||» Rezension «|| Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe [von Ali Hazelwood]

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8. Dezember 2022 0 Von Patchis Books
DIE THEORETISCHE UNWAHRSCHEINLICHKEIT VON LIEBE
Ali Hazelwood
Übersetzung: Christine Strüh + Anna Julia Strüh
New Adult
Einzelband
443 Seiten
14. Februar 2022
Rütten und Loening Verlag
Paperback
16,90€
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#werbung #rezensionsexemplar

Die Unvernunft der Liebe

Biologie-Doktorandin Olive glaubt an Wissenschaft – nicht an etwas Unkontrollierbares wie die Liebe. Dank ihrer Freundin Anh sieht sie sich plötzlich gezwungen, eine Beziehung vorzutäuschen, und küsst in ihrer Not den erstbesten Mann, der ihr über den Weg läuft. Nicht nur, dass dieser Kuss eine Kette irrationaler Gefühle auslöst – der Geküsste entpuppt sich zudem als Adam Carlsen: größter Labortyrann von ganz Stanford. Schon bald droht nicht nur Olives wissenschaftliche Karriere über dem Bunsenbrenner geröstet zu werden, auch ihre Verwicklung mit Carlsen fühlt sich mehr nach oxidativer Reaktion als romantischer Reduktion an, und Olive muss dringend ihre Gefühle einer Analyse unterziehen …

(c) by RL Verlag

Also wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist es hauptsächlich dem Cover geschuldet, dass ich bisher nicht nach dem Buch gegriffen habe. Es ist noch nicht mal ansatzweise in meinen Fokus gerückt, denn das deutsche Cover spricht mich leider so gar nicht an. Das englische hingegen schon, und deshalb dachte ich mir, ich geb dem Ganzen doch mal eine Chance. Da ich aber weiterhin unsicher war, entschied ich mich zunächst für’s (deutsche) Hörbuch. Ob ich mich vom ersten Eindruck habe täuschen lassen, oder ich doch, wie viele andere, total geflasht bin, erzähle ich euch jetzt. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Schon der Titel deutet darauf hin, dass wir es hier mit einer eher ungewöhnlichen Geschichte zu tun bekommen. Liest man dann den Klappentext, verstärkt sich dieser Eindruck nur noch mehr. Wissenschaft, Forschung, Doktoranden, Biologie? Alles nicht gerade bekannte Elemente eines New Adult Romans. Aber ich wollte mich auf diese erfrischende Idee einlassen. Ali Hazelwood hat mich mit „Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ in eine völlig neue Welt entführt, mit der ich im wahren Leben so gar keine Berührungspunkte habe. Aber genau das war das, was mich am Grundgerüst so begeistert hat. Ich wollte mehr Einblicke in den Alltag einer Doktorandin, wollte mehr erfahren über ihre Arbeit, über ihre Forschung und erst recht mehr über den verhängnisvollen Kuss mit dem Labortyrann. Alles klang so herrlich nerdig und außergewöhnlich und erinnerte mich stark eine gewisse Serie.
Als ich dann den Einstieg in Angriff nahm, merkte ich schnell, dass ich mit meiner Einschätzung goldrichtig lag. Es ist, wie inmitten einer Folge von „The Big Bang Theory“ gelandet zu sein und macht deshalb einfach irre viel Spaß. Man fasst so leicht Fuß, findet sich trotz fremder Umgebung problemlos zurecht und kann sich von der Story mitreißen lassen. Die fachlichen Themen, die behandelt werden, rücken nie so sehr in den Vordergrund, als dass großartige Erklärungen nötig gewesen wären – stattdessen steht die Liebesgeschichte im Fokus des Buches. Und die ist – um es kurz und knapp zu sagen – einfach auf den Punkt. Die Fake Beziehung der beiden entsteht auf total unkonventionelle Art, und deshalb nahm ich sie ihnen auch 100% ab. Endlich mal eine Fake Romance, bei der der Ablauf und vor allem der Ausgang nicht von Anfang an klar zu erkennen ist. Beide gehen die Sache sehr nüchtern an, und ich zweifelte lange, ob es da wirklich ein Happy End geben kann. Die Emotionen, die hier aufgewirbelt werden, sind authentisch und real; wirken nachvollziehbar und so intensiv, dass sie einen prompt selbst erfassen. Es geht dabei längst nicht nur um Liebe – sondern auch um andere Empfindungen, die mit der Sache zwischen Olive und Adam gar nicht so viel zu tun haben. Auch da punktet Ali Hazelwood wieder, indem sie beiden Charakteren auch noch ein eigenes Leben verpasst, inklusive Problemen, Freundschaften, usw. Die beiden Hauptfiguren sind zusammen eine echte Wucht, und das was sie hier zusammen erleben, lädt einerseits zum Schmunzeln ein, geht andererseits aber definitiv unter die Haut. Ich weiß, es klingt, als würde ich mir selbst widersprechen.. nüchtern, aber geht unter die Haut? kein garantiertes Happy End, aber intensive Emotionen?.. aber ich glaube, anders lässt es sich nicht in Worte fassen. Alles entwickelt sich in einem herrlich angenehmen, realistischen Tempo und genau deshalb fällt es einem so leicht, mitzufühlen und mitzufiebern. Es ist spannend, aber nicht in Form von Action, Tempo und Adrenalin – sondern auf der Gefühlsebene. Ich konnte lachen und weinen, konnte fluchen und verzweifeln, konnte hoffen und pures Glück empfinden – und das macht einen NA-Roman ja schließlich aus.
Zum Ende hin gibt’s dann aber doch nochmal erstaunlich viel Tempo. Das Drama, das sich zuvor angekündigt hat, baut sich nochmal mehr auf und gipfelt in einem echt spannenden Finalpart, der nicht nur einiges auf der emotionalen Ebene bewirkt, sondern auch noch wichtige Messages beinhaltet. Im Grunde war’s eine herrliche Mischung aus Tiefgang, Wichtigkeit, Humor und Liebe; und die Kombi hatte ich so in der Form bisher noch nicht. Mir gefiel vor allem die Inszinierung des Ganzen, denn alles wirkte, glaubhaft und echt und nicht zu „over the top“. Es ist ein Ende, das zu Olive und Adam passt und ihren Persönlichkeiten entspricht, und ich glaube, auch das sagt enorm viel über die Auflösung und das Ende allgemein aus.

