||» Rezension «|| Der Strand 01: vermisst [von Karen Sander]

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12. Januar 2023 0 Von Patchis Books
DER STRAND
– vermisst –
Karen Sander
Thriller
Band 1 von 3
Engelhardt und Krieger ermitteln – Reihe
400 Seiten
13. Dezember 2022
Rowohlt Verlag
Taschenbuch
13,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


Der Auftakt der packenden Thriller-Trilogie um Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt und Kryptologin Mascha Krieger!

Die gehörlose 19-jährige Lilli Sternberg verschwindet spurlos auf dem Weg zum Strand. Die Polizei unter der Leitung von Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt durchkämmt sofort die gesamte Umgebung: den Strand, den Ort Sellnitz, in dem Lilli bei ihren Großeltern lebt, das Hinterland. Ohne Ergebnis. Die einzige Spur ist Lillis letzte Handy-Nachricht an eine Freundin: das Foto einer in den Sand gemalten, scheinbar wahllosen Zeichenfolge. Engelhardt bekommt Hilfe von der Kryptologin Mascha Krieger vom LKA. Doch die Ermittler tappen im Dunkeln: Wurde Lilli entführt, und bei dem Foto handelt es sich um eine Botschaft des Täters? Hat Lilli selbst eine Art codierten Abschiedsbrief verschickt? Hat die Schrift im Sand überhaupt etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?

(c) by Rowohlt Verlag

Nur durch absoluten Zufall bin ich bei Netgalley über dieses Buch gestolpert; und nachdem mich Cover sowie Klappentext echt angesprochen hatten, hab ich nicht lange gezögert, sondern angefragt. Als dann die Bestätigung kam, war die Freude groß. Ein riesiges Danke an Netgalley und an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Ich war enorm gespannt darauf, wie die Ermittlungen und Co. umgesetzt worden sind und hab mich deshalb direkt in die Seiten gestürzt. Wie es mir an der Seite von Engelhardt und Krieger gefallen hat, und ob meine Erwartungen tatsächlich erfüllt worden sind, erzähle ich euch jetzt. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Im ersten gemeinsamen Fall des Ermittlerduos Tom Engelhardt und Mascha Krieger bekommen sie es direkt mit einer brisanten Ausgangslage zu tun; und wir als Leser auch. Eine gehörlose, junge Frau verschwindet spurlos, und keiner will irgendwas gesehen haben. Dafür taucht nur wenige Zeit nach dem Verschwinden eine ominöse WhatsApp-Nachricht auf.. offenbar von der Vermissten.. oder etwa nicht? Klingt nach einer vielversprechenden Idee, oder?
Damit legt Karen Sander den Grundstein für einen spannenden Fall, der einiges an Fragen aufwirft und den Leser bereits zu Beginn dazu animiert, sich eigene Gedanken zu machen. Der Einstieg ist also alles andere als sanft, denn schon der Prolog, der uns einen Blick in die Vergangenheit gewährt, lässt erahnen, wohin die Reise in Bezug auf die Spannung gehen wird. Ein durch und durch gelungener Einstieg, der direkt Vorfreude aufs Weiterlesen wecken kann und trotzdem nicht zu unkontrolliert voranprescht. Die ersten Eindrücke von Tom, und kurz darauf auch von Mascha sind fallen enorm positiv aus, da beide auch im privaten einiges zu bewältigen zu haben scheinen. In Sachen Handlung wird zunehmend undurchsichtiger und jeder scheint Geheimnisse zu haben. Dies zeigt sich besonders durch die unterschiedlichen Perspektiven, die für weitere Unklarheiten sorgen, indem ominöse Dialoge stattfinden, seltsame Hinweise gestreut werden und sich beinah ausnahmslos jeder verdächtig verhält. In der Hinsicht ist es der Autorin beinah meisterhaft gelungen, Wendungen zu platzieren, die man niemals kommen sieht. Ich war teilweise so überrumpelt, dass mir all meine Ideen bzgl der Auflösung entglitten und ich deshalb nicht nur einmal von vorn anfangen musste. Ich hätte es, trotz Sympathien, schlicht jedem zugetraut. Dazu kommt, dass die Ermittlungsarbeit wunderbar authentisch eingefangen wurde und sehr abwechslungsreich ausfällt. Die Polizisten bzw Kommissare machen einen tollen Job; ziehen logische Schlüsse und tappen nicht unnötig lang im Dunkeln. Es ist ein straightes Vorankommen und gleichzeitig gibt’s eben auch privates der einzelnen Figuren zu entdecken. Damit entsteht ein stetiger Wechsel bzw. ein vielschichtiger Handlungsablauf, der auch dann nicht zäh wird, wenn mal keine neuen Erkenntnisse auftauchen.
Ein weiterer, großer Pluspunkt ist – zu meiner eigenen Überraschung – das Setting. Die ganzen Szenen, die wir hier miterleben, erhalten durch die Landschaft, bzw. den Schauplatz nochmal eine ganz eigene Dynamik und Atmosphäre. Es wirkt alles düsterer, beklemmender, unheimlicher und dementsprechend spannender. Das Moor, diese Kleinstadt und der Strand ergeben eine geniale Kulisse, und das obwohl wir uns in Deutschland befinden.
Gen Ende, als die Auflösung dann in greifbare Nähe rückt, offenbart sich dann die wohl größte Überraschung überhaupt, denn dieser Fall wird nicht aufgelöst. Das mag jetzt so scheinen, als würde ich euch was vorwegnehmen, aber ich persönlich hätte die Info gern zuvor gehabt, um nicht so davon erschlagen zu werden. Es fühlte sich in gewisser Weise so an, als wäre man mit Highspeed gegen eine Betonmauer gerast. Was bitte ist das für ein fiesen Cliffhanger? Und wieso erscheint Band 2 erst im März? Doch trotz aller offenen Fragen, war es doch ein wirklich mitreißender, rasanter Schlusspart, der eine Menge Spannung bot und die Möglichkeiten für Band 2 unendlich machte. Umso größer ist nun also die Vorfreude darauf, zu erfahren, was wirklich geschah. Und ebenso sehr freue ich mich drauf Mascha und Tom wiederzusehen.

