||» Rezension «|| Erde 0 [von Micaiah Johnson]

||» Rezension «|| Erde 0 [von Micaiah Johnson]

29. November 2021 0 Von Patchis Books
ERDE NULL
Micaiah Johnson
Übersetzer: Simon Weinert
Science Fiction
Einzelband
416 Seiten
01. Oktober 2021
Knaur Verlag
Taschenbuch
10,99€
Kaufen?
» Amazon « || » Verlag «
» Leseprobe «
#werbung #rezensionsexemplar

Stell dir vor, du kannst in andere Welten reisen – aber nur wenn du dort bereits tot bist …
»Erde 0« ist eine temporeiche SciFi-Dystopie voller Parallelwelten, Varianten und die Frage, wer wir sind, wenn wir unser Schicksal selbst bestimmen können. Perfekt für alle Fans der Marvel-Loki-Serie!

Ausgerechnet ihre Herkunft, die ihr bislang immer im Weg stand, wird für die junge Cara zum Ticket in ein besseres Leben: Der charmante Wissenschaftler und Firmenmogul Adam Bosch sucht Menschen aus prekären Verhältnissen, denn er hat einen Weg gefunden, in parallele Welten zu reisen – doch dieser Weg steht nur denen offen, die in der Parallelwelt bereits tot sind. Als Weltenspringerin soll Cara möglichst viele Informationen für Adam sammeln. Bei einem ihrer Sprünge begegnet sie jedoch einer Version von Adam, die als despotischer Herrscher die ganze Welt unterdrückt. Kann Cara Adam und dem, was er angeblich für die Erde 0 plant, wirklich trauen?

(c) by Knaur Verlag

Ich lese grundsätzlich recht wenig SciFi, doch bin ich dem Genre alles andere als abgeneigt. Viel mehr habe ich das Gefühl, dass die Auswahl in dem Bereich eher nicht so groß ist und man etwas suchen muss, bis man etwas findet, was einen anspricht. So hat zum Beispiel „Erde 0“ von Micaiah Johnson meine Neugier geweckt – denn der Klappentext klang wirklich großartig und vielversprechend  – und das Cover war sicher mit ein Faktor, wieso das Buch überhaupt in meinen Fokus gerückt ist. Jetzt, nachdem ich in diese Welt, bzw. diese Welten abgetaucht bin, möchte ich euch gern verraten, ob es sich hierbei um einen Science Fiction Roman handelt, der sich für mich lohnte und das halt, was er versprach, oder ob es eher nicht so mein Fall war. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Der Sprung in die Geschichte glückte mir ganz gut. Ich konnte relativ schnell Fuß fassen in dieser dystopischen Welt und war begeistert, wie einfach, aber wirkungsvoll uns die Autorin das Grundgerüst erklärte. Ohne viel Aufhebens darum zu machen, nimmt sie uns Leser bei der Hand und zeigt uns, wie welche Idee funktioniert, wofür sie gedacht ist, und was für Eigenschaften sie innehat. So weit, so gut. Der Einstieg war also, für einen SciFi-Roman, wirklich schön und vor allem einfach gestaltet. Auch der weitere Verlauf stellte mich erst einmal vor keinerlei Probleme; ich konnte der Handlung wunderbar leicht folgen und spürte auch die Spannung, die immer mehr an Fahrt aufnahm. Schon früh tauchen die ersten, unerwarteten Wendungen auf und lenkten die Handlung in immer wieder andere Richtungen. Leider aber merkte ich dann doch, dass es nach den ersten 100 Seiten etwa, vorbei war mit dem flüssigen Verständnis. Es wurde zunehmend komplizierter und auch die Greifbarkeit der verschiedenen Welten, war nicht so ausgeprägt, wie ich es mir gewünscht hatte. Dem roten Faden zu folgen, wurde schwieriger und es bedurfte doch einiger Konzentration. Den Überblick zu behalten, war besonders an einer Stelle beinah umöglich für mich und ertappte mich dabei, wie ich ihn schlicht und ergreifend, im Laufe dieser Szene, verloren hatte. In meinem Kopf herrschte Chaos und ich wusste: wenn ich jetzt weiterlese, verstehe ich vollends gar nichts mehr. Als griff ich zum Hörbuch, begann nochmal von vorn und kam erstaunlicherweise recht leicht durch diesen Knotenpunkt. Danach ging es „einfacher“ weiter. Allerdings, und das finde ich viel nennenswerter: irgendwie hatte sich die Geschichte ab der Hälfte in eine Richtung entwickelt, die sich kaum noch mit meinen Wünschen und Hoffnungen vereinbaren ließ. Natürlich hat man Erwartungen, stellt sich gewisse Plots vor und glaubt vielleicht sogar, im Vorfeld schon zu wissen, wohin die Reise geht. Doch hier lag ich, komplett daneben. Ich kann auch nicht sagen, dass mir gefallen hätte, so überrascht zu werden, obwohl es durchaus seine Vorzüge hatte. Doch da im weiteren Verlauf auch immer wieder recht chaotische Szenen auftraten, die für mehr Verwirrung als Spannung sorgten und das allgemeine „gefesselt sein“ ausblieb, zog mich die Geschichte leider längst nicht so in ihren Bann wie erhofft. Viele Probleme, auf die unsere Protagonistin stößt, werden zu einfach gelöst und allgemein war der Spannungsbogen meiner Meinung nach einfach zu flau, um wirklich Tempo erzeugen. Es gab mehrere kurze Passagen, in denen so was wie Action aufkam, aber es reichte nicht, um über die Enttäuschung, die wegen des Rests aufkam, hinwegzutäuschen. Trotzdem vertrieben sie die Langeweile, sodass ich nie in Versuchung kam, das Buch ganz wegzulegen.
Das Ende bot ebenfalls noch ein kleines Spektakel, das zwar kurz, aber eingehend war und doch noch ein schönes Finale bot. Trotzdem war mit der Grundgedanke des Buches zu undramatisch; die Handlung stellenweise zu wirr und die ganze Idee nicht ganz ausgereift.

