Ebene mit und hofft noch intensiver, noch eingehender, dass der Polizei endlich der Durchbruch gelingt.
Richard Brandes arbeitet mit einer ganzen Menge Eckpunkte, und bedient sich auch eher ungewöhnlichen Elementen. Darauf jetzt näher einzugehen, erspar ich mir, um euch nicht großartig zu spoilern. Aber ich kann verraten, dass die Jetztzeit längst nicht die einzige Rolle spielt. Auch die Vergangenheit ist ein tragender Aspekt und greift sogar die damalige DDR-Zeit mit all ihren Nachteilen auf. Und so wird man nicht nur mit immer neuen Hinweisen und Informationen versorgt, sondern kann, ganz nebenbei auch noch so einiges über das gespaltene Deutschland erfahren. Ost und West, die wirklichen Unterschiede und die Begebenheiten, die damals geherrscht haben.
Gleichzeitig, und das ist wohl den persönlichen Hintergründen der einzelnen Figuren zu verdanken, sind auch Emotionen immer wieder ein Thema. Mal wird es hochgradig emotional; mal richtig nervenaufreibend, mal einfach schön. Man gönnt den Figuren längst nicht nur die Aufklärung des Falls, sondern auch ihr eigenes Glück. Ich hab mit Carla, Julia, David und Co. echte, greifbare Menschen kennen und mögen gelernt und merke jetzt schon, dass mir die Truppe regelrecht fehlt.
Besonders zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse; sowohl in beruflicher, wie auch privater Form. Die einzelnen Stränge laufen zusammen; es wird brenzlig und doch scheint der Täter noch immer meilenweit entfernt davon, geschnappt zu werden. Ich raste nur so durch die letzten Seiten, und wollte um jeden Preis erfahren, wie es mit dem Fall und mit den Ermittlern ausgehen würde. Würden sie es überhaupt schaffen, den Töter dingfest zu machen? Im Grunde ist es ein Muss für jeden Krimi, dass am Ende alles aufgeschlüsselt wird – aber hier hatte ich erhebliche Zweifel – und das meine ich absolut positiv. Alles war so undurchsichtig, dass ich bei meinen eigenen, imaginären Ermittlungen ständig wieder von null anfangen musste – selbst im Schlusspart noch. Es konnte doch nicht sein, dass es dieser Serienmörder schafft, mir und der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein? Als dann aber die Auflösung kam, war ich einfach sprachlos. Ich hatte natürlich wen im Verdacht; aber ich hätte nicht falscher liegen können. Richard Brandes liefert also nicht nur ein fulminantes Finale für das Buch, sondern auch noch eine Überraschung, die ihresgleichen sucht. Einfach unsagbar gut gemacht und auf ganzer Linie schlüssig und glaubhaft.
Obwohl ich nie der größte Fan von Kriminalromanen war, und erst recht nicht von Exemplaren, die in Deutschland spielen, hat mich Richard Brandes mit „Wenn das Böse nach Brandenburg kommt“ absolut begeistert. Eine actionreiche, undurchsichtige Geschichte, die längst nicht nur von der immensen Spannung, die der Fall aufwirft, lebt, sondern auch von unheimlich authentischen und facettenreichen Charakteren, die alle mit viel Tiefgang und noch mehr Details versehen worden sind. Ein Ermittlerteam, das auch auf der zwischenmenschlichen Ebene einiges zu bieten hat und deren Privatleben einen nicht unwesentlichen Teil der Geschichte beansprucht, ohne dass dabei Leerlauf entstehen würde. Jeder einzelne trägt seinen Teil zum Geschehen bei und ist damit ein unersetzliches Bindeglied der Handlung. Der Autor setzt ausserdem darauf, uns auch einen etwas genaueren Blick auf die Opfer erhaschen zu lassen, indem er immer wieder Perspektiven wählt, die uns das jeweilige Opfer näherbringen, wodurch man nur noch mehr mitfiebert. Im Gesamten also ein echtes Highlight, das mir einiges abverlangt, aber auch eine Menge Rätselspaß und Lesefreude gebracht hat.
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Richard Brandes ist Psychotherapeut mit eigener Praxis und arbeitet hauptsächlich mit Paaren und Jugendlichen. Er schrieb bereits zahlreiche Drehbücher für Krimiserien als Storyliner und Dialogautor. Er lebt in Berlin.
(c) by emons Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim emons Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.