||» Rezension «|| Heartstopper Vol. 1 [von Alice Oseman]

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12. Januar 2022 2 Von Patchis Books
HEARTSTOPPER
Alice Oseman
Übersetzer: Vanessa Walder
Graphic Novel
Band 1 von 4
288 Seiten
12. Januar 2022
Loewe Graphix Verlag
Hardcover
15,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


(c) by Loewe Verlag

Ich glaube, kein englischsprachiges Buch war auf Instagram je so präsent wie „Heartstopper“. Und egal wohin man sah, überall tauchte es auf. Kein Wunder also, dass auch meine Neugier geweckt war. Aber als absolute Englisch-Niete war ich immer etwas zurückhaltend. Obwohl ich es schon tausend Mal im Warenkorb hatte, hab ich es letzten Endes doch nie bestellt. Und nun wurden all meine stummen Gebete gehört, denn Loewe hat das Ganze nun auf Deutsch ins Programm genommen. Vielen Dank an dieser Stelle an Loewe für die Überraschungspost! Man hätte mir an Weihnachten keine größere Freude machen können. Heute, pünktlich zum Erscheinungstermin möchte ich euch gern verraten, ob sich mein innerer Struggle gelohnt hat, oder ob ich es doch bereue, nicht schon viel eher zu der Graphic Novel gegriffen zu haben. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt jetzt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension. 

Alice Oseman erzählt uns hier eine Geschichte. Aber nicht, wie man es vielleicht gewöhnt ist, mit Worten, sondern viel mehr mit Zeichnungen. Und das macht sie verdammt gut. Die einzelnen Bilder sind unglaublich einfach und schlicht; quasi mit wenigen Strichen dargestellt, aber sie erzeugen doch eine ganze Menge Lebendigkeit und Tiefgang. Ich war ehrlich überrascht, mit welcher Leichtigkeit mich die Autorin in diese Graphic Novel hinein ziehen und wie viel Greifbarkeit dabei entstehen konnte. Schon nach wenigen Zeichnungen war ich komplett in Nick und Charlie’s Welt abgetaucht und hatte mindestens genau so schnell eine Verbindung zu ihnen hergestellt. Besonders positiv stach hier auch hervor, dass es uns die Autorin bewusst leicht macht, den Überblick zu behalten, indem sie Figuren, die nicht auf jeder Seite zu sehen sind, nochmal beim Namen nennt; entweder in den Dialogen oder als kleine Randnotiz. So konnte ich mich gänzlich auf die Handlung konzentrieren und brauchte mich nicht damit zu beschäftigen, Gesichter neu zuordnen zu müssen.
Nick und Charlie zu begleiten, macht einfach Spaß – und lässt einen im selben Zuge dann auch nicht mehr los. Ich fieberte und fühlte intensiv mit; ließ mich treiben vom Geschehen und war immerzu gespannt, was die zwei noch so erleben. Das gesamte Kennenlernen ist so authentisch dargestellt, so lebendig beschrieben und einfach echt. In dieser Geschichte schwingt so viel mit, doch das Hauptthema ist und bleibt die Homosexualität. Alice Oseman behandelt diesen Aspekt sehr verantwortungsvoll; deutet einerseits auf die Problematik von Intoleranz hin; indem sie Mobbing mit ins Spiel bringt, zum anderen darauf, wie normal es ist, schwul zu sein. Mir gefiel die Differenzierung enorm gut, denn sie zeigt, dass es immer und überall Idioten geben wird, die homophob sind. Aber Bücher wie dieses bieten Aufklärung und das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die einen Figuren sehen es so, die anderen wiederum anders und das bietet, innerhalb der Handlung, Abwechslung.
Obwohl es ein wirklich kurzes Vergnügen war, immerhin hat man das Buch innerhalb von etwa einer Stunde durchgelesen, büßte es doch rein gar nicht an Emotionen ein. Oft hatte ich sogar das Gefühl, als würde noch mehr bei mir ankommen. Als würden die einzelnen Bilder noch mehr Intenzität bewirken, noch mehr in mir auslösen, als es Worte allein gekonnt hätten. Sogar ein gewisser Spannungsbogen war erkennbar, auch wenn der, natürlich nicht so einnehmend ausfällt, wie man es gewohnt ist. Aber auch hier sehe ich das keineswegs als Kritik. Wo ich mit einer lockerleichten, kurzweiligen Unterhaltung gerechnet habe, habe ich am Ende so viel mehr bekommen: nämlich Tiefgang, Liebe, Freundschaft und eine Geschichte, die mich restlos für sich gewinnen und in jeder erdenklichen Hinsicht begeistern konnte. Eine Geschichte über Intoleranz, Mobbing, Vorurteile, Schulalltag und Schmetterlinge im Bauch.
Dies zeigte sich vor allem gen Finale dann, als sich die Freundschaft zwischen Nick und Charlie langsam aber sicher zu einer tiefere Verbindung entwickelt und die Augen dann auch nicht mehr davor verschlossen werden. Trotzdem, und das finde ich ebenfalls noch erwähnenswert: man merkt, dass es sich hierbei um den ersten Band einer mehrteiligen Reihe handelt und man spürt auch, dass da in den Folgebänden noch einiges mehr kommen könnte. Nichts desto trotz war schon allein der Auftakt für mich ein Highlight.

