||» Rezension «|| Never Doubt [von Emma Scott]
Emma Scott
Übersetzer: Inka Marter
New Adult
Einzelband
Manchmal braucht man die Worte eines anderen, um seine eigene Geschichte zu erzählen …
Für das, was vor einem Jahr geschah, hat Willow keine Worte. Erst als sie die Rolle der Ophelia am städtischen Theater bekommt, sieht sie eine Chance, ihren Schmerz mit den Zeilen Shakespeares in die Welt zu schreien. Ihr Hamlet ist Isaac Pearce, der Bad Boy der Stadt. Instinktiv versteht Isaac ihren Hilferuf, und mit jeder Konfrontation der tragischen Liebenden auf der Bühne kommen Willow und Isaac sich näher. Doch um wieder wirklich zu leben, muss Willow ihre eigene Stimme finden …
(c) by Lyx Verlag
Mit „Never Doubt“ hab ich nun das letzte Buch von Emma Scott von meinem SuB befreit. Ich bin schon seit der All In Dilogie ein riesiger Fan der Autorin und kann mich eigentlich immer 100% auf sie verlassen. Außer bei „Bring down the Stars“, das hat mich tatsächlich nicht komplett begeistern können. Aber wie sieht es nun mit der Geschichte von Willow und Isaac aus? Reiht sie sich in die Liga der Jahreshighlights oder aber gesellt sie sich doch eher zu dem einen, das mir nicht so gut gefiel? Das und noch vieles mehr verrate ich euch jetzt. Bleibt also gerne dran, wenn ihr mehr erfahren möchtet. Viel Spaß bei der Rezension. ♥
Der Einstieg war eher ruhig; gelingt aber dennoch auf Anhieb. Obwohl anfangs nicht allzu viel passiert und man stattdessen mit einigen wichtigen, wie auch interessanten Informationen versorgt wird, ist es doch ein unheimlich passender Start in diese Geschichte. Wir lernen zunächst erst einmal Willow und ihre Familie kennen, können uns im selben Zug ein erstes Bild von den Verhältnissen untereinander machen und erhalten Einblicke in die Psyche der 17-jährigen Schülerin. Ich war ehrlich gesagt etwas überrascht, dass mich die ersten Kapitel noch etwas zwiespältig stimmten; doch jetzt rückblickend lässt sich sagen: dieser langsame und ruhige Start war ein wahrer Segen für den Roman – denn das was danach kommt, ist umso emotionaler und prägender.
Denn kaum ist der Umzug von Manhattan nach Harmony über die Bühne, beginnt die Geschichte damit, einen komplett in ihren Bann zu ziehen; und zwar mit Haut und Haaren. Die Emotionen werden von Seite zu Seite intensiver, die Atmosphäre immer dichter und die Handlung nimmt immer mehr an Fahrt auf. Die Thematisierung der Tragödie „Hamlet“ von Shakespeare machte mir zunächst Angst, da ich weder von dem Stück selbst noch von Theater großartig Ahnung habe; doch Emma Scott ist es gelungen, das Ganze verständlich und trotzdem authentisch einzubinden. Besonders positiv fällt hier der Spagat zwischen Schauspiel-Handlung und Roman-Handlung auf. Die Parallelen zwischen Hamlet und der Geschichte der Protagonisten war deutlich erkennbar, aber doch nicht aufdringlich. Und es passte so wahnsinnig gut. Manchmal wirkte es, als würden zwei verschiedene Storys erzählt werden; manchmal kamen Momente, in denen beide ineinander übergriffen und zusammen schmolzen.
Dadurch, dass sich die Lovestory zwischen Willow und Isaac nur langsam entwickelt, blieb genügend Zeit, um andere Plots einzubauen und ihnen dementspechend Raum zu geben. Denn die beiden Protagonisten haben auch noch eigene Probleme im familiären Umfeld, die neben der Ruhe und Zartheit der Liebe einiges an Zündstoff ins Spiel brachten. Dieser Zündstoff sorgte schließlich auch dafür, dass der Spannungsbogen stets am oberen Limit lag. Gerade wenn sich Lovestorys langsam entwickeln, passiert es schnell dass das Erzähltempo abnimmt – doch die Autorin hat es meisterhaft geschafft, das zu umgehen. Ich fieberte mit, fühlte mit, ließ mich treiben und zu Wuttiraden hinreißen. Jede noch so kleine Emotion kitzelte Emma Scott aus mir heraus und ließ mich zudem mehr als einmal mit den Tränen kämpfen. Und stets begleitet einen dieser immense Schmerz, der aus jeder Pore des Buches dringt, ohne runterzuziehen oder depressiv zu wirken. Ich raste nur so durch die Seiten, wurde durch unerwartete Wendungen immer wieder vor den Kopf gestoßen und der Ausgang dieses Romans war schon frühzeitig nicht mehr absehbar. Jeder hofft auf das Happy End; doch begleitet man Willow und Isaac erst einmal eine Weile, ist man sich bald schon nicht mehr sicher, ob wir überhaupt noch darauf hoffen können.
