||» Rezension «|| Hard Liquor [von Marie Grasshoff]

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26. Januar 2022 0 Von Patchis Books
HARD LIQUOR
– Der Geschmack der Nacht –
Marie Graßhoff
Urban Fantasy
Band 1 von 3 [?]
Food Universe – Reihe
528 Seiten
23. Dezember 2021
Lübbe Verlag
Paperback
15,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


Tycho ist als Nachfahrin alter Götter übermenschlich stark. Besonders, wenn sie Alkohol trinkt. Nicht schlecht, um sich als Barkeeperin in New York gegen zwielichtige Typen zu behaupten. Damit niemand von ihrer Herkunft erfährt, muss sie selbst ihren Kindheitsfreund Logan auf Distanz halten. Doch dann taucht die gutaussehende Grayson auf und behauptet, ihr Geheimnis zu kennen. Und als Tycho kurz darauf von einer Sekte entführt wird, die ihre Kräfte für sich beanspruchen will, bleibt ihr nichts anderes übrig, als Grayson zu vertrauen …

(c) by Lübbe Verlag

Ich liebe liebe liebe die Neon Birds-Trilogie bis heute total! Es ist, mit Abstand, meine allerliebste SciFi-Reihe. Die Kreativität, die die Autorin dabei an den Tag gelegt hat, war unbeschreiblich und hat mich 2020 schlicht umgehauen. Und nun könnt ihr euch bestimmt vorstellen, wie gespannt, ja wie hyped ich regelrecht auf das neue Buch von Marie Graßhoff war. Allein schon der Klappentext klang großartig und ich hab dem Erscheinungstermin wie verrückt entgegen gefiebert. Nun hab ich es beendet und kann euch berichten, wie mir der Auftakt der neuen Reihe der Autorin gefallen hat. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt sehr gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.

Der Einstieg in die Geschichte glückte mir, trotz der recht ungewöhnlichen Begebenheiten extrem leicht. Ich war binnen weniger Seiten bereits abgetaucht und befand mich, gemeinsam mit Tycho, die ich ebenfalls von Anfang an gerne hatte, mitten im düsteren New York. Apropos düster! Diese Beschreibung passt auch ganz allgemein zur vorherrschenden Stimmung. Die Geschichte ist bedrohlich, teilweise sogar richtig brutal und versprüht damit sehr einnehmende Vibes. Die Idee hinter „Hard Liquor“ empfand ich schon nach dem Lesen des Klappentextes als absolut genial und sie versprach wieder ein fulminantes Lese-Erlebnis, das einem unter die Haut geht. Und weil der Einstieg so spielend leicht war und ich schon von Seite Eins an so gefesselt war, sah ich keinen Grund, meine Erwartungshaltung zu überdenken. Das kam erst später.
Der zuvor zu hoch gelobte Klappentext entpuppt sich nämlich als Spoiler-Ansammlung vom Feinsten. Im Grund wird alles, was in diesem Buch geschieht, durch den Klappentext bereits offenkundig und die Spannung verpufft damit komplett. Es wird einem alles vorweg genommen und man überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich auf irgendetwas unvorhersehbares zu freuen, weil wir ja im Grunde schon wissen, was als nächstes kommt. Mir ist es absolut schleierhaft, wie man einem Buch dermaßen den Wind aus den Segeln nehmen kann, indem nach so vieles verrät. Falls ihr noch die Möglichkeit dazu habt, dann lest den Klappentext nicht, vielleicht sehen eure Eindrücke dann anders aus.
Dazu kommt, dass auch die Umsetzung dieser mehr als genialen Idee, nicht überzeugt. Die Geschichte scheint nicht sauber aufgearbeitet, es lässt sich kein roter Faden erkennen und alles wirkt irgendwie schwammig. Mal prescht die Handlung in die eine Richtung, mal in die andere und es lässt sich nicht sagen, was überhaupt Sinn und Zweck des Geschehens sein soll. Wohin will dieses Buch? Es gibt keinen Stoff zum Mitfiebern, keine Spannung und dazu plätschert das Geschehen auch noch recht gediegen vor sich hin, ohne dass etwas nennenswertes passiert. Wir graben wahnsinnig viel in Tycho’s Kopf herum, beschäftigen uns mit ihrem Selbstmitleid und ertragen zahlreiche Wiederholungen an den immerselben Gedankengängen. Wo bitte blieb die Action, die Spannung, das Tempo, wo blieb das unsagbare Talent der Autorin? Das suchte ich hier leider vergeblich. Ja selbst der Twist, der einem hätte die Schuhe ausziehen können, verfehlt aufgrund all der negativen Eindrücke komplett seine Wirkung und ist eher ein „Aha“-Moment, als ein „Wow“-Effekt.
Gen Ende spitzt sich die Lage, in der sich Tycho befindet, dann etwas zu und das Buch nimmt etwas an Fahrt auf. Doch dann grätscht komplett unerwartet eine Lovestory dazwischen, die es meiner Meinung nach überhaupt nicht gebraucht hätte und die, so ganz nebenbei auch noch sehr gezwungen und konstruiert wirkt. Als hätte man auf Gedeih und Verderb noch eine (gleichgeschlechtliche) Liebesgeschichte einbauen müssen. Und ganz egal, ob gleichgeschlechtlich oder nicht, ich habe diese Sache zwischen den beiden absolut nicht gefühlt – null! Da war nichts! Kein Knistern, kein Prickeln, keine Nachvollziehbarkeit. Daher war die Sex-Szene eher unangenehm, als wirklich authentisch. So überflüssig und hinderlich einfach.
Das große Finale von Tycho, denn ja, in Band 2 geht es um gänzlich fremde Hauptfiguren und Tycho’s Geschichte endet mit diesem Band; war dann genau das, was ich die ganze Zeit so sehnsüchtig erwartet habe. Fulminant und actionreich, brutal und mitreißend; wenn auch nicht besonders überraschend. Es war einfach klar, dass es genau so ablaufen würde. Aber trotzdem hatte es der Schlussteil in sich, was das Tempo anbelangt. Doch leider .. leider .. leider blieb es nicht dabei. Denn genau so temporeich wie es begann, so schnell endete das Spektakel dann auch schon und .. Ende. Es ging viel zu schnell, kam viel zu abrupt und hatte etwas den Anschein, als hätte man es sich leicht gemacht und das Ding hauptsache irgendwie schnell zu Ende gebracht. Schade. Echt.