Apropos Adam und Olive. Bleiben wir doch direkt bei den beiden. Die zwei (Haupt-)Figuren sind so speziell und einzigartig, dass ich zunächst etwas brauchte, um mich an sie zu gewöhnen. Das tat dem Einstieg zwar keinen Abbruch, doch ich fühlte mich zunächst ein wenig überfordert von der gewaltigen Intelligenz und den Posten, die die beiden bekleiden. Allerdings zeigte sich schnell, dass Klugheit nicht automatisch in allen Lebensbereichen gleichzeitig gegeben sein muss. Denn wo Olive unheimlich clever in ihren Job ist, so scheint in ihrem Privatleben alles nicht so recht nach Plan zu verlaufen. Ich kann mich auch nicht dagegen wehren, aber ich hatte ständig Amy von TBBT vor mir – und das machte sie mir dann doch irgendwie direkt sympathisch. Mir schien es fast, als wäre Olive noch nie mit der Liebe in Berührung gekommen, und alles würde sich nur um ihr Projekt bzw. ihren Beruf drehen, aber das ist natürlich Quatsch. Die Doktorandin hatte durchaus schon Gefühle und in der ein oder anderen Szene zeigte sich dies dann auch, sodass sie nicht gänzlich unerfahren wirkte. Ich mochte Olive nach den anfänglichen Schwierigkeiten unheimlich gerne und obwohl wir wirklich grundverschieden sind, identifizierte ich mich problemlos mit ihr, sodass ich intensiv mit ihr mitfiebern und mitfühlen konnte. Sie verlieh dem Buch einen ganz eigenen Charme und brachte mich gleichermaßen zum Lachen, wie zum Weinen. Denn obwohl sie so schlau wirkt, und so erwachsen durch ihre Arbeit, ist sie doch alles andere als vom Glück verfolgt. Sie hat eine schwere Vergangenheit hinter sich, und versucht nun nach vorn zu schauen – aber ob das so klappt, wie sie es sich wünscht? Fraglich. Trotzdem gibt sie nicht auf, und trotz aller Trauer, die in ihr herrscht, zeigt sie auch Seiten an sich, die vor Lebendigkeit und Frohsinn nur so sprühen. Sie ist loyal, hilfsbereit und lernfähig, und scheut sich nicht davor, Fehler auch mal einzusehen und daraus was mitzunehmen. Alles in allem war Olive also eine detailliert und tiefgründig dargestellte Protagonistin, die gut passte und den Leser scheinbar mit Leichtigkeit um den Finger wickeln kann.
Adam fand ich dabei fast noch spannender. Ihn als Menschen kennenzulernen, ist zunächst etwas anstrengend, denn sympathisch wirkt er definitiv nicht. Er ist recht barsch, und hat etwas an sich, das für Distanz sorgt. Er ist fast schon ein Eigenbrödler, der es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hat, den Doktoranden das Leben schwer zu machen, indem er enorm kritisch auftritt und nie zufrieden mit einer Arbeit zu sein scheint. Doch im Laufe der Geschichte erklärt sich sein Verhalten, und auch wenn er mich bereits zuvor schon davon überzeugt hatte, dass hinter der Fassde mehr steckt als ein griesgrämiger Kerl, so waren spätestens nach der Erklärung all unsere Differenzen vergessen. Adam hat gute Gründe dafür, sich so zu verhalten, wie er es tut und auch gegenüber Olive tritt er nicht immer als Charmeur auf – aber auch hier: nicht grundlos. Mir gefiel vor allem die Entwicklung, vom verschlossenen Labortyrann zum immer freundlicher werdenden Gentleman, bis hin zum absoluten Book Boyfriend Material wurde. Meinen Geschmack traf er dabei nicht zu 100%, aber ich bin mir sicher, dass Adam lebendig genug ausgearbeitet und sympathisch genug dargestellt war, um noch eine ganze Weile in Erinnerung zu bleiben.
