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22. Januar 2023 1 Von Patchis Books
SCHATTENGOLD
– ach, wie gut, dass niemand weiß .. –
Christian Handel
Dark Fantasy || Märchenadaption
Einzelband
400 Seiten
01. Dezember 2022
Piper Verlag
Hardcover
20,00€
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#werbung #rezensionsexemplar


Drei Dinge muss Farah ihren Eltern versprechen: Iss nie etwas, das dir Feen anbieten. Verrate ihnen nicht deinen Namen. Und am wichtigsten: Lass dich unter keinen Umständen auf einen Handel mit dem Dunklen Volk ein. In diesem Sommer wird Farah jedes einzelne dieser Versprechen brechen.

(c) by piper Verlag

Ich hab dieses Buch in der Vorschau des Piper Verlags entdeckt und wusste sofort: das muss ich lesen! Cover, Klappentext, Autor .. hier passte meiner Meinung nach alles und so war ich wirklich sehr hyped auf die Geschichte. Ich war mir einfach sicher, dass das ganz großes Kino werden könnte. Aber wie immer öfters in letzter Zeit, versuche ich meine überschwängliche Euphorie in Zaum zu halten, um am Ende nicht völlig enttäuscht zurückgelassen zu werden. Aber kann mich Christian Handel wirklich enttäuschen? Bisher dachte ich, das wäre gar nicht möglich .. aber vielleicht ist „Schattengold“ ja nun meine Belehrung? Oder aber es ist eins der ersten Jahreshighlights in 2023. Was davon zutrifft, erzähle ich euch jetzt ganz ausführlich. Falls ihr also neugierig seid, dann bleibt gerne dran. Ich wünsche euch viel Spaß mit der Rezension.

Märchenadaptionen sind immer so eine Sache. Entweder, sie wirken wie ein billiger Abklatsch, oder aber sie sind dermaßen genial, dass das Märchen, das adaptiert wurde, im Vergleich dazu regelrecht verblasst. Aber wie sieht es hier aus? Ist es Christian Handel wirklich gelungen, Rumpelstilzchen neu zu erfinden? Von der Idee her hatte „Schattengold“ auf alle Fälle schon mal das Potential, zu begeistern. Der Klappentext las sich super und versprach eine spannende Handlung, interessante Fantasy-Elemente und mitreißende Atmosphäre. Was dann aber kam, machte mich trotzdem sprachlos.
Schon der Einstieg lässt erste Anzeichen der Düsternis erahnen, die uns noch erwarten würde und ist exakt so inszeniert, dass zwar einiges an Infos und Erklärungen vermittelt wurde, aber auch schon ein gewisser Spannungsbogen entstehen konnte. Die Kennenlernphase mit Farah, und mit der Welt, die der Autor erschaffen hat. zog mich direkt in ihren Bann und ließ mich freudig darauf hinfiebern, was da wohl noch so für Aspekte auf mich warten sollten. Wir treffen inmitten von Farah’s Alltag ein, begleiten sie dabei, wie sie ihren Tag meistert und erleben mit, was so auf ihrer Agenda steht. Ein Spaziergang zum Grab der Mutter, ein Besuch bei der Freundin, und die Arbeit in der Mühle des Vaters. Das scheint zwar auf den ersten Blick belanglos, bot aber die Möglichkeit, eine Verbindung zur Protagonistin herzustellen und sich leichter in der Geschichte zurechtzufinden. Allgemein war das erste Drittel bereits mit so einer Sogwirkung ausgestattet, dass es einem schwer fällt, das Buch auch mal wegzulegen. Mit Sicherheit ist das mitunter der Atmosphäre zu verdanken, die von Beginn an sehr märchenhaft, aber auch etwas dunkler ausfällt. Es gibt so viel zu entdecken, was neu und erfrischend war und mich als Leser verzaubern konnte. 
Als dann so langsam klar wird, was Christian Handel hier plant, gesellte sich zur Begeisterung eine weitere Emotion: Angst. Angst um Farah und ihre Familie. Angst um die Zukunft der jungen Frau. Angst um das gewohnte Leben von ihr. Oder besser gesagt, die Befürchtung, dass Farah einiges einstecken werden muss. Und es kam, wie es kam. Es wurde zunehmend spannender, trieb meinen Puls in bedenklich Höhen und löste sogar hier und da Beklemmung aus. Mir gefiel die Entwicklung, die die Geschichte macht, unsagbar gut, weil eben ständig neues dazu kam und Christian Handel damit für eine gehörige Portion Abwechslung sorgt. Mal ist es märchenhaft schön, mal scheint eher die böse Königin die Macht über die Handlung bzw. die Stimmung zu haben. Das ganze Worldbuilding ist darauf ausgelegt, uns mitten hinein zu ziehen und so oft sah ich mich inmitten einer Lichtung stehen, wo das Moos grasgrün in der Sonne glänzt, die Schmetterlinge fliegen und Vögel ihre Liedchen trällern. Aber mindestens genauso oft watete ich durch den düsteren Firnwald, mich hektisch umschauend, immerzu auf der Hut, immer mit dem Bösen rechnend. Ich war gefangen, mit Haut und Haaren gefangen in dieser Geschichte. Die Spannung, die dauerhaft in der Luft liegt und die besagte Unklarheit, ob es wirklich alle lebend überstehen, trug ebenfalls dazu bei, dass in mir der Wunsch entstand, diese Story würde niemals enden. So temporeich und vielschichtig, und stellenweise auch wahnsinnig emotional. Damit wurden wirklich alle Komponenten eingebracht, die bei einem Fantasybuch nötig sind, um zu überzeugen. Nach dem mehr als genialen Mittelteil war ich dann echt gespannt, wie der Autor da noch eine Schippe drauflegen will. Es war undenkbar, dass das Tempo noch mehr, noch schneller werden würde; die Spannung noch intensiver und die Handlung im Allgemeinen noch explosiver – aber wieder konnte ich positiv überrascht werden. 
Das Ende bot nämlich sehr wohl nochmal eine Steigerung! Es wurde ein regelrechtes Feuerwerk entzündet; und auch wenn die finale Szene nicht unheimlich lang war, so war sie doch der perfekte Abschluss für diese grandiose Geschichte. Hochgradig rasant werden wir durchs Geschehen gejagt, treffen auf Action, Spannung und Nervenkitzel und erleben die Atmosphäre nochmal intensiver, nochmal anders, nochmal eingehender. Ich hab selten so sehr mit einer Figur – bzw. mit gleich mehreren mitgefiebert und die große Auflösung kam für mich total unerwartet, sodass ich am Ende nur Staunen konnte, wie stimmig der Autor das alles inszeniert, miteinander verwoben und entschlüsselt hat. 

