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13. August 2020 1 Von Patchis Books
NEON BIRDS
Marie Graßhoff
Science Fiction || Solarpunk
Band 1 von 3
Neon Birds – Reihe
464 Seiten
27. November 2019
Luebbe Verlag
Paperback
15,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


Es ist das Jahr 2101. Ein außer Kontrolle geratener technischer Virus verwandelt Menschen in hyperfunktionale Cyborgs, die dem Willen der künstlichen Intelligenz KAMI gehorchen. In Sperrzonen eingepfercht, werden sie von Supersoldaten bekämpft, die man weltweit als Stars feiert. Doch die Mauern beginnen zu bröckeln. Sekten beten KAMI als Maschinengott an. Und während der Kampf zwischen Menschheit und Technologie hin und her wogt, versuchen vier junge Erwachsene, den Untergang ihrer Zivilisation zu verhindern …

(c) by Luebbe

Ich glaube, „Neon Birds“ wäre noch in 10 Jahren auf meinem SuB gelegen, wenn meine liebste Insta-Community (falls ihr auch dazu gehören möchtet: @papier_fliegerin [dort läuft aktuell auch ein Gewinnspiel bis einschließlich 29.08.2020) nicht dafür abgestimmt hätte, dass ich das Buch jetzt unbedingt als nächstes lesen muss. Dabei hab ich zuvor eh schon nur positives über die Geschichte gehört und war schon vor der Abstimmung extrem neugierig; nur hätte sich garantiert wieder was anderes dazwischen geschoben. Heute kann ich euch aber nun endlich berichten, ob mir dieser Roman genau so gut gefallen hat wie dem Großteil der Leserschaft da draußen, oder ob ich doch eher zu den Kritikern gehöre. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß ♥

Der Einstieg war, entgegen meiner Erwartung, wirklich unheimlich gelungen. Viele beschwerten sich über unklare Bilder und Verständnislosigkeit. Ich sah das allerdings anders. Selten wurde ich mit so viel Schwung ins eiskalte Wasser geworfen – und trotzdem gab es keinerlei Verständnisprobleme. Ich fühlte mich dermaßen gefesselt vom Geschehen, dass gar keine Zeit blieb, um sich über irgendwas Gedanken zu machen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich kein großer Fan von Soldaten, Militär, etc. bin, doch hier passte es ausgesprochen gut und war trotz der Geschwindigkeit verständlich und authentisch dargestellt. Man kann auch ohne die nötigen Infos extrem gut durch die ersten paar Szenen rasen, ehe dann kurze Erklärungen eingebunden werden, die einen vieles noch eine Spur klarer sehen lassen. Ich hätte mir, absolut keinen besser inszinierten Start in diese Handlung vorstellen können! Allein die Stimmung, die aufkommt, lässt bereits erahnen, was da noch auf uns zukommen wird – nämlich Großes! Ganz Großes! Und genau so geht es auch direkt weiter – denn obwohl erste Infos eingewoben wurden, meistens in Form von Militärakten am Ende eines jeden Kapitels, lässt das Tempo zu keiner Sekunde nach. Die Geschwindigkeit, sowie die Spannung bleiben auf konstant hohem Niveau und die Plots und Wendungen, die Marie Graßhoff hier einbaut, sind dermaßen überraschend und unerwartet, dass die Unvorhersehbarkeit immer weiter steigt. Schon nach kurzer Zeit hatte ich keinerlei Ambitionen mehr, mir zu überlegen, wie es wohl weitergehen könnte, weil ich mich einfach mitreißen ließ und komplett „in to it“ war. Selbst im Mittelteil kommt die Geschichte extrem gut voran, wird durch Infos – unter anderem auch zu den Charakteren – gefüllt und bleibt nicht nur spannend, sondern auch interessant. Die zwischenmenschliche Ebene wird nämlich, trotz all der Action, nicht außen vor gelassen, sondern erstaunlich intensiv behandelt.
Diese Atmosphäre erinnert hier ganz deutlich an eine Mischung aus World War Z und iRobot und ist auf ganzer Linie gelungen. Viel mehr fühlt sich das Lesen an, wie ein Actionfilm, in dem man selbst die Hauptrolle spielt. So oft kam ich mir vor, als wäre ich selbst Teil dieser Welt. Als müsste ich selbst gegen diesen technischen Virus ankämpfen, als könnte ich selbst davon befallen werden. Ich mitfieberte mit, litt unendlich und lachte mit den Figuren. Es war neben der einnehmenden Atmosphäre also auch so gut wie jedes Gefühl vertreten und bereitete einfach Spaß.
Das Ende war, ganz wie erwartet, actionreich, explosiv und voller Überraschungen. Obwohl ich mir sicher war, dass man auf die ersten beiden Drittel nicht nochmal eins oben drauf setzen kann, bewies Marie Graßhoff das Gegenteil und spielte nochmal ordentlich mit den Nerven der Leser. Unerwartet, an Spannung nicht zu überbieten und irgendwie auch ziemlich schockierend. Und es macht definitiv neugierig auf Band 2, obwohl es keinen extremen Cliffhanger gab.

