||» Rezension «|| Ancora [von Colin Hadler]

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7. März 2022 1 Von Patchis Books
ANCORA
– die Zeit ist gegen dich –
Colin Hadler
Jugendbuch || Mystery || Thriller
Einzelband
352 Seiten
24. Februar 2022
Planet! Verlag
Paperback
16,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


Romy verbringt die Ferien mit ihren Freunden Aurel und Jannis im abgeschiedenen Dorf Ancora. Ohne Handy, mitten in der Natur. Doch im Dorf häufen sich seltsame Ereignisse und Romy merkt, dass ihr unbeschwerter Sommer auf der Kippe steht. Schockiert muss sie feststellen, dass alles, was sie gerade erlebt, exakt einem Gedicht ihrer Mutter entspricht. Doch was hat ihre Mutter mit Ancora zu tun? Und warum endet die letzte Gedichtzeile mit Romys Tod? Um Ancora zu verstehen, muss Romy tief in der Vergangenheit graben und Geschehnisse ans Tageslicht bringen, die besser verborgen geblieben wären. Eine dunkle Bedrohung bahnt sich an – und die Frage: Kann ein Gedicht Wirklichkeit werden?

(c) by planet! Verlag

Vor etwas mehr als zwei Jahren hatte ich das Debüt von Colin Hadler gelesen und war einfach nur geflasht von der Idee, der Umsetzung und dem Schreibstil des jungen Autors. Als dann vor einigen Wochen eine Anfrage in meinem Postfach steckte von ihm, war die Freude natürlich riesengroß. Ich hab mir „Ancora“ flüchtig angeschaut und direkt zugesagt. Jetzt endlich, vor ein paar Tagen, durfte ich das Schätzchen endlich in den Händen halten und natürlich hat es nicht lange gedauert, bis ich mich ins Geschehen stürzen musste. Die Neugier kannte einfach keine Grenzen. Wird mir „Ancora“ genau so gut gefallen, wie „Wenn das Feuer ausgeht“? [Falls jemand Interesse an der Rezension dazu hat – mit einem Klick » hier « gelangt ihr auf direktem Wege dorthin]. Das und noch vieles mehr verrate ich euch jetzt ganz ausführlich. Falls ihr also mehr wissen möchtet, bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß. ♥

Die Geschichte von Romy, Jannis und Aurel beginnt unmittelbar vor der Ankunft in Ancora. Auf der Reise in das abgeschiedene Dorf haben wir als Leser kurz Zeit, um uns ein erster Bild des Dreier-Gespanns zu machen, ehe es mit der eigentlichen Handlung losgeht. Und das tat den drei jungen Erwachsenen auch gut. Man findet bereits früh einen Draht zu ihnen und kann deshalb ebenso früh auch schon mit ihnen mitfiebern. Die drei waren allesamt grundverschieden und ergänzten sich deshalb nahezu perfekt. Besonders die Schwingungen untereinander fielen sehr interessant aus, denn obwohl die drei bereits seit Jahren Freunde sind, sind sie sich doch längst nicht immer einig. So entstehen neben tiefgründigen Dialogen auch Streit-Gespräche und abwechslungsreiche Diskussionen. Colin Hadler ist es gelungen, die Beziehung der drei untereinander immer wieder umzubauen und die Charaktergestaltung sowie die Handlung damit facettenreich gemacht. Romy als Hauptfigur ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und liefert auch den einzigen Blickwinkel; denn das Buch ist rein nur aus ihrer Sicht geschrieben. Und weil sie so ein großer Sympathie-Träger war, machte das Erleben der Geschehnisse an ihrer Seite umso mehr Spaß. Ich konnte die junge Frau stets 100% nachvollziehen und empfand sie deshalb als sehr glaubhaft und lebendig. Sie agiert niemals kopflos, macht aber dennoch Fehler und das wiederum sorgte für Menschlichkeit. Ihren Gedanken und Überlegungen zu folgen, ihre Ansichten zu teilen und sie als Person immer näher und näher kennenzulernen, verlieh dem Ganzen nochmal eine neue Ebene an Tiefgründigkeit und ich kann jetzt rückblickend sagen, dass Romy eine wirklich passende, authentische Protagonistin war, die einerseits unheimlich stark, andererseits aber auch sensibel auf den Leser wirkte und für gleich mehrere Momente sorgt, die zum Nachdenken anregen.
Die beiden jungen Männer, Jannis und Aurel umgibt von Anfang an eine gewisse mysteriöse Aura. Auch wenn beide direkt sympathisch wirkten, brachte ich es nicht über mich, ihnen mein bedingungsloses Vertrauen zu schenken. Ich konnte beide nicht gänzlich einschätzen und wollte vielleicht auch gerade deshalb umso mehr von ihnen erfahren. Beide waren interessant; beide brachten einen gewissen Background mit und hatten vom Autor gleich mehrere Facetten eingehaucht bekommen, die es allesamt zu entdecken galt. Jannis ist ein totaler Wirbelwind, lebensfroh, humorvoll und so vollgestopft mit Motivation, dass er mich damit immer wieder ansteckte. Aber diese Art brachte auch die negativen Seiten zum Vorschein, wie Leichtgläubigkeit, Naivität und fehlende Umsicht. Er wirkte oft fast etwas kopflos, was natürlich für Spannung sorgte, ihn aber auch den ein oder anderen Pluspunkt kostete. Aurel war im Vergleich dazu das pure Gegenteil. Er ist ruhig, still, fast unsichtbar. Er durchdenkt alles, bis ins letzte Detail und wirkt oft wie der Ruhepol innerhalb der Gruppe. Aber genau wie Jannis und Romy kann auch Aurel sich verrennen; nur auf eine ganz andere Art und Weise, wie die zwei anderen. Er ist der stille Beobachter, fast ein wenig paranoid, aber keineswegs unglaubwürdig. Ich verstand sein Misstrauen allem und jedem gegenüber und hatte oft das Gefühl, dass mir Aurel, innerhalb des Dreiergespanns, am Ähnlichsten war. Ihr merkt also schon: die drei Hauptfiguren deckten wirklich alle Wünsche an Charaktereigenschaften ab und obwohl sie so grundverschieden waren, harmonierten sie auf einer wunderbar schönen, innigen Level.
Randfiguren gab es natürlich auch; oder anders gesagt: die ganzen Dorfbewohner. Und obwohl doch eine stattliche Anzahl eine durchaus tragende Rolle spielten, ist es Colin Hadler gelungen, alle mit so viel Einzigartigkeiten und Besonderheiten auszustatten, dass man als Leser den Überblick behält. Ich fand es sogar recht erstaunlich, dass ich nie ins Straucheln kam und mir jeden so gut vor Augen führen konnte, dass das Verständnis dauerhaft gegeben war. Jeder einzelne Dorfbewohner war detailliert und lebendig genug, um ihn sich vorstellen zu können und jeder hatte seine eigenen Eigenschaften und Aufgaben. Und gerade weil so viele Details eingewoben waren, konnte ich mich auch von dem ein oder anderen aufs Glatteis führen lassen. Die Undurchsichtigkeit war bemerkenswert, denn während ich mir beim einen sicher war, dass er ein falsches Spiel spielte, war der andere sofort eine meiner Vertrauenspersonen; und nicht immer lag ich mit meinen Einschätzungen richtig. Alles in allem kann ich jetzt also sagen: die Charaktergestaltung hat mich absolut und zur Gänze überzeugt! Romy, Jannis und Aurel; aber auch Ava und Nathan werden mir sicher noch eine Weile in Erinnerung bleiben.