Genau so vielschichtig wie die Handlung, so sind es auch die Figuren. Hier wurde eine bunte Truppe zusammengestellt, die sich kaum unähnlicher sein könnte, aber doch perfekt ergänzt. Es ist offensichtlich, dass es Christian Handel wichtig war, jedem der Beteiligten ein entsprechendes Maß an Tiefgang zu verleihen und damit jeden zum Leben zu erwecken. Es ist völlig gleich ob Farah als Protagonistin oder der Wirtshausbesucher, der wirklich nur Mittel zum Zweck war .. alle haben jede Menge Details verpasst bekommen und waren so in jeder Situation, ja fast mit jedem Gesichtsausdruck, vor meinem inneren Auge erschienen. Die Diversität ist ein weiterer, klarer Pluspunkt. Ganz alltäglich wird hier davon berichtet, wie ein Mann sich in einen anderen verliebt, ohne daraus ein riesiges Spektakel zu machen. Es war ein Fakt, der eben erwähnt, aber auf keine extra Stufe gehoben wurde. Und das verdient größten Applaus! Auch in Anbetracht dessen, dass wir es nicht nur mit menschlichen Wesen zu tun haben, sondern auch mit Fantasygestalten, ist die Leistung des Autors nur umso beeindruckender.  Besser kann man eine Charaktergestaltung nicht handhaben. Und erst recht nicht, wenn die Figuren dann auch noch so perfekt in die Geschichte passen. Farah und ihr Bruder, die Königin und der Kronprinz; die jeweiligen besten Freunde der Hauptfiguren. Jeder von ihnen fügte sich ein, brachte erfrischende, neue Blickwinkel mit oder aber war selbst ein Dreh- und Angelpunkt. Jeder sorgte dafür, dass das Tempo dauerhaft auf hohem Niveau gehalten wurde und selbst wenn mal Ruhe einkehrt, sind es dann umso interessantere Dialoge, die währenddessen unterhalten.
Mit Farah wird eine tapfere, mutige Protagonistin ins Rennen geschickt, die einen problemlos an der Hand nimmt und mitten hinein zieht ins Abenteuer. Von Anfang an hatte ich eine klar erkennbare Verbindung zu der jungen Frau, deren Schicksal es in der Vergangenheit nicht immer gut mit ihr meinte. Farah musste bereits einiges einstecken, und trifft auch heute noch auf Menschen, die ihr nicht wohlgesinnt sind. Noch so ein Aspekt innerhalb der Geschichte, der nachhallt. Mit genau solch sympathischen Figuren lässt sich die Wirkung von bösem Gerede hinterm Rücken umso deutlicher darstellen. Durch Farah sehen wir, dass es eine extreme Kraft kostet, das alles an sich abprallen zu lassen und dass man sich noch so viel Mühe geben kann – der ein oder andere Hieb dringt dann doch immer durch die Schutzmauer. Christian Handel hat sich also auch dahingehend offensichtlich viele Gedanken gemacht, welche aktuellen Themen er anhand von Farah und ihren Freunden (und Feinden) behandeln will – und das ist ihm in jeder erdenklichen Hinsicht gelungen. Ich fieberte mit Farah mit; aber vor allem Dingen fühlte ich mit ihr mit. Es wird einem so leicht gemacht, sich mit ihr zu identifizieren und sich von ihrem Empfindungen ergreifen zu lassen. Dafür sorgt mit Sicherheit auch ihre sehr menschliche, lebendige Ausstrahlung, die total real wirkt. Farah ist eine ganz normale junge Frau, mit Ecken und Kanten, mit Ängsten, Zweifeln und Fehlern. Sie kann ebenso am Boden zerstört sein, wie das imaginäre Schwert schwingen und einen Rundumschlag nach dem anderen zu vollziehen. Das ließ sie sehr bodenständig, aber doch besonders erscheinen. Im Grunde hatte Farah wahnsinnig viele Facetten, die es zu erkunden gilt. Wir haben die brave Müllerstochter, die Rebellin und schlussendlich auch die kämpferische Frau, die für ihre Liebsten durchs Feuer geht. Loyalität steht ihr also mindestens genau so sehr im Fokus, wie ihre Neugier und ihr Talent, sich immer tiefer in Schwierigkeiten zu reiten. So war sie eben, und genau das mochte ich an ihr. Ebenso wie ihren Mut, ihren Ehrgeiz und