||» Rezension «|| Playlist [von Sebastian Fitzek]
Sebastian Fitzek
Psychothriller
Band 3 von 3
Augensammler-Reihe
Musik ist ihr Leben. 15 Songs entscheiden, wie lange es noch dauert
Vor einem Monat verschwand die 15-jährige Feline Jagow spurlos auf dem Weg zur Schule. Von ihrer Mutter beauftragt, stößt Privatermittler Alexander Zorbach auf einen Musikdienst im Internet, über den Feline immer ihre Lieblingssongs hörte. Das Erstaunliche: Vor wenigen Tagen wurde die Playlist verändert. Sendet Feline mit der Auswahl der Songs einen versteckten Hinweis, wohin sie verschleppt wurde und wie sie gerettet werden kann? Fieberhaft versucht Zorbach das Rätsel der Playlist zu entschlüsseln. Ahnungslos, dass ihn die Suche nach Feline und die Lösung des Rätsels der Playlist in einen grauenhaften Albtraum stürzen wird. Ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit, bei dem die Überlebenschancen aller Beteiligten gegen Null gehen …
(c) by Droemer Knaur Verlag
Wie jedes Jahr, so fieberte ich auch dieses wieder diesem einen, ganz besonderen Datum entgegen: dem Erscheinungstermin des neuen Psychothrillers von Sebastian Fitzek. Und da war er dann, der 27. Oktober und ich hab gefühlt sämtliche Anlaufstellen für Bücher hier in der Umgebung abtelefoniert – aber niemand hatte das Buch vorrätig. Also prompt beim großen A bestellt und schon ein Tag später konnte ich mich in die Geschichte stürzen. Die Songs hatte ich mir übrigens schon im Vorfeld mal kurz im Schnelldurchlauf angehört. Wie mir das Buch schlussendlich gefallen hat und ob es tatsächlich an mein persönliches Highlight „Der Heimweg“ heranreichen konnte, erzähle ich euch jetzt, ganz ausführlich. Falls ihr also neugierig seid, bleibt gerne dran. Viel Spaß bei der Rezension.
Ganz wie man es von Fitzek kennt, erzählt er seine Geschichte enorm flüssig und schnell, sodass sich das Buch einfach und vor allem sehr zügig lesen lässt. Die Kapitel sind bewusst kurz gehalten, und am Ende stets mit einem Cliffhanger versehen, sodass man gar nicht mehr aufhören kann zu lesen. Durch die verschiedenen Perspektiven wird der Spannungsbogen massiv in die Höhe getrieben und gleichzeitig sorgen sie für Abwechslung und Vielfalt. Der Autor erzeugt mit bloßen Worten einen regelrechten Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann, denn die einzelnen Szenen sind sowohl plastisch wie auch greifbar ausgearbeitet und verschlingen einen mit Haut und Haaren. Man fühlt sich als Leser wie ein Teil des Geschehens, verliert sich in der Handlung und fiebert intensiv mit den Figuren mit. Allein die dichte Atmosphäre, die einem von Zeit zu Zeit Gänsehaut und Herzrasen beschert, ist eins der Merkmale, wofür ich die Thriller von Sebastian Fitzek liebe.
Die Idee hinter „Playlist“ ist schlicht genial. Nicht nur, dass die Geschichte einiges an Unterhaltung und Spannung verspricht, auch das einzigartige Drumherum fügt sich perfekt in dieses Bild ein. Fitzek sagte beim Premiere-Event, dass er selbst nicht recht wisse, wie man Buch und Musik handhaben soll – erst Buch, dann Musik? Erst Musik, dann Buch? Abwechselnd? Fakt seie jedenfalls: wenn man das Buch gelesen hat, höre man die Songs mit anderen Ohren, und wenn man die Songs kenne, lese man das Buch mit anderen Augen – und dem stimme ich definitiv zu. Alles griff wie Zahnrädchen ineinander, ergänzte sich gegenseitig und verband sich zu einem beispiellosen Lesevergnügen. Aber zurück zur Geschichte an sich:
Der Einstieg ist mehr als einnehmend, denn schon auf den ersten Seiten wird eine der größten offenen Fragen in den Raum geworfen, und daran hangelt sich der weitere Verlauf entlang. Es ist, von Sekunde Eins an enorm spannend insziniert und das Mitfiebern fällt einem kinderleicht. Schon früh also können wir Leser damit beginnen, eigene Überlegungen anzustellen und mitzurätseln, werden allerdings immer wieder gezielt in die Irre geführt und müssen deshalb gleich mehrmals wieder von vorn beginnen mit den eigenen Vermutungen. Neben diesem Aspekt spielt die Spannung natürlich die tragendste Rolle. Spannung, die regelrecht mit Händen greifbar war und mich komplett fesseln konnte. Ich bin immer noch geflasht, wie gebannt und mitgerissen ich war; wie sehr ich mitfieberte und mitfühlte, miträtselte und mitlitt. Feline ist bereits seit mehreren Tagen verschwunden – wo steckt sie, wer hat sie entführt, überlebt sie die Prozedur? Fragen über Fragen, und weil gleich mehrere Handlungsstränge ihre eigenen Ermittlungen verfolgen, sind wir Leser dazu angehalten, die Puzzlestücke zusammen zu setzen. Was für ein faszinierendes Verwirrspiel, was der Autor da betreibt. So viele Eckpunkte, die alle eine wichtige Rolle spielen könnten; so viele Verdächtige, so viele mögliche Erklärungen und am Ende schafft es Fitzek trotzdem, einen alles vergessen zu lassen, woran man während des Lesens geglaubt hat und uns einen „Bitte was?