||» Rezension «|| Der Aufstieg [von Amy McCulloch]
– in eisiger Höhe wartet der Tod –
Amy McCulloch
Übersetzer: Leena Flegler
Thriller
Einzelband
496 Seiten
In der Todeszone wartet der Mörder auf sie …
Diese Story ist die Chance ihres Lebens: Cecily darf als Erste den berühmten Bergsteiger Charles McVeigh interviewen, nachdem dieser innerhalb eines Jahres alle vierzehn Achttausender bestiegen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Cecily bekommt das Interview erst, wenn sie mit ihm den letzten Gipfel, den Manaslu, erklommen hat. Die kleine Gruppe macht sich auf den Weg, da kommt es im Basislager zu einem tragischen Unfall. Und Cecily erhält eine Nachricht: »Ein Mörder ist am Berg, bring dich in Sicherheit!« Mit jedem Höhenmeter steigt die Gefahr, nicht ohne Grund nennt man diese Höhen die Todeszone. Doch dieser Aufstieg ist besonders tödlich, denn einer von ihnen ist ein Mörder. Und irgendwann ist die Luft selbst zum Schreien zu dünn …
(c) by Piper Verlag
Noch immer hält meine Thriller-Lust an; und so kam die Überraschungspost vom Piper Verlag, in der sich „Der Aufstieg“ verborgen hat, wirklich wie gerufen. Ein riesengroßes Dankeschön an dieser Stelle an den Verlag – ich freu mich immer wahnsinnig über unerwartete Päckchen ♥ Ich hab also gar nicht lange gefackelt, sondern umgehend mit der Geschichte begonnen und mir davon eine atemlose, spannende und vor allem interessante Story rund ums Thema Bergsteigen & Co. versprochen. Ob ich das bekommen habe, oder ob es doch in eine ganz andere Richtung ging, verrate ich euch jetzt. Falls ihr also mehr wissen möchtet, bleibt gerne gerne dran; dann wird eure Neugier hoffentlich gestillt. Viel Spaß bei der Rezension.
In „Der Aufstieg“ werden wir ins weit entfernte Nepal entführt; mitten hinein ins Himalaya-Gebirge. Ich war unglaublich gespannt, wie die Stimmung wohl sein würde an einem so fremden, fast beängstigenden Ort. Und ich war auch sehr gespannt darauf, wie uns die Autorin die Welt des Bergsteigens näher bringt. Also hab ich mich entführen lassen – und kann zumindest guten Gewissens vermelden, dass es an Informationen nicht gemangelt hat. Aber fangen wir mal vorn an:
Wir starten, gemeinsam mit unserer Protagonistin Cecily in ein Abenteuer, dessen Ausgang ungewiss ist. Der Einstieg ist aber noch bewusst einfach gehalten und wir bekommen ausreichend Zeit, um uns mit den Figuren, wie auch mit den Begebenheiten vertraut zu machen. Trotzdem dauerte es,meiner Meinung nach, zu lange, bis die Geschichte an Fahrt aufnimmt und das erste Spannungselement zum Einsatz kommt – nämlich der Fund einer Leiche. Sowas funktioniert einfach immer extrem gut! Es werden zahlreiche Fragen aufgeworfen und die ersten Verdächtigungen, sowohl von Seiten des Lesers, als auch von den anderen Charakteren, lassen nicht lange auf sich warten. Und so war ich quasi vom ersten Moment an neugierig, denn ich wollte einerseits mehr über das Besteigen eines 8000ers erfahren, andererseits brannte natürlich auch die Frage unter den Nägeln, wer denn nun der Mörder ist, der im Klappentext bereits genannt wird.
Allerdings lässt das Tempo nach dem kurzen Knall, auch schon wieder deutlich nach. Es werden zwar weiterhin fleißig Informationen geliefert, aber die eigentliche Handlung kommt nur noch schleppend voran. Stattdessen lesen bis bis ins kleinste Detail, welche Vorbereitungen getroffen werden, welche Probleme sich in dieser Höhe auftun könnten und noch ganz viel mehr, was eigentlich recht belanglos ist. Sie wandern und wandern und wandern und wandern und wandern, machen Rast, und wandern weiter. Ich sage nicht, dass es uninteressant war – ich hab Unmengen darüber gelernt, welche Gefahren sich Bergsteiger aussetzen; was es bedarf, um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, einen 8000er Berg zu erklimmen und was die Höhe mit dem menschlichen Körper macht. Und das allein hielt mich schon bei Laune. Die Handlung an sich, die der Klappentext preisgibt, war da, für mich, und wohl auch für die Autorin, eher nebensächlich.