Next step: die Charaktere. Man könnte meinen, ich hätte bereits genug gemeckert – aber nein. Es geht quasi nahtlos weiter. Wie oben schon erwähnt mochte ich Tycho zunächst unheimlich gerne. Sie war der Inbegriff von Superheldin: mutig, stark und trotzdem sympathisch und bodenständig. Mir gefiel vor allem, wie sie trotz ihrer Kraft noch immer ein Herz zeigte. Ja selbst, dass sie außerhalb ihre Probleme hatte, sprach mich an, immerhin machte sie das erst richtig menschlich. Doch Tycho entwickelt sich in eine Richtung, die überhaupt nicht in mein Bild von ihr passte. Sie wurde weinerlich, schwach und verlor sich endlose Male in Gedankenspiralen, die sogar irgendwann mir selbst zusetzten. Tycho zog mich mehr und mehr runter, traf Entscheidungen, die ich nicht mehr nachvollziehen konnte und büßte damit einiges an Sympathie ein. Aus einer selbstbewussten jungen Frau wurde ein kleines, schwaches Mädchen, das sich dauerhaft dafür bemitleidet, dass ihr Leben so schrecklich ist. Unselbstständigkeit und Abhängigkeit kamen ebenfalls dazu und obwohl ihre Reaktion auf manch Gedankenspirale glaubhaft ausfiel, passt das erstens nicht in ein Buch über eine Superheldin, und zweitens muss ich das nicht mehrmals in beinah exakt der selben Wortwahl lesen. Wo war die Tycho, die so flirty unterwegs ist, Spaß im Leben hat und für sich einsteht? Stattdessen begleiten wir eine Protagonistin, die es einem zunehmend schwerer macht, sich mit ihr zu identifizieren. Sicher sollte darauf hingewiesen werden, wie wenig man mit Alkohol seine Probleme lösen kann; oder darauf, wie tief der Fall ist, wenn die Wirkung dessen nachlässt, aber das war einfach zu viel des Guten. Sie verlor damit auch noch den Rest an Glaubwürdigkeit und war am Ende nur noch ein Schatten ihrerselbst – wenn überhaupt.
Kurz Luft holen; weiter. Logan. Logan war anfangs, genau wie Tycho, auch noch ein absoluter Sympathieträger. Mit seiner besonnenen, ruhigen Art hatte er etwas erdendes an sich und ließ nicht nur Tycho, sondern auch mich, so manches Mal zur Ruhe kommen. Logan war fast ein wenig durchschnittlich, aber das änderte nichts daran, dass ich ihn als liebenswerten, hilfsbereiten und aufopferungsvollen besten Freund wahrnahm. Anfangs dachte ich noch, dass jeder einen Freund wie Logan an seiner Seite haben sollte, doch je länger ich mich an seiner Seite aufhielt, umso merkwürdiger kam er mir vor. Immer wieder wurden Andeutungen zu ihm gemacht, die so unterschwellig waren, dass sie erst recht ins Auge stachen. Und ich fing an, zu zweifeln. Er war nach wie vor ein scheinbar freundlicher, junger Mann, der seine Familie über alles liebt und fleißig an seinem Studium arbeitet. Aber irgendwie hatte er auch etwas sehr wankelmütiges, flatterhaftes an sich, was mich beinah in den Wahnsinn trieb. Ständig wartete ich darauf, dass er sich für den einen, oder den anderen Weg entschied, aber diese Entscheidung blieb er mir schuldig. Ich nahm ihm, ab einem gewissen Punkt, auch kaum noch etwas ab. Alles wirkte gestellt, fast erzwungen und es machte zunehmend weniger Spaß, ihn zu erleben.
Die restlichen Figuren waren ganz angenehm ausgearbeitet. Es stellte sich recht schnell heraus, wer Tycho gegenüber positiv, und wer ihr gegenüber negativ eingestellt war und das zog sich bis zum Ende hin durch. Eine richtige Undurchsichtigkeit gab es, in diesem Sinne nicht. Dafür konnte ich mir einen jeden gut vor Augen führen und zu gewissen Leuten (*hust* .. Tate & Hunt) auch eine Verbindung aufbauen. Hier war die Bandbreite an verschiedenen Persönlichkeiten wirklich gut ausgearbeitet und auch wenn sich gar nicht so viel mit den Nebencharakteren beschäftigt wurde, freute ich mich doch stets, wenn einer von ihnen auf der Bildfläche erschien.

