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Sebastian Fitzek
Psychothriller
Einzelband
Fürchte dich nicht! Außer vor dir selbst …
Sebastian Fitzeks herausragender Psychothriller um eine Mimikresonanz-Expertin, die sich in größter Not selbst nicht mehr trauen kannEin winziges Zucken im Mundwinkel, die kleinste Veränderung in der Pupille reichen ihr, um das wahre Ich eines Menschen zu „lesen“: Hannah Herbst ist Deutschlands erfahrenste Mimikresonanz-Expertin, spezialisiert auf die geheimen Signale des menschlichen Körpers. Als Beraterin der Polizei hat sie schon etliche Gewaltverbrecher überführt. Doch ausgerechnet als sie nach einer Operation mit den Folgen eines Gedächtnisverlustes zu kämpfen hat, wird sie mit dem schrecklichsten Fall ihrer Karriere konfrontiert: Eine bislang völlig unbescholtene Frau hat gestanden, ihre Familie bestialisch ermordet zu haben. Nur ihr kleiner Sohn Paul hat überlebt. Nach ihrem Geständnis gelingt der Mutter die Flucht aus dem Gefängnis. Ist sie auf der Suche nach ihrem Sohn, um ihre „Todesmission“ zu vollenden? Hannah Herbst hat nur das kurze Geständnis-Video, um die Mutter zu überführen und Paul zu retten. Das Problem: Die Mörderin auf dem Video ist Hannah selbst! Ihr einziger Ausweg führt tief in ihr Innerstes …
(c) by Droemer Knaur Verlag
Jedes Jahr zur selben Zeit steht eine Neuerscheinung an, auf die Millionen Leser hinfiebern! Und dazu gehöre auch ich. Der Oktober steht meist schon ganz im Zeichen der Vorfreude auf das neue Werk von Fitzek – und dieses Jahr war’s besonders intensiv; immerhin klang „Mimik“ von Anfang an extrem vielversprechend. Und nachdem ich auch zahlreiche Meinungen auf Social Media gesehen hatte, die zum Teil Sätze beinhalteten wie „Der beste Fitzek aller Zeiten“ oder ähnliches, konnte ich die Füße einfach nicht mehr länger stillhalten und musste umgehend starten. Wie es sich gehört, hab ich auch diesen Psychothriller von Fitzek mit meiner liebsten Susi gelesen – und wie immer war der Auftausch einfach legendär! Danke an der Stelle! Jetzt spanne ich euch aber nicht länger auf die Folter, sondern erzähle euch endlich, wie mir „Mimik“ gefallen hat. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß mit der Rezension.
Ganz wie man es von Fitzek kennt, liefert er mit „Mimik“ wieder einen enorm sauber recherchierten, hochgradig interessanten Thriller, der in Sachen Thematik mal wieder alle anderen Werke hinter sich zurückfallen lässt. Ich möchte mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie viel Zeit in diese Idee rund um die Körpersprache und Mimik geflossen sein muss, um dieses komplexe Feld auch für Laien verständlich rüber zu bringen. Denn das ist ihm auf ganzer Linie gelungen. Das Buch lässt sich enorm schnell, leicht und vor allem flüssig lesen, sodass man oft gar nicht merkt, wie schnell die Zeit verfliegt. Er reißt uns Leser mitten hinein ins Geschehen; lässt uns teilhaben an jedem einzelnen Schritt der Figuren und beschränkt sich doch auf die nötigsten Beschreibungen, um der Geschichte auch ja nicht die Geschwindigkeit zu rauben. Dabei ist seine Art des Erzählens sehr schlicht und einfach gehalten; aber genau das macht den Reiz aus. Es liest sich, als wäre man mit dabei, während sich die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele auftun – oder noch schlimmer: als wären es die eigenen Abgründe, vor denen man sich plötzlich stehen sieht. So real. So greifbar. Und so unbeschreiblich real. Allein die düstere Atmosphäre, die er mit bloßen Worten erzeugt, weiß bereits zu fesseln, und die interessanten Themen, mit denen er scheinbar so spielerisch arbeitet, und deren Informationen er so ganz nebensächlich einfließen lässt, tun ihr übriges, um den Leser an die Seiten zu fesseln.