Erst gen Ende nimmt das Geschehen wieder an Geschwindigkeit zu; und es kommen endlich die überraschenden Elemente, die ich mir schon viel früher gewünscht hätte. Es wird zunehmend brisanter; und nicht nur der unbekannte Mörder, der durchs Lager streift, trachtet dem Team nach dem Leben, sondern auch der Berg selbst. Amy McCulloch ist es gelungen, dass ich im letzten Drittel ziemlich ins Zweifeln geriet, was die Figuren anbelangte und ich spürte, wie mein Misstrauen von Seite zu Seite mehr wuchs. Wer spielte hier mit offenen, wer mit falschen Karten? Und ist wirklich alles so passiert, wie es Cecily wahrnahm? Oder spielten ihr ihre Sinne in dieser schwindelerregenden Höhe vielleicht doch einen Streich?
Für mich persönlich war die Auflösung nicht unbedingt die größte Überraschung. Manches sah man bereits von meilenweiter Entfernung kommen – anderes wiederum traf mich recht unvorbereitet. Es war ein stimmiges, rundes Ende, das alle offenen Fragen beantwortete und die Geschichte im Gesamten schön zu Ende brachte. Aber ich hatte mir, wenn ich das große Ganze betrachte, doch mehr von dem Buch erhofft; vor allem weil eben das kleine Wörtchen „Thriller“ auf dem Cover steht.
Die Figuren gefielen mir, jetzt rückblickend, echt gut. Der Autorin ist eine spannende Mischung gelungen, die für jeden Geschmack des Lesers etwas zu bieten hat und mit ihrer Unterschiedlichkeit für Abwechslung sorgen konnte. Cecily, die Unerfahrene in der Gruppe, James der Profi, Elise der Promi unter den Bergsteigern, usw. Jede Facette bekam quasi ihren eigenen Charakter und so konnte ich mir kinderleicht meine Lieblinge, zu denen definitiv auch Cecily gehörte, herauspicken.
Aporpos Cecily. Für mich verkörperte sie die perfekte Protagonistin für diese Geschichte. Sie brachte alles mit, was es braucht, um in so einem Thriller zu funktionieren und zu überzeugen. Sie ist unerfahren und naiv, aber nicht blind für die Gefahren, die um sie herum lauern. Sie ist vorsichtig und gewissenhaft, bodenständig und sympathisch, liebenswert und vielleicht ein bisschen sehr verkopft. Dadurch dreht sich viel auch um die Gedanken von ihr; um die Sorgen und Nöte, um die Möglichkeiten und um alle möglichen Schreckenszenarien. Aber auch das bietet ein gewisses Spannungspotential, immerhin wirft sie immer wieder neue Alternativen auf, auf die man selbst wohl eher nicht gekommen wäre und macht damit vieles in gewisser Weise undurchsichtig. Jedenfalls konnte ich wunderbar mit ihr mitfiebern und mitfühlen, und fand, dass sie Geschichte zwar nicht aktiv, aber doch passiv gut vorantrieb. Ich mochte Cecily, weil sie etwas zu erzählen hatte und durch ihre Anwesenheit am Manaslu auch ganz schön viel Mut bewies. Hinter ihr steckte viel mehr, als nur eine simple Journalistin .. es verbarg sich eine ganze Menge mehr hinter der Fassade, was sie aber sehr lange unter Verschluss hielt und dadurch sogar ein wenig geheimnisvoll wirken konnte. Ich bewunderte sie auf ganzer Linie für das, was sie verkörperte und wie gut sie sich in das Gesamtbild einfügte. Aus der unerfahrenen jungen Journalistin wurde eine knallharte Bergsteigerin, die mehrmals Auge in Auge mit dem Tod über Gletscherspalten klettern und mit Atemnot zu kämpfen hat in dieser Höhe.