Ein weiterer Faktor dafür könnten auch die Figuren sein. Schon allein die Tatsache, dass manch Charakter mehrere, verschiedene Namen nutzte, war ein regelrechter Todesstoß für das Verständnis. Man stelle sich vor: es gibt zig Welten, und in jeder Welt wird unsere Protagonistin anders genannt. Kennt ihr den Emoji, dem der Kopf platzt? So hab ich mich während des Lesens immer wieder gefühlt.
Aber nun zu den einzelnen: Cara wirkt sehr oberflächlich und blass, distanziert und beinah „künstlich“. Oft schien ich es eher mit einem Roboter zu tun zu haben, als mit einer lebendigen Persönlichkeit und eben weil die Verbindung fehlte, konnte ich auch nicht so recht mit ihr mitfiebern. Sicher, sie hatte Gefühle und zeigte diese auch, doch so richtig nachvollziehbar erschien sie mir dennoch nicht. Allein schon das Leugnen ihrer Herkunft machte sie, in gewisser Weise unsympathisch, auch wenn ich den Grundgedanken dahinter verstand – ihre Vergangenheit war alles andere als einfach und dass sie das alles hinter sich lassen wollte, war absolut glaubhaft; doch änderte das nichts daran, dass es die Distanz zwischen uns nur vergrößerte. Sie hatte ihre Glanz-Momente, keine Frage. So zum Beispiel im Umgang mit ihrer Schwester oder wenn es um ihr Engagement für ihren Traum ging. Dann schaffte sie es doch tatsächlich, mich kurzzeitig einzunehmen – aber das war viel mehr die Ausnahme, als die Regel. Cara war stur und eigen, wenig empathisch und zu allem übel auch noch kaum greifbar. Ich kann an dieser Stelle nur schwer ins Detail gehen, ohne den gesamten Inhalt zu spoilern, aber der fehlende Draht zu ihr hatte seine Gründe. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass sie aus heraussticht, gerade wenn andere Cara’s im Spiel sind. So war das alles irgendwie „zu weit weg“. Schade, denn ich bin mir sicher, hätte mein Verhältnis zu der Protagonistin besser ausgesehen, hätte mich auch die Handlung mehr catchen und mitreißen können – aber so stimmte einfach beides nicht.
Und dann haben wir natürlich noch weitere Figuren, die wichtig sind. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass die Geschichte voran kommt und jeder für sich muss seinen Dienst tun, indem er Aufgaben übernimmt und Charakter zeigt. Es gab den ein oder anderen, den ich echt gerne hatte; zumindest, soweit mir das möglich war; denn auch hier fehlte mir wieder die Lebendigkeit. Ich hatte beinah non stopp das Gefühl, dass ich es nur mit fiktiven Persönlichkeiten zu tun habe – nicht mit echten, realitätsnahen Charakteren, bei denen fast noch mehr auf dem Spiel steht, als das eigene Leben. Dell zum Beispiel. Ich mochte die junge Frau ganz gerne und spürte auch, dass sie das Zeug hatte für eine „Freundin“ – aber das Potential war nicht ausgeschöpft. Zu blass und zu oberflächlich.
Ich glaube, mein Hauptproblem – sowohl bei Cara als auch bei den anderen war, dass sie in mehreren Welten existierten und stets andere Wesenszüge aufwiesen. Der eine war auf Erde 0 – unserer Welt – ein brutaler, skrupelloser, gewaltätiger Charakter, auf einer anderen Welt wiederum ein einfühlsamer, sympathischer und fast liebenswerter Zeitgenosse, dessen Lächeln Mädchenherzen zum Schmelzen bringen konnte. Und so verhielt es sich mit allen – wie soll man sich da ein klares Bild von jemandem machen? Sicher – es sind zwei verschiedene Figuren – im Grunde zumindest – aber trotzdem hingen sie miteinander zusammen und brachten mich mit ihren zig verschiedenen Facetten schlicht durcheinander, sodass meine Meinung zu jedem einzelnen total zwiespältig ausfiel.