Dadurch, dass wir das Werk vordergründig aus Hannah’s Sicht lesen, ist es dem Autor gelungen, uns die Protagonistin auf einer sehr tiefen Ebene näherzubringen und ihre Emotionen so nochmal zu intensivieren. Dabei werden zahlreiche Facetten der 40-Jährigen ausgeleuchtet und sie erscheint von Kapitel zu Kapitel noch lebendiger. Da aber bewusst mit Ver- und Misstrauen gespielt wird, ist es zunächst schwierig, Hannah als Menschen einzuschätzen. Sie ist wahrlich eine interessante Persönlichkeit; was sie in erster Linie aber ihrem Job als Mimik-Resonanzexpertin zu verdanken hat, und nicht ihrem liebenswürdigen Wesen. Sie hat ein derart breites Fachwissen auf ihrem Gebiet, dass man durch sie noch einiges lernen kann. Im Allgemeinen liefert sie nicht nur im beruflichen Feld interessante Thesen, sondern auch auf der Gefühlsebene bzw. im privaten Rahmen. Man merkt ihr ihre Lebenserfahrung an; denn sie wirkt unheimlich bedacht und reif in dem was sie sagt und tut. Eine bodenständige Frau eben, die mitten im Leben steht und zudem auch noch einiges an Intelligenz vorzuweisen hat. Aber selbst eine so erfolgreiche Frau ist nicht frei von Problemen; von Ängsten und Zweifeln. Sie hat ebenso Ecken und Kanten, wie jeder andere auch wird erst durch ihre „schwachen“ Momente zu einer realen Person. Und doch ist sie, auch durch ihre Amnesie nicht 100% durchschaubar. Was verbirgt sie? Was lauert da im Hintergrund? Hinter der dichten Nebelwand ihres Verstandes? Was hat sie vergessen? Und was passiert, wenn die Erinnerungen schlagartig zurückkommen? Das alles macht sie zur idealen Hauptfigur eines spannungsreichen Thrillers. Und ehrlich: trotz allem Misstrauen, was gestreut wurde, kann ich doch behaupten, dass ich mit Hannah mitfieberte. Ich wollte die Wahrheit wissen; wollte erfahren, was sich hinter allem verbirgt und da war es meiner Neugier völlig gleichgültig, ob sie nun Dreck am Stecken hatte, oder ob sich alles würde aufklären können: mitgefiebert hab ich definitiv mit ihr.
Aber Hannah ist nicht die einzige, die eigene Kapitel zugesprochen bekommen hat. Vereinzelt werden auch andere Figuren kurz nähergehender Bertrachtung unterzogen und so entsteht schnell der Eindruck, dass es zahlreiche Protagonisten, und nur sehr wenige Randfiguren gibt. Dabei ist Hannah eigentlich die einzige, die im Vordergrund steht – und vielleicht auch noch ein anderer, den ich aber bewusst nicht namentlich nennen möchte, um jede Form von Spoilern zu vermeiden. Trotzdem ein paar Sätze zu ihm/ihr und all den anderen Beteiligten: Sebastian Fitzek’s Charaktere sind immerzu eins: 100% undurchsichtig. Ich liebe es, wie er jeden in einem ganz speziellen Licht dastehen lassen kann und wie er ganz geschickt Misstrauen säht. Im Grunde kann man für keinen seine Hand ins Feuer legen; und auch das ist etwas, was ich sehr an dem Autor schätze. Keine Figur gleicht der anderen. Jede/r bringt eigene Ecken und Kanten mit und die allermeisten auch einen gut ausgearbeiteten Background, den es immerzu zu erkunden lohnt. Mit den Figuren von Fitzek wird’s unter Garantie nie langweilig – und so verhielt es sich auch hier in „Mimik“. Eine tolle, vielfältige Truppe, die perfekt auf die Handlung angepasst zu sein scheint und sich manchmal doch so gar nicht einfügen will.
Fitzek’s Psychothriller zeichnen sich alle durch einen wichtigen Punkt aus: sie sind, was die einzelnen Elemente betrifft, stets besonders. Weder habe ich jemals ein Buch gelesen, indem ein Analphabet (Das Geschenk) die Hauptrolle übernommen hatte; noch eins, in dem die Story anhand einer Playlist entschlüsselt wurde. Und erst recht bin ich zuvor noch nie auch nur im entferntesten mit einer Mimik-Resonanzexpertin in Berührung gekommen. Dahingehend also schon mal ein klarer Pluspunkt, was die Idee betrifft. Auch die Recherche habe ich am Anfang der Rezension schon gelobt – daher erspare ich mir das an der Stelle hier.
Was Fitzek’s Psychothriller aber ebenfalls alle gemeinsam haben, ist der Rohbau. Alle seine Geschichten sind vom Muster her recht ähnlich aufgebaut: ein vielversprechender Einstieg, gefolgt von einer Menge Undurchsichtigkeit, Mord, Spannung, Action, Verwirrspiele, bis zum epischen Finale. Hier war das etwas anders, denn „Mimik“ startet nicht ganz so stark, wie man vielleicht erwarten wird. Es ist ein eher sachter Einstieg, der nicht die gewohnte Rasanz an den Tag legt und damit auch nicht so sehr mitreißen kann. Aber vielversprechend ist er dennoch. Also ging’s für mich direkt weiter – mitten hinein in eine Rutschpartie. Denn als genau solches nahm ich den weiteren Verlauf wahr. Mir schien es, als wüsste der Autor selbst noch nicht so genau, wohin ihn die Handlung tragen würde und so wirkte alles etwas planlos und chaotisch; und der rote Faden war auch nur schwer erkennbar. Das alles holperte, stockte und wollte einfach nicht den erhofften Flow zeigen. Stattdessen gibt es, besonders im Mittelteil, viele lang gezogene Szenen, einige unnötigen Wiederholungen und ebenfalls recht wenig Tempo. Mit fehlte es an einer klar strukturierten Richtung, die dann auch wiederum dem Leser die Möglichkeit geboten hätte, sich eigene Gedanken zu machen – eigene Ermittlungen anzustellen. So aber musste man sich eher treiben lassen; überraschen lassen; ohne selbst „aktiv“ werden zu können.