Und weil ich gerade da nichts vorweg nehmen will, gibt’s nur wenige Worte zum Schlussteil des Buches: es war phänomenal. Die Intensität der Gefühle überraschte und überwältigte mich, ließ mich mal weinen und mal lachen und mal beides zugleich tun. Der Nervenkitzel, der da zustande kam, war derart unvorherhsehbar, dass es mich regelrecht aus den Socken haute. Doch schlussendlich lässt sich nur sagen: es war die perfekte Schlussphase: stimmig und rund und zutiefst bewegend.
Natürlich tragen auch die Charaktere ihren Teil dazu bei, dass man sich als Leser so emotional ergreifen lassen kann. Willow und Isaac sind so fernab des Mainstreams, dass es manchmal erscheint, als wären sie nicht von dieser Welt. Beide bringen eine Besonderheit mit, die dafür sorgt, dass man sich ihnen nahe fühlt, obwohl man vielleicht (oder hoffentlich!) nie die selben Erfahrungen machen musste wie sie. Beide sind auf ihre Art komplett nachvollziehbar und mit einer Lebendigkeit gesegnet, die man nicht in Worte fassen kann. Nicht nur greifbar und authentisch, sondern wirklich und in jeder Form dem echten Leben entsprungen. Immer wieder gab es Momente, in denen ich die Figuren regelrecht hören konnte. Ihre Dialoge waren auf ganzer Linie glaubwürdig, ebenso wie es ihre Emotionen und ihre Handlungen waren.
Willow ist eine junge Frau im zarten Alter von 17 Jahren, die etwas erleben musste, das man nicht einmal dem schlimmsten Feind wünscht. Um den Klappentext zu zitieren: „dafür gibt es keine Worte“. Und trotzdem war Willow nicht das kleine Mäuschen, das still und heimlich in ihrem Zimmer weint – obwohl die genau das tut. Aber sie trägt eine Stärke nach außen, die die Dunkelheit vertreiben kann. Es ist die Hoffnung, die Willow am Leben hält; und mit ihr die Stimmung um sie herum. Willow ist sympathisch, 100% authentisch und in ihrem Tun und Denken stets nachvollziehbar. Es fiel mir so leicht, mein Herz an sie zu verschenken, obwohl ihres gebrochen war. Wie oft wollte ich das Mädchen einfach in die Arme schließen und sie von der Außenwelt beschützen? Und wie oft bewunderte ich sie für ihren Mut und ihre Kraft, ihren unerschütterlicher Willen. Willow brachte genau die richtige Menge von allem mit und zusätzlich dazu legt sie auch noch eine enorme Entwicklung an die Tag. Aber auch die ist, wie sollte es anders sein, zur Gänze authentisch.
Isaac. Der 19-jährige Mann aus ärmlichen Verhältnissen, der in der Kleinstadt als Außenseiter und Bad Boy und als Sündenbock verschrien ist. Aber was steckt hinter der Fassade? Was musste dieser junge Kerl alles ertragen, um eine so dicke Mauer um sich herum zu errichten? Während des Lesens wird schnell klar: diese Mauern sind gerechtfertigt. Aber das „Schöne“ an ihm ist, dass sein Herz nicht schwarz ist. Es schlägt; für das Theater und für seine Lieben. Er ist loyal, verantwortungsbewusst und zuverlässig und das sind Eigenschaften, die ihn zum Leben erwecken. Gleichzeitig ist es auch sein Mut und seine Stärke, die ihn greifbar machen und der Verlauf seiner Entwicklung. Himmel. Isaac ist nahezu perfekt, und das obwohl er so viel Ecken und Kanten hat und nicht immer das tut, was richtig ist. Ich mochte diesen Jungen von der ersten Sekunde an, weil er vielschichtig und facettenreich ist; aber auch weil er mein tiefstes Mitgefühl hatte und meine Bewunderung. Denn das was er auf der Bühne zeigt, löste in mir jedes Mal etwas aus; etwas, das nicht zu beschreiben ist.