Die Charaktere, die in erster Linie von Nick und Charlie angeführt werden, waren erstaunlich vielschichtig ausgearbeitet. Obwohl sie quasi nur Strichmännchen auf weißen Seiten waren, wurden sie von Alice Oseman zum Leben erweckt – und das, jeder für sich, auf die ganz eigene Art und Weise. Wie im vorherigen Abschnitt schon angeteasert, so gibt es längst nicht nur die, die Freudenstürme beim Leser auslösen, sondern eben auch die, die bewusst anecken. In diesem Falle mit Vorurteilen und Mobbing, mit einer großen Klappe und dem typischen Verhalten von pubertierenden Jungs. Und dies ist der Autorin wirklich toll gelungen. Ich hab mich so oft in meine Schulzeit zurückversetzt gefühlt; sah die beliebten Kids in einer Ecke stehen und die Außenseiter in der anderen. Das alles war so lebendig, so echt, so greifbar und schlicht auf den Punkt gebracht. Ich fand jede Figur allein bereits toll getroffen, doch in Kombination und mit all den unbenannten, und doch sichtbaren Interaktionen waren sie, für mich, perfekt.
Charlie ist der Hauptakteur im Buch und hatte gerade zur Zeit seines Coming Outs, das etwa ein Jahr zurückliegt, sehr mit Mobbing zu kämpfen. Und auch wenn es sich heute etwas gelegt hat, sieht sich der Schüler noch immer gewissen Vorurteilen gegenüberstehen oder anderen Problemen. Ich mochte Charlie, weil er so herrlich bodenständig war und ein so großes Herz zur Schau stellte. Alice Oseman hat vermutlich bewusst auf die typischen Klischees von Homosexuellen verzichtet, und aus Charlie einen ganz normalen Jungen gemacht, der sich für Sport interessiert und Tiere liebt. Durch seine bildhafte Darstellung in Form der einzelnen Comic-Bildern, erschien er glasklar vor mir und ich tat mir überhaupt nicht schwer, mich an seine Seite zu denken. Ich fühlte mich wohl mit ihm, fieberte und fühlte mit ihm mit und spürte einfach diese wichtige Verbindung zu ihm. Ein sympathischer junger Mann, der mitten in der Entwicklung steckt und deshalb manchmal vielleicht noch etwas blau hinter den Ohren, aber es passte super zu seiner Person und ist deshalb alles andere als ein Kritikpunkt.
Nick ist nicht weniger sympathisch. Zunächst stellt er so ein bisschen den typischen Rugby-Spieler dar – fast ein bisschen klischeehaft. Aber trotzdem hat er ein riesengroßes Herz und ist in jeder Lebenslage liebenswert. Ich glaube, ich mochte ihn sogar noch einen Tick mehr als Charlie; nicht zuletzt weil er noch eine Spur mehr Tiefgang verpasst bekommen hat und eine noch größere Entwicklung an den Tag legt. Während Charlie bereits Bescheid weiß, was seine sexuelle Orientierung betrifft, so ist es bei Nick noch ein Prozess, der sich langsam, und deshalb sehr authentisch über die gesamte Handlung zieht und einen nicht unwesentlichen Teil zu deren Funktion beiträgt. Nick war einfach süß – nicht nur, wie er optisch dargestellt war, sondern auch in seinem Verhalten. Manchmal wirkt er regelrecht unbeholfen, manchmal dafür umso selbstsicherer und diese Mischung machte ihn in meinen Augen schlussendlich einfach perfekt.
Andere Figuren werden natürlich nicht ganz so eingehend beleuchtet, was aber auch nicht nötig gewesen ist. Die Randcharaktere erfüllen trotzdem 100% ihren Zweck und könnten trotzdem gewisse Emotionen im Leser hervorrufen. Gerade die negativ behafteteten Personen ließen mein Blut immer wieder in Wallungen geraten, weil sie sich so blind, so intolerant, so bescheuert benommen haben. Dieses Schubladen-Denken ging mir, stellenweise, echt auf die Nerven, war aber gerade deshalb wieder umso authentischer. Denn solche Menschen gibt es leider immer noch zu Genüge und mit ihren Figuren weist Alice Oseman genau darauf hin. Und ich denke, allein schon die Tatsache, dass ich so viel über diese einfach gezeichneten Figuren sagen kann, spricht schon Bände. Alice Oseman hat sie, wie gesagt, wirklich zum Leben erweckt und ihnen gleich mehrere Facetten verpasst, was nicht nur einzigartig ist, sondern auch unheimlich interessant zu verfolgen.