Der Schreibstil von Colin Hadler weist ebenfalls einige positive Aspekte auf: so zum Beispiel die Tatsache, dass sich dieser Roman hat unsagbar schnell und leicht lesen lassen, ohne auch nur den Hauch an Atmosphäre einzubüßen. Man fliegt regelrecht durch die Seiten und ist trotzdem ganz tief im Geschehen drin. Dieses Dorf, mitten in der Natur, wo alles so ursprünglich, fast historisch anmutet, übte einen regelrechten Sog aus und versprühte zum Teil fast unheimliche Vibes. Allerdings hätte ich mir dann doch ein wenig mehr Grusel-Momente gewünscht, mehr Mystery-Flair. Da war, meiner Meinung nach, noch ein wenig Luft nach oben. Allerdings hebt die abwechslungsreiche Wortwahl und die absolut lebendige Dialoge diesen Kritikpunkt beinah gänzlich auf. Informationen werden ganz nebensächlich, aber einprägsam erwähnt und fügen sich perfekt in die Handlung ein, ohne dass sie großartig am Tempo rüttelten. Der Autor erzählt die Geschichte total bodenständig, aber immer wieder regen einzelne Sätze zum Nachdenken an, erscheinen fast poetisch und verleihen dem Ganzen eine Besonderheit, die das Buch von anderen abhebt. Die Kapitel, die, wie gesagt, alle aus Romy’s Sicht erzählt sind, haben eine angenehme Länge und enden oftmals mit Cliffhangern, was den Lesefluss und den Sog zusätzlich anheizt. Besonders die Strophen des Gedichts, die als Kapitel-Anfänge genutzt wurden, machten jedes Mal Lust darauf, mehr zu erfahren.