Als letzten Punkt die Nebenfiguren. Ich bin immer ein großer Fan von Abwechslung. Mir ist es immer wichtig, dass es auch Charaktere gibt, die negative Gefühle in mir wecken – aber hätte ich gewusst, was mich hier erwartet, hätte ich diese Meinung schnell geändert. Emma Scott hat es geschafft, (wie noch niemals zuvor), mich emotional so zu binden, dass ich meine Wut auf gewisse Personen kaum im Zaum halten konnte. Die Handlungen mancher stießen bei mir auf komplettes Unverständnis, auf Sprachlosigkeit und tiefste Verachtung. Das in mir zu wecken ist eine Kunst, die die Autorin hier definitiv beherrschte. Doch neben Wut und Verabscheuung regten sich auch andere Gefühle in mir; denn es gab nicht nur die negativen Charaktere, sondern eben auch die, die nicht nur der Handlung gut taten, sondern auch den Protagonisten. Ich denke, ich spreche für alle, die das Buch gelesen haben, wenn ich sage: jeder von uns braucht eine Angie in seinem Leben.
Der Schreibstil von Emma Scott bedarf eigentlich keiner Worte mehr. Oder besser gesagt: ich finde ohnehin nicht die richtigen, um zu beschreiben, was diese Frau kann. In die Geschichte von Willow und Isaac einzutauchen ist, wie eine andere Welt zu betreten. Allein die einnehmende Stimmung und die vorherrschenden Emotionen treffen einen mit einer Wucht, die einen umhaut. Diese Atmosphäre verschlang mich jedes einzelne Mal, wenn ich nach dem Buch gegriffen habe und die Gefühle übertrugen sich so intensiv, dass ich auch Stunden später noch immer den Nachhall davon am eigenen Leib spürte. Dabei lässt sich das Buch dennoch wahnsinnig schnell und sehr einfach lesen; man rauscht nur so durch die Seiten und tut sich schwer, mal eine Pause einzulegen. Die Tiefe, mit der Emma Scott erzählt ist beeindruckend und in ihrer Sprache schwingt immer etwas poetisches mit. Es scheint, als habe sie jedes einzelne Wort genau da hingesetzt, wo es hingehörte und sich sich kein einziges Mal vertan. Dieser Schreibstil ist einfach perfekt; in jeder Form.
Dazu die Gliederung: die Kapitel sind kurz und knackig, beinhalten aber alles, was nötig ist, um zu begeistern und zu berühren. Wir dürfen hier sowohl aus Willow’s Sicht lesen, als auch aus Isaac’s Perspektive und der Tiefgang intensiviert sich mit jeder einzelnen Passage. Die zwei unterschiedlichen Sichten machen auch die Charaktere nochmal klarer; nochmal bildhafter und greifbarer und ist – wer hätte es gedacht – perfekt auf das Buch abgestimmt.
„Never Doubt“ von Emma Scott hat mich von der ersten, bis zur letzten Seite komplett umgehauen. Diese unheimlich realistischen Emotionen sind, gefühlt, nicht von dieser Welt und konnten mich berühren, wie kaum etwas zuvor. Ich werde wohl, im Gegensatz zu der Autorin, nie die richtigen Worte finden, um meine Empfindungen dem Buch gegenüber auszudrücken – aber es war eine Wucht. Ein absolutes Jahreshighlight 2020 und deshalb gibt’s von mir auch eine bedingungslose Lese-Empfehlung. (eigentlich ein Lesezwang; aber so deutlich will ich das nicht sagen). Lest dieses Buch. Ihr werdet es in keiner Sekunde bereuen. Danke für dieses Erlebnis und danke für all die Tränen, die geflossen sind.
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Emma Scott schreibt am liebsten Liebesgeschichten mit nicht so perfekten Charakteren, über Menschen mit einer Künstlerseele, Menschen, die Bücher lieben und schreiben. Diversität, Toleranz und Offenheit sind ihr ein wichtiges Anliegen. Mit ihren Romanen, die sie als Self-Publisherin herausbrachte, hat sie sich eine treue und begeisterte Fangemeinde erschrieben.
(c) by Lyx Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Lyx Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.
Deine Rezension trifft es genau auf den Punkt. Das Buch ist perfekt – von vorne bis hinten! Ein wahres und einzigartiges Meisterwerk! Definitiv mein Liebstes der Autorin <3