Letzteres zeigt auch, wie sehr es uns die Ermittler möglich machen, ihnen nahe zu kommen. Tom und Mascha waren nicht einfach x-beliebige Polizisten, die respekteinflößend und distanziert sind; sondern echte, greifbare und ganz normale Personen wie du und ich. Beide hatten ihre privaten Päckchen zu tragen, von denen wir im Laufe des Buches auch immer mehr erfahren. Besonders Tom gewährt uns einige Einblicke in das, was ihn umtreibt. Seine Gedanken sind ebenso real wie authentisch und verleihen ihm Menschlichkeit und Tiefgang. Ich mochte Tom allein schon deshalb, weil er einfach eine Menge Sympathie ausstrahlte. Er war mit Leib und Seele Polizist, aber auch mindestens genau so sehr liebender Vater. Sein immerwährender Zwist, berufliches und privates unter einen Hut zu bekommen, ist absolut nachvollziehbar dargestellt worden und obwohl es wirklich mehrfach Thema ist, fühlte es sich nicht so an, als würde man mir diese Tatsache aufzwingen. Es war eben so; und es kam immer wieder das Problem auf – so wie es im echten Leben nunmal auch ist. Tom ging damit mal mehr, mal weniger souverän um, und gerade das verlieh ihm auch eine schwache Seite. Eine zusätzliche Facette, die ihn noch vielschichtiger werden ließ, als er es ohnehin schon war. Tom besitzt eine natürliche Autorität, die ihn zum perfekten Polizisten machte, ohne dass er den Bad Cop vorgaukeln musste. So ist er nicht; und das zeigte sich immer wieder. Ein großes Herz, Liebenswürdigkeit und Mitgefühl rundeten ihn als Figur dann schließlich ab. Mascha hielt sich in Sachen Privatleben eine Spur bedeckter. Zwar wird immer wieder angeteasert, dass sie nicht frei von Ballast ist, aber so ganz öffnen will sie sich, zumindest in diesem Band noch, nicht. Dafür gibt’s wiederum Einblicke in Mascha‘s familiäres Umfeld, was erstaunlich interessant ausgearbeitet wurde. Aber hängt das mit ihrem zum Teil geheimnistuerischen Verhalten zusammen? Das wissen wir nicht.
Jedenfalls ist Mascha dennoch eine durch und durch sympathische junge Frau, mit einer ordentlichen Portion Mut und Courage, Ehrgeiz und Sturheit. Sie war in ihrem Denken und Handeln stets nachvollziehbar und die Cleverness machte sie zu einer großartigen Polizistin. Auch ihr Beruf barg interessante Momente, denn als Kryptologin ist ihr Aufgabengebiet doch nochmal ein anderes, als das von „normalen“ Ermittlern. Sie brachte Frische ins Spiel, und ich fand es doch etwas schade, dass die Entschlüsselung des Codes in der WhatsApp leider nicht den Raum einnahm, den ich erwartet hatte. Aber Mascha taugt auch als Kommissarin und bringt sich im Gesamten doch wunderbar in die Ermittlungen ein. Ich mochte es zudem sehr, dass sowohl Mascha wie auch Tom bereits einiges Reife aufzuweisen haben. Sie stehen beide mitten im Leben, sind gezeichnet vom Schicksal und haben, zum Glück, nicht mehr diese Jugendliche Leichtigkeit, die oft einem Fall die Brisanz nehmen kann.
Ansonsten wird sich hier bei den Nebencharakteren ein paar Klischees bedient – und das meine ich überhaupt nicht negativ. Wir haben den bösen Cop, den einflussreichen Bürgermeister, den reichen Geschäftsmann, die neugierige Journalistin, den perfekten Freund, den unwissenden Blumenhändler und noch ganz viele mehr. Man erkennt da aber direkt, dass nicht jede klischeehafte Figur gleich eine klischeehafte Persönlichkeit vorzuweisen hat. Karen Sander hat selbst dem unwichtigsten aller unwichtigen Charakteren eine Stimme verliehen und ihn mit Ecken und Kanten und Problemen ausgestattet; und das alles innerhalb von nur 400 Seiten. Meines Erachtens nach eine tolle Charaktergestaltung, die von Anfang bis Ende überzeugt. Liegt wohl mitunter auch an dem sehr bildhaften und greifbaren Stil der Autorin. Dank nebenbei einfließenden Beschreibungen entsteht ein sehr klares Bild der einzelnen Szenen. Figuren und Kulisse werden lebendig und die Atmosphäre mit jeder gelesenen Seite dichter. Man taucht richtig ab, kann sich hineindenken und fiebert scheinbar ganz automatisch mit. Die hier und da gesetzten Infos und Ermittlungsergebnisse sind so inszeniert, dass sie immer mehr Undurchsichtigkeit erzeugen und man als Leser unweigerlich mitermittelt, um Lilli schnellstmöglich zu finden. Und obwohl die Sogwirkung so stark, die Stimmung zum Schneiden ist, liest sich das Buch trotzdem unwahrscheinlich locker, schnell und leicht. So muss ein Thriller erzählt sein.