Während des Lesens begegnen wir insgesamt so einigen Figuren. Doch die Hauptrollen wurden an vier Figuren vergeben. Und jeder hat seine eigene Perspektive. Zu Beginn ist noch jeder für sich, und man fragt sich unweigerlich, wie die ganzen Stränge nachher zusammenlaufen werden; doch spätestens als sich die ersten begegnen, schließt sich der Kreis. Die Dynamik zwischen den Figuren empfand ich als extrem authentisch und greifbar – sowohl die derben Befehle, die innerhalb des Militärs herrschen; als auch die innigeren Verbindungen. Besonders positiv sticht auch ins Auge, dass es hier keine Lovestory gibt. Es mutet eventuell etwas an, doch thematisiert wird dies zu keiner Sekunde. Eine gelungene Abwechslung in all der Romantasy-Flut.
Flover, Luke, Okijen und Andra. Das sind die vier, die die Geschichte am Leben halten. Jeder für sich etwas Besonderes und einzigartig – und trotzdem nicht völlig von dieser Welt. Flover, der einen so hohen Rang beim Militär hat, und trotzdem der bodenständige beste Freund ist, den man einfach gern haben muss. Seine Ansichten und Entwicklungen sind bemerkenswert und machen ihn total sympathisch und zu jemandem, mit dem man sehr gut mitfiebern und mitfühlen kann.
Luke, der Praktikant, hinter dem so viel mehr steckt, als man zu Beginn noch vermutet. Seine Rolle innerhalb des Geschehens hat mich wirlich überraschen und einnehmen können. Obwohl er für mich der „normalste“ innerhalb der Gruppe war, bestach auch er durch Kampfgeist, Mut und Stärke, aber ebenso auch Herzlichkeit, Tiefe und Gefühl.
Andra blieb die undurchsichtigste der vier. Bei ihr tut man sich enorm schwer, ein Urteil zu bilden, weil man ganz deutlich merkt, dass sie was verbirgt. Obwohl sie oft nur als Anhängsel dasteht, ist ihre Rolle in „Neon Birds“ – oder besser gesagt, später in „Cyber Trips“ wohl deutlich größer als es anmutet. Ich jedenfalls bin extrem gespannt, was wir an ihrer Seite noch erleben werden und wie sie sich entwickeln wird. Grundsätzlich jedoch ist sie schon jetzt ein interessanter Aspekt, der auch in Band 1 der Trilogie bereits für den ein oder anderen Überraschungsmoment gesorgt hat.
Und zu guter letzt: mein Favorit: Okijen. Himmel, dieser Mann ist ein derart spannendes Wesen, dass man es kaum glauben mag. Attraktiv und sympathisch, offen wie ein aufgeschlagenes Buch und trotzdem irgendwie undurchsichtig und geheimnisvoll. Man muss ihn einfach lieben, weil sein Herz so groß und sein Mut noch größer ist, ohne dass er wie ein Softi wirkt.
Die anderen Figuren, wie beispielsweise Flover’s Mutter, Okijen’s Ex-Freundin, Marshall etc. empfand ich als überraschen ausgefeilt für ihre Rollen. Obwohl sie nur am Rande wichtig sind, hatte ich doch alle extrem klar vor Augen, konnte ein klares Verhältnis zu ihnen aufbauen und spürte die Vibes, die untereinander herrschen, ganz deutlich. Sowohl die, die positive Emotionen im Leser wecken, als auch die, die den Leser auf die Palme bringen sollen, erfüllen 100% ihre Aufgabe und sind greifbar und detailliert genug, um sie im Gedächtnis zu behalten.