Einen männlichen Protagonisten gab es nicht; dafür erhalten wir Einblicke in die Leben aller Teammitglieder der Expedition. Und sie alle erzählten ihre Geschichte. Manche ausführlicher, manche kompakter. Und so konnte ich mir schnell ein relativ klares Bild aller machen; musste aber anerkennen, dass ich mich da manchmal wirklich extrem getäuscht hatte. Nicht jeder, der offen und ehrlich schien, war es schlussendlich auch. Da hat mich die Autorin gekonnt aufs Glatteis geführt und für diese Verwirrungen und Wendungen liebe ich Thriller. Genau so muss die Charaktergestaltung aussehen, um zu überzeugen. Meine größte Bewunderung galt übrigens Elise, die mit ihrer Art und Weise zwar Bewunderung in mir weckte, aber auch einen riesigen Unterhaltungswert bot. Was für eine taffe junge Frau, die man allein für ihre Lebensfreude und ihren Ehrgeiz gern haben muss. Wen hingegen ich so gar nicht ausstehen konnte, verrate ich an der Stelle nicht – macht euch euer eigenes Bild, wenn ihr das Buch lest und ich bin mir sicher, ihr täuscht euch genau so, wie ich.
Der Schreibstil von Amy McCulloch ließ sich wunderbar leicht und flüssig lesen, sodass ich binnen kürzester Zeit durch die Geschichte geschlittert war. Sie erzählt sehr authentisch und bildhaft und beschwört eine einmalig intensive Atmosphäre herauf, die sowohl beklemmend wie auch düster und bedrohlich auf den Leser wirkt. Es fühlt sich oft so an, als würde man selbst diesen Berg besteigen, mit allen Gefahren, Problemen und Stolpersteinen. Dabei verliert sich die Autorin dennoch nicht in unnötigen Beschreibungen, hält sich aber im Allgemeinen gern man mit dem Informationsfluss auf. Da hätte auch ein bisschen weniger gereicht. Und dann wäre der Fokus auch mehr auf der Handlung und weniger auf dem Abenteuer des Bergsteigens gelegen. Sehr schade. Dafür gefiel mir wiederum sehr gut, dass sich Amy McCulloch auf eine einzige Perspektive konzentriert. Wir lesen also rein nur aus Cecily’s Sicht, was sie uns als Protagonistin näher bringt; aber auch nochmal deutlich mehr Eindrücke davon vermittelt, wie es ist, als Anfängerin ein solches Vorhaben in die Tat umsetzen zu wollen. Top gelöst und absolut passend für die Geschichte. „Der Aufstieg“ von Amy McCulloch konnte meine Erwartungen nicht gänzlich erfüllen. Trotzdem ist es ein solider Thriller, der einem die Bergwelt – und vor allem das, was alles notwendig ist, um sie zu entdecken, näherbringt und damit ganz neue Eindrücke und Welten für den Leser eröffnet. Wenn ihr euch allgemein fürs Bergsteigen interessiert; oder einfach mal einen Blick hinter die Kulissen werfen wollt; und dabei auch noch eine spannende Thriller-Story erleben möchtet, dann wird euch dieses Buch sicherlich begeistern. Für mich fehlte es ein wenig an Spannung und vor allen Dingen an Tempo, aber dennoch bescherte mir Cecily und ihr Vorhaben, den Manaslu zu erklimmen, einige sehr schöne Lesestunden – wenn auch nicht so mitreißend erzählt, wie ich mir das erhofft hatte.
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Amy McCulloch ist eine international erfolgreiche Autorin, die in Großbritannien geboren wurde, in Ottawa, Kanada, aufgewachsen ist und heute in London lebt. Sie hat acht Romane für Kinder und junge Erwachsene geschrieben, darunter den #1-Bestseller YA-Roman „The Magpie Society: Die Nächste bist du“. Der Aufstieg – In eisiger Höhe wartet der Tod ist ihr Debüt in der Erwachsenenliteratur. Bevor sie hauptberuflich Schriftstellerin wurde, war sie Redaktionsleiterin in London. Neben dem Schreiben liebt sie Abenteuer, Reisen und Bergsteigen. Im September 2019 bestieg sie als jüngste Kanadierin den Manaslu in Nepal, den achtthöchsten Berg der Welt mit einer Höhe von 8.163 Metern. Sie hat auch den höchsten Berg Amerikas, den Aconcagua, erklommen und alle sieben Kontinente bereist.
(c) by Piper Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Piper Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.