Und gerade weil die richtungsgebende Linie fehlte, hatten auch die Wendungen nicht den Effekt, die hätten haben sollen. Da gab’s sicher den ein oder anderen „Ah“-Moment, aber nicht dieses schockierende „Wow“, kein ungläubiges „Bitte was?!“, kein „Das kann doch jetzt nicht sein, da wäre ich nie drauf gekommen“. Und das fehlte mir. Ich hätte mir mehr gewünscht – und doch weniger von allem. Die zahlreichen Perspektivwechsel hatten hier keine spannungserhöhende Wirkung, sondern sorgten eher für jede Menge Verwirrung innerhalb der Geschichte und es schien nichts so recht zusammen zu passen. Das stetige Hin und Her, in dem sich Hannah befand, trug auch nicht zur Gradlinigkeit bei und obwohl ich solche Verwirrspiele eigentlich liebe, war es hier dann doch zu viel.
Das zeigte sich besonders im letzten Drittel, wo der Verdacht binnen weniger Sekunden auf etliche Beteiligte nacheinander gelenkt wurde. Dann kam dies ans Licht und derjenige stand im Fokus; dann plötzlich alles wieder zurück, und der nächste rückte nach vorn. Es war zu viel los, und das brachte zu wenig Spannung. Ich denke, das fasst es ganz gut zusammen. Es herrschte dauerhaft eine gewisse Grundspannung, die sich gen Ende dann auch nochmal steigerte; aber diesen Nervenkitzel, die Atemlosigkeit, das beinah verrücktmachende Bedürfnis, weiterzulesen, gab’s hier nicht. Auch nicht am Schluss, wo sich die Stränge nach und nach zusammenfügten. Es gab einige Schlüsselmomente, aber weil zuvor schon nicht alles rund lief, verfehlten auch die leider ihre bahnbrechende Wirkung. Die Auflösung bot dann schlussendlich auch nicht mehr die Überraschung; weil bereits das ein oder andere auf diesen Ausgang hingedeutet hatte und die Undurchsichtigkeit somit dahin war. Aber es machte doch Spaß, das letzte Drittel zu lesen. Nicht in der gewohnten Intensität, aber doch auf unterhaltsame Weise. Fitzek liefert mit „Mimik“ wieder einen Thriller mit einer sehr spannenden, hochinteressanten Thematik und bietet damit wieder zahlreiche Einblicke in ein völlig fremdes (Berufs-)Feld. Unheimlich gut recherchiert entführt er uns in die Welt einer Mimik- und Körperspracheexpertin und schafft es, wirklich komplexe Bereiche total verständlich einzufangen und wiederzugeben. Mit Hannah und all den anderen Figuren landet er wieder einen absoluten Volltreffer, indem er die Persönlichkeiten klar voneinander abgrenzt und jeden auf seine Art und Weise authentisch, real und undurchsichtig werden lässt. Leider war’s dann aber die Umsetzung, an der dieses vielversprechende Konstrukt scheiterte. Es war mir bereits von Anfang an zu ruhig, sodass gar nicht erst die große Rasanz entstanden ist und obwohl einige sehr heftige Szenen eingebaut waren, war’s nicht spannend genug. Zu viele verschiedene Richungen ließen die Wirkung der einzelnen Wendungen recht blass aussehen und auch die Auflösung war nicht die größte Überraschung. Da bin ich bei weitem besseres von Fitzek gewohnt. Trotzdem konnte ich einige sehr interessante und unterhaltsame Lesestunden mit dem Werk verbringen und weiß, dass es definitiv auch schlechter geht. Für mich eins der schwächeren Büchern des Autors, aber immer noch ein solider Thriller, der besonders im Bereich der Thematik punktet.
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Sebastian Fitzek, geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster Autor. Seit seinem Debüt „Die Therapie“ (2006) ist er mit allen Romanen ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden. Mittlerweile erscheinen seine Bücher in sechsunddreißig Ländern und sind Vorlage für internationale Kinoverfilmungen und Theateradaptionen. Als erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet und 2018 mit der 11. Poetik-Dozentur der Universität Koblenz-Landau geehrt. Er lebt in Berlin.
(c) by Droemer Knaur Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Droemer Knaur Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.
Sterbenslangweilig.Es ist schon eine Leistung so viele Seiten mit so wenig Inhalt zu füllen.
[…] REZENSIERT VON: Alys Bücherblog | Krimi Couch | Papierfliegerin | read books and fall in love | Sonja liest | Helgas […]