“-Moment nach dem anderen vor den Latz zu knallen. Die oben erwähnten kurzen Kapitel, die immer, wirklich immer mit einem kleinen Cliffhanger endeten, machten dieses Buch zu einem wahren Pageturner. Und erstickten ganz nebenbei jede Form von Länge im Keim. Keine Sekunde kam sowas wie Langeweile auf, weil ständig irgendwas Neues ans Licht kam, das es zu durchleuchten galt, weil ständig Wendungen aufkreuzten, die einen kompletten Richtungswechsel mit sich brachten und nicht zuletzt, weil die gesamte Geschichte einfach enorm schnell voran prescht. Dazu noch die Songs, die alles intensiver machten und sich so perfekt ins Bild einfügten. So gut durchdacht, so spannend, so actionreich, so verwirrend, so wendungsreich, wie es nur dieser Autor kann.
Das Ende steckt voller Überraschungen, lässt einen fast sprachlos zurück und schafft es, dass ich mir auch lange nach dem Beenden des Buches noch zahlreiche Gedanken machte. Diese Geschichte konnte doch nicht so ausgeklügelt und ausschweifend sein, so „groß“, dass sich nirgendwo ein Logikfehler versteckte, oder? Mein Fazit: Doch! Sie kann. Jede offene Frage wurde beantwortet, jeder Handlungsstrang zu Ende gedacht und alles griff in Perfektion ineinander. Das nochmal angehobene Tempo, indem sich die letzten Szenen abspielten, riss mich beinah von den Füßen und obwohl es bereits tiefste Nacht war, war der Schlaf mehr als nebensächlich! Ich musste wissen, wie es endet – ich musste jede Seite inhalieren und immer wieder tief durchatmen, um mich zu beruhigen. Ein perfekter Psychothriller, der definitiv zeigt, wie unfassbar groß Fitzek’s Talent ist und wieso er einen so wahnsinnigen Erfolg hat!
Einer der Handlungsstränge wurde besetzt mit Alexander Zorbach und Alina Gregoriev. Und damit sind wir bei dem einen Punkt, der für ein wenig Kritik sorgte. Ich kannte die beiden zuvor nicht; heißt: ich habe den Augensammler und den Augenjäger nicht gelesen. Und es wurde in meinen Augen viel zu undeutlich kommuniziert, dass das hier quasi der dritte Band davon ist. Positiv ist dabei, dass es dennoch zu keinen Verständnisproblemen kam; man kann „Playlist“ problemlos ohne Vorwissen lesen – aber(!!) man spoilert sich massiv zu den anderen beiden Büchern; und die sind für mich nun hinfällig. Da hätte ich mir im Vorfeld deutlich mehr Infos gewünscht, um eben genau das zu vermeiden. Nun denn, wie gesagt: es schmälerte das Lese-Erlebnis dieses Buches nicht, ist aber eine Tatsache, die für mich erwähnenswert ist. Zurück zu den Charakteren:
Alexander Zorbach und Alina Gregoriev sind also zwei alte Bekannte; für mich allerdings komplett Fremde, sodass ich sie erst einmal kennenlernen und mir ein Bild der beiden machen musste. Was mir erstaunlich leicht fiel, für das, das mir Vorwissen fehlte. Beide sind hochgradig interessante Persönlichkeiten, die jeweils für sich einiges an Last auf ihren Schultern trugen und deshalb auch ordentlich Tiefgang erhalten hatten. Beide sind auf ihre Art und Weise sympathisch, sehr passend für diesen Thriller und dementsprechend sehr authentische Figuren, die der Geschichte zusätzliche Lebendigkeit einhauchten. Ich fieberte und fühlte intensiv mit den zweien mit und ertappte mich öfters dabei, wie ich mich schon wieder auf ihre Kapitel freute. Die ganze Dynamik zwischen ihnen fiel auch absolut glaubhaft aus und ich fand es großartig, wie sie in den entsprechend wichtigen Momenten doch zusammenarbeiteten und sich blind vertrauen konnten. Ein großartiges Ermittler-Duo, das mal nicht der Polizei angehörte. Desweiteren fällt auch eine gewisse Entwicklung von Alex und Alina ins Auge. Sie sind auf menschlicher Ebene quasi über sich hinaus gewachsen und bewiesen durch Mut und logisches Denkvermögen einiges an Stärke und Souveränität. Was sie erlebt haben, schweißt sie irgendwie zusammen – und hält sie trotzdem auf Abstand.