Die Art, wie uns Micaiah Johnson die Geschichte rund um das Welten-Reisen erzählt, überzeugte auch nur so semi gut. Anfangs noch konnte ich mir alles wunderbar leicht vor Augen führen, fand die Erklärungen sehr verständlich dargestellt und hatte nicht das Gefühl, von Informationen überwältigt zu werden. Doch je länger ich las, umso mehr fehlte mir der Zugang zu dem Ganzen. Auch beim Stil war kaum Lebendigkeit zu finden, kaum bildhafte Momente. Es schien mir immer wieder, als würde ich vor einem schwarzen Fernseher sitzen, der nur alle paar Minuten mal für ein paar Sekunden ein Bild einblendet, nur um dann wieder zu erlischen. Sicher hängt alles miteinander zusammen, dass ich der Geschichte nicht richtig folgen und zu den Figuren keine richtige Verbindung aufbauen konnte, aber in Sachen Schreibstil war mir vor allem negativ aufgefallen, dass es eben kaum greifbare Emotionen gab, der rote Faden sich mehrfach verknotete und die Spannung unter den fehlenden plastischen Beschreibungen zu leiden hatte.


„Erde 0“ von Micaiah Johnson ist, von der Grundidee her, kein schlechter SciFi-Roman. Im Gegenteil, die einzelnen Elemente und das Konstrukt überzeugten mich anfangs total und steigerten meine Neugier auf den weiteren Verlauf. Ich glaube aber, dass diese Idee zu groß war um in einem einzelnen Buch abgehandelt werden zu können. Zu groß, zu weitläufig – und es fehlte an allen Ecken und Enden an Greifbarkeit, Emotionen und Authenzität. Hätte man mehr ausgearbeitet, mehr für die allgemeine Handlung getan, hätte die Sache sicher schon ganz anders ausgesehen. Jedoch hätte auch das nichts daran geändert, dass mir die Richtung, in die die Geschichte verläuft, nicht gefiel. Ich hatte mir schlicht was ganz anderes vorgestellt, als das, was ich schlussendlich bekam. Dazu dann noch die fehlende Verbindung zu den Figuren und schon war das Chaos perfekt. Sehr schade, aber das war nicht mein Fall. Nach einem sehr starken Einstieg ging es Schritt für Schritt bergab und selbst die Auflösung konnte mich nicht mehr packen. Insgesamt kein komplett schlechtes Buch, aber es gab noch eine ganze Menge Luft nach oben.

» » » Micaiah Johnson « « «
Micaiah Johnson wuchs in der kalifornischen Mojave-Wüste auf, umgeben von Bäumen namens Joshua und Frauen, die Geschichten erzählten. Sie erhielt ihren Bachelor of Arts in kreativem Schreiben an der University of California, Riverside, und ihren Master of Fine Arts in Literatur an der Rutgers University – Camden. Derzeit promoviert sie an der Vanderbilt University, wo sie sich mit „Critical race theory“ und Robotern beschäftigt. Ihr Debütroman „Erde 0“ war ein Sunday Times Bestseller, New York Times Editor’s Choice, und gehört zu NPRs besten Büchern 2020.

(c) by Knaur Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Knaur Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen. +