Eigentlich kämen wir nun zum Schreibstil; doch dieses Mal nennen wir das Ganze zunächst erstmal Zeichenstil. Alice Oseman hat bewusst ganz einfache Zeichnungen verwendet, fast nur einzelne Striche, und doch war jedes Bild so eindrücklich, so greifbar und einfach lebendig. Man erkennt den jeweiligen Sinn dahinter sofort und das Verständnis ist damit von Anfang an gegeben. Dafür sorgen auch, die zuvor schon genannten kurzen Hinweise mit Namen und Infos, die die Autorin immer wieder einfließen lässt um für noch mehr Einfachheit und Verständnis zu sorgen. Ich kam wahnsinnig schnell durch die Geschichte, fühlte aber trotzdem all die Emotionen und konnte mich von der Atmosphäre in ihren Bann ziehen lassen. Es steckt so viel Liebe hinter diesem Comic, und das überträgt sich unweigerlich auf den Leser. Wer „Heartstopper“ gelesen hat, wird wissen, worauf ich anspiele – denn die Darstellungen sind einfach zuckersüß und trotzdem tiefgründig. Doch auch die Dialoge lassen einen immer wieder wohlig aufseufzen. Dieses ganze Buch hatte einen sehr intensiven Wohlfühl-Faktor, und das, obwohl sich die Autorin für so ein so schweres Thema entschieden und das auch noch so intensiv und trotzdem alltäglich umgesetzt hat. Ich hab sowohl die Gespräche wie auch die Chat-Verläufe absolut geliebt und fand sie ehrlich und echt, sodass ich mich problemlos hineinversetzen und hineindenken konnte. Großartig gemacht – sowohl die Zeichnungen wie auch die einzelnen, kurzen Texte.

„Heartstopper Vol 1“ von Alice Oseman war meine erste, aber definitiv nicht meine letzte Graphic Novel. Ich hab mich wahrlich in diese Erzählweise verliebt und war begeistert, mit wie viel Gefühl die Autorin uns die Geschichte vermittelt. Super schöne, einfache und teilweise zuckersüße Zeichnungen, in Kombination mit glaubhaften Dialogen machen das Buch zu einem wahren Pageturner. Und nicht zuletzt tun auch die sympathischen – aber auch die unsympathischen – Figuren ihr Übriges, um das Buch zum Highlight werden zu lassen. Für all diejenigen, die noch Zweifel haben: gebt dem Ganzen eine Chance! Ich jedenfalls freu mich wie verrückt auf die Folgebände!

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Alice Oseman veröffentlichte den ersten Roman, als sie 19 war. Inzwischen sind drei weitere Jugendromane erschienen sowie die erfolgreiche Webcomicserie Heartstopper. Alice starrt am liebsten stundenlang auf einen Computerbildschirm, stellt dabei die menschliche Existenz in Frage und tut alles Mögliche, um einen ordentlichen Bürojob zu vermeiden.

(c) by Loewe Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Loewe Graphix Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.