„Der Strand 01: vermisst“ von Karen Sander ist ein Thriller, der es in sich hat. Hier und da erinnert er zwar mehr an einen Krimi, aber nun denn. Dank sehr düsterer Stimmung und ebensolcher Kulisse versprüht diese Geschichte sehr einnehmende, mitreißende Vibes und weiß zudem auch noch durch die geschickt platzierten Ermittlungsergebnisse und Hinweise zu punkten. Man wird immer wieder auf falsche Fährten gelockt, und die Neugier auf die nächste, unerwartete Wendung, steigt mit jeder gelesenen Seite. Die Ermittler Tom und Mascha wissen derweil ebenfalls zu überzeugen, denn neben ihrer offenkundigen Berufung als Polizisten bzw. Kommissare, zeigen sie auch, dass sie menschlich gesehen unheimlich detailliert und tiefgründig ausgearbeitet worden sind. Beide erleben wir längst nicht nur in ihrem Berufsalltag, sondern auch im privaten und damit verlieh ihnen die Autorin enorm viel Menschlichkeit. Einziger Kritikpunkt meinerseits: ich hätte gern im Vorfeld schon gewusst, dass es ein offenes Ende gibt und der Fall nicht abschließend geklärt wird. Zwar lockt diese Tatsache automatisch zu Band 2 hin, aber im Gesamten war mir der Schlusspart dann zu abrupt beendet .. wenn nicht sogar abgebrochen.

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Karen Sander arbeitete als Übersetzerin und unterrichtete an der Universität, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie hat über die britische Thriller-Autorin Val McDermid promoviert. Ihre Bücher wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und haben eine Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplaren. Mit ihrem Mann lebt sie sechs Monate im Jahr in ihrer Heimatstadt Düsseldorf. Die anderen sechs Monate reist sie durch die Welt und schreibt darüber in ihrem Blog.

(c) by Rowohlt Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Rowohlt Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.