Selbst die Nebenfiguren scheinen alle sehr viel Aufmerksamkeit von Ali Hazelwood bekommen zu haben, denn selbst die nebensächlichste Professorin legt eine gewisse Entwicklung an den Tag. Die Art, wie die Autorin die Figuren an sich selbst und ihren Aufgaben wachsen lässt, ist besonders, denn ich fand zu jedem einzelnen einen Draht und empfand selbst die unsympathischen Persönlichkeiten als hochgradig interessant. Wo der eine vor Lebendigkeit nur so sprüht, ist der andere eher stiller, aber eben nicht weniger präsent. Ali Hazelwood hat also nicht nur eine tolle Charaktergestaltung geliefert, sondern auch einen immens authentischen Schreibstil an den Tag gelegt, der uns die Figuren; aber auch das Setting, die Gefühle, die Problematiken und den Humor nahebringt. Für mich hätte man diesen etwas verschrobenen Roman nicht besser erzählen können, denn die Wirkung hat er eindeutig nicht verfehlt. Ich versank zwischen den Zeilen, lernte mehr über den Alltag in Stanford und durfte miterleben, wie zwei Menschen durch einen dummen Zufall zueinanderfanden, und sich dann immer näher kamen.
„Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe“ von Ali Hazelwood ist ein ganz besonderer Roman, der mich durchweg stark an The Big Bang Theory erinnerte. Witz, Charme und Humor sind hier ebenso vertreten, wie Tiefgang, Authentizität und Emotionen. Es ist eine gelungene Mischung aus allem und bietet deshalb einen echt hohen Unterhaltungswert. Ich hätte nie damit gerechnet, dass mich die Story rund um Olive und Adam so sehr abholen können würde; aber schlussendlich hab ich mitgefiebert und mitgefühlt, wie selten zuvor. Wer Lust hat, mal einen Blick ins Leben einer Doktorandin zu werfen und sie dabei in ihrem Alltag zu begleiten, der wird mit diesem Buch einen echten Glücksgriff landen. Für’s Highlight fehlte mir noch eine Winzigkeit, aber im Gesamten war’s schon echt verdammt nah dran.

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Ali Hazelwood hat unendlich viel veröffentlicht (falls man all ihre Artikel über Hirnforschung mitzählt, die allerdings niemand außer ein paar Wissenschaftlern kennt und die, leider, oft kein Happy End haben). In Italien geboren, hat Ali in Deutschland und Japan gelebt, bevor sie in die USA ging, um in Neurobiologie zu promovieren. Vor Kurzem wurde sie zur Professorin berufen, was niemanden mehr schockiert als sie selbst. Ihr erster Roman »Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe« wurde bei TikTok zum Sensationserfolg und ist ein internationaler Bestseller. Zuletzt erschien von ihr bei Rütten & Loening »Das irrationale Vorkommnis der Liebe«.

(c) by RL Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim RL Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.