Last but not least: Marie Graßhoff’s Schreibstil: wo fang ich jetzt nach all den negativen Eindrücken an? Wie soll ich jetzt noch irgendwas glaubhaft als positiv verkaufen. Aber ich kann euch sagen: die Autorin schreibt wirklich schön. Ich kam unheimlich schnell voran, spürte aber auch die Atmosphäre dauerhaft um mich herum. Es schien, als hätte man mich mittels einfachen Worten in eine ganz andere Welt katapultiert und nicht nur New York erschien glasklar vor meinem inneren Auge, sondern auch jeder einzelne der Figuren. Ich fühlte mich wohl in diesem Stil, kam, wie gesagt gut voran und empfand die einzelnen Szenen als anschaulich und lebendig beschrieben. Die Begebenheiten waren verständlich dargestellt und erwiesen sich als hochgradig interessant. Gerade am Anfang beweist Marie Graßhoff auch sein eindrücklich, wie gut sie auch die brutaleren Passagen darstellen kann, ohne dass es zu sehr ins Detail abrutscht und eklig wird. Sie hat exakt die richtigen Worte gefunden, um sowohl die temporeichen als auch die ruhigen Momente zu beschreiben und den Leser damit in eben diese Momente mit hinein zu ziehen.
Erzählt wird dabei lediglich auch Tycho’s Perspektive, was ich passend fand für das Geschehen. Auch die kurzen Rückblicke in ihre Vergangenheit sind sehr schön beschrieben und erklären so manches, was in der Gegenwart passiert, noch besser. Doch immer wieder wird ihre Sicht durch Radio-Moderation unterbrochen, worauf ich zwar nicht näher eingehe, doch an der Stelle trotzdem gerne loben möchte. Ich fand die Abwechslung, die durch diese drei verschiedenen Blickwinkel entstand, äußerst angenehm und denke, dass das ein weiterer Punkt ist, wieso ich so immens schnell durch die Seiten schlitterte.

Oh man, war das schwer, die richtigen Worte zu finden. Und das ganze jetzt nochmal kurz und bündig zusammen zu fassen, gestaltet sich auch als Gratwanderung. „Hard Liquor“ von Marie Graßhoff beherbergt eine großartige Idee, die so viel Action und Spannung verspricht, unerwartete Wendungen und große Überraschungen. Doch schlussendlich war es verschenktes Potential. Die Geschichte beginnt zwar wirklich stark, doch ihre Entwicklung war einfach nicht das, was ich mir erhofft hatte. Mal schießt die Handlung in die Richtung, dann wieder in eine ganz andere, ohne dass irgendwas damit erreicht worden wäre. Es fehlt der rote Faden, aber auch Infos zu den Begebenheiten, sodass es einem schwer fällt, dem Ganzen überhaupt noch sicher zu folgen. Dazu noch die Tatsache, dass der Klappentext einen unsagbar großen Teil der Geschichte verrät und damit jede Form der Spannung im Keim erstickt. Wozu mitfiebern, wenn wir ohnehin bereits wissen, was als nächstes passiert? Gen Ende gab es zwar nochmal ein ordentliches Spektakel, doch das war genau so schnell vorrüber, wie es sich aufgebau hatte. Und die Liebesgeschichte passte ebenfalls absolut nicht ins Bild, wirkte erzwungen und machte mehr kaputt als es rettete. Dafür glänzt aber der Schreibstil wieder genau so sehr, wie er es in der Neon Birds Trilogie tat und wog ein bisschen was wieder auf, wenn auch nur einen kleinen Teil. Aktuell bin ich mir trotzdem nicht sicher, ob ich die Reihe überhaupt weiterverfolgen möchte.

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Marie Graßhoff, geboren 1990 in Halberstadt/Harz, studierte in Mainz Buchwissenschaft und Linguistik. Anschließend arbeitete sie einige Jahre als Social-Media-Managerin bei einer großen Agentur, mittlerweile ist sie als freiberufliche Autorin und Grafikdesignerin tätig und lebt in Leipzig. Mit ihrem Fantasy-Epos Kernstaub stand sie auf der Shortlist des SERAPH Literaturpreises 2016 in der Kategorie „Bester Independent-Autor“.

(c) by Luebbe Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Luebbe Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.