Doch neben ihnen spielten natürlich noch zahlreiche, weitere Charaktere eine wichtige Rolle. So lernen wir die Eltern von Feline schon früh kennen und das Mitgefühl, das sie in mir hervorriefen, nahm mich direkt für sie ein. Thomas, ein gebrochener Mann, der nur noch ein Schatten seinerselbst ist, seitdem sein kleines Mädchen verschwunden ist und Emilia, die mindestens genau so sehr litt, wie ihr Mann aber anders damit umging. Beide sind nicht zwingend Sympathieträger, doch bringen sie die nötigen Emotionen ins Spiel und erhielten neben Mitgefühl auch mehr als einmal Bewunderung entgegengebracht von mir. Wie denn auch nicht, immerhin halten sie sich, trotz des großen Verlusts aufrecht und geben die Hoffnung nicht auf, Feline doch noch lebend zu finden. Besonders positiv fällt bei diesem Thriller auch ins Gewicht, wie gut es Sebastian Fitzek gelungen ist, Undurchsichtigkeit in jeden einzelnen Charakter zu bringen. Irgendwann geriet absolut jeder Mal ins Fadenkreuz meiner Ermittlungen und während ich den einen anfangs noch blind vertraute, so wuchsen meine Zweifel immer mehr an und brachten mich zusätzlich durcheinander. Wer zum Teufel spielte hier denn nun ein falsches Spiel und wem tat ich unrecht? Egal ob Randfigur oder Protagonist, sie alle waren absolut greifbar und lebendig ausgearbeitet, mit Details versehen und in gewisser Weise auch tiefgründig. Merkte man schlussendlich wohl auch daran, dass ich mich selbst über die wenigen Auftritte mancher Figuren freue, die gar nicht mal so sehr zum eigentlichen Handlungsablauf beitrugen. Obwohl ich etwas enttäuscht bin, dass diese Spoiler zu den beiden Augensammler-Thrillern gefallen sind, änderte das absolut überhaupt gar nichts daran, dass ich mit „Playlist“ von Sebastian Fitzek ein absolutes Jahreshighlight gelesen habe. Ein undurchsichtiger, abwechslungsreicher und vielschichtiger Psychothriller, der den Leser immer wieder bewusst in die Irre führt und nie ganz offenlegt, worauf am Ende alles hinauslaufen wird. Spannung, Action, Rasanz und mehr als schockierende Wendungen machen das Buch zu einem echten Pageturner und das Lesen gleichermaßen zu einem Erlebnis, wie auch zu einem Horrortrip. Unfassbar gut insziniert, mit vielen verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Ermittlungsergebnissen. So konnte ich es selbst in die Hand nehmen und die Puzzleteile Stück für Stück zusammensetzen – bin allerdings kläglich gescheitert, denn die Auflösung fegte mich quasi von den Füßen. Kurz um: einer der besten Psychothriller, die ich die letzten Jahre gelesen habe; mit dem netten Bonus einer echten Playlist, die das Leseerlebnis perfektioniert.
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Sebastian Fitzek, geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster Autor. Seit seinem Debüt „Die Therapie“ (2006) ist er mit allen Romanen ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden. Mittlerweile erscheinen seine Bücher in sechsunddreißig Ländern und sind Vorlage für internationale Kinoverfilmungen und Theateradaptionen. Als erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet und 2018 mit der 11. Poetik-Dozentur der Universität Koblenz-Landau geehrt. Er lebt in Berlin.
(c) by Droemer Knaur Verlag
An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Droemer Knaur Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.
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