Zum Schreibstil von Marie Graßhoff bleibt jetzt auch nicht mehr allzu viel zu sagen. Nichts von all dem, was ich im Laufe meiner Meinung gelobt habe, wäre derart lobenswert gewesen, wenn es nicht gut erzählt worden. Einnehmend, detailliert, rasant und spannungsgeladen – so lässt sich der Stil wohl am Besten beschreiben. Trotz des komplexen Worldbuildings und der anspruchsvollen Storyline hat es die Autorin geschafft, mich in Andra & Co.’s Welt zu entführen und mich dort zu begeistern. Es war rund herum verständlich, klar auf den Punkt gebracht und mit vielen nützlichen Detaills und Infos gespickt, ohne dass die Geschwindigkeit dabei nachließ. Auch die emotionalen Aspekte empfand ich als sehr gut rausgearbeitet und glaubhaft.
Und als letzter positiver Aspekt: die Gliederung. Die 4, bzw. 5 fünf verschiedenen Sichten sind ein wahrer Segen für die Geschichte. Nicht nur, dass sie für Abwechslung und Spannung sorgen, sie bringen auch ordentlich Tiefgang mit sich und lassen die Charaktere teilweise nochmal in ganz anderem Licht dastehen. Die Cliffhanger, am Ende der meisten Kapitel, animieren kontinuierlich zum Weiterlesen und das Buch aus den Händen zu legen, scheint oft unmöglich.

„Neon Birds“ von Marie Graßhoff ist ein Roman, den man einfach gelesen haben muss! Ein fulminanter Auftakt einer vielversprechenden Trilogie mit einem völlig neuartigen Worldbuilding und einer actiongeladenen, spannungsreichen Handlung. Vier außergewöhnliche Charakter und ein mitreißender, bildhaften Schreibstil runden die Highlight schließlich ab. Ein absoluter Erlebnis, in diese Welt abzutauchen und irgendwie erschreckend, wie nah das Ganze doch an der Realität ist. Denn sind wir ehrlich – so ein technischer Virus ist alles andere als unvorstellbar. Kurz um: lest dieses Buch, wenn ihr eine packende, rasante Geschichte lesen wollt, die in vielen Szenen an einen Actionfilm erinnert, die aber trotzdem auch das Zwischenmenschliche nicht außen vor lässt.

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Marie Graßhoff, geboren 1990 in Halberstadt/Harz, studierte in Mainz Buchwissenschaft und Linguistik. Anschließend arbeitete sie einige Jahre als Social-Media-Managerin bei einer großen Agentur, mittlerweile ist sie als freiberufliche Autorin und Grafikdesignerin tätig und lebt in Leipzig. Mit ihrem Fantasy-Epos Kernstaub stand sie auf der Shortlist des SERAPH Literaturpreises 2016 in der Kategorie „Bester Independent-Autor“.

(c) by Luebbe

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Luebbe Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen. Und natürlich dafür, das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.