Und nun zur Idee. Der Klappentext verrät im Grunde nicht einmal ansatzweise, was sich in diesem Buch alles abspielt – und das ist gut so, denn der Überraschungseffekt war definitiv auf Seiten der Handlung. Immer wieder schlägt das Geschehen andere Richtungen ein und wird zunehmend undurchsichtiger. Die Tatsache, dass Romy und ihre beiden Freunde dann auch noch komplett von der Außenwelt abgeschnitten sind durch den fehlenden Handy-Empfang, rundete dieses Lese-Erlebnis schlussendlich ab. Aber es war eben nicht alles perfekt. Fangen wir mal vorn an, damit hier irgendwie sowas wie Struktur entsteht:
Der Einstieg gelang mir, wie oben schon angedeutet, absolut problemlos. Der gewählte Zeitpunkt ist der perfekte Start ins Abenteuer und gibt uns Lesern ein paar wenige Minuten Zeit, um Romy, Jannis und Aurel kurz kennenzulernen, ehe die drei dann auch schon Ancora erreichen und das Drama seinen Lauf nimmt. Es beginnt unsagbar spannend, und der Sog, von dem ich die ganze Zeit schon spreche, wirkt von Anfang an. Die Atmosphäre ist bedrückend, undurchsichtig und irgendwie bedrohlich – man weiß nicht recht, worauf man sich einstellen oder womit man rechnen soll und so gibt es immer wieder überraschende Ereignisse und Wendungen, die den Lesespaß, und natürlich auch die Spannung nach oben treiben. Neben der ganzen Spannungselemente, spielt auch das Zwischenmenschliche eine nicht unwesentliche Rolle, und diese Mischung bietet jede  Menge Raum fürs Mitfiebern. Außerdem sorgt sie auch für Abwechslung, sodass Langeweile überhaupt keine Chance hat, aufzukommen. Ich konnte also intensiv mit den Figuren mitfiebern und mitfühlen, konnte mit ihnen miträtseln und verspürte immerzu den Drang, weiter und weiter lesen zu wollen, um ja schnell genug zu erfahren was hinter all dem steckt. Die offenen Fragen häuften sich und dem Autor ist es gelungen, den Leser quasi miteinzubinden. Ich machte mir mindestens genau so viele Gedanken, wie es die Charaktere taten und war aber gleichzeitig mindestens genau so planlos. Es war, selbst im Mittelteil absolut spannend und interessant und ließ, zu keiner Sekunde nach; im Gegenteil! Es steigerte sich sogar immer mehr und wurde zunehmend unvorhersehbarer. Besonders unerwartet, war die Lovestory, die aber einen wirklich kleinen Teil des Buches einnimmt; dabei aber nichts an Glaubwürdigkeit einbüßt. Ich persönlich hätte sie zwar nicht zwingend gebraucht, aber sie war ein schönes Gimmick, das die ganze Geschichte nochmal aufwertete.
Allerdings tat ich mir schwer mit der Auflösung. Die Idee mit dem Gedicht, dem Zusammenhang mit Ancora, mit der Atmosphäre und allem, was dazu gehörte, war großartig, ergänzte sich und deutete auf ein fulminantes Finale hin. Aber mir war der Schlusspart vielleicht doch ein wenig zu abgedreht. Romy’s Selbstfindung gipfelte in einem actionreichen, unerwarteten Ende, das eine Menge Fantasy aufwies und nicht so recht zum Rest passen wollte. Schon zuvor gab es Hinweise darauf, dass sich eventuell nicht alles mit Natürlichem erklären lassen würde, aber mir ging das letzte Drittel dann einfach zu sein in die SciFi-Richtung. Ich hatte mit etwas anderem gerechnet, und auch dementsprechend auf was anderes gehofft und konnte so ein Hauch Enttäuschung am Ende nicht leugnen.  Trotzdem empfand ich die Auflösung als sehr gut durchdacht – das will ich dem Buch keineswegs absprechen. Alles hatte Hand und Fuß, jede offene Frage fand ihre Antwort und im Gesamten wirkte es rund; es war nur einfach nicht 100% stimmig in meinen Augen.

„Ancora – die Zeit ist gegen dich“ von Colin Hadler ist wieder ein nervenaufreibendes Lese-Erlebnis vor einer ganz besonderen Kulisse. Die Atmosphäre war durchweg einnehmend, die Geschichte unsagbar spannend und die Charaktergestaltung absolut auf den Punkt gebracht. Es fällt einem enorm leicht, mit Romy & Co. mitzufiebern, mitzufühlen und mitzurätseln und am Ende doch überrascht zu werden. Lediglich ein wenig mehr Grusel-Faktor und ein bisschen weniger SciFi am Ende hätten, mir persönlich, besser gefallen; aber das ist ganz klar Geschmackssache. Falls ihr auf der Suche nach einem mitreißenden Abenteuer inmitten eines abgelegenen Dorfes, das noch ganz ursprünglich betrieben wird, seid und euch auch auf Forschung und Ähnliches einlassen könnt, wird das garantiert euer Buch sein. Ich hatte jedenfalls größten Spaß und bis auf diese zwei winzigen Kritikpunkte, war es wieder ein gelungenes Mystery-Thrill-Spektakel, das es sich zu lesen lohnt.

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Colin Hadler wurde 2001 in Graz geboren. Schon ab dem Alter von 12 Jahren spielte er in Schauspielhäusern Theater – manchmal durfte er sogar mehr als nur einen Baum verkörpern. Hadler schreibt Drehbücher, Gedichte und Romane. Noch in seiner eigenen Schulzeit tourte er durch andere Gemeinden und Bundesländer, um Jugendliche wieder zum Lesen zu bringen. Hadler lebt momentan in Wien und studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.

(c) by Planet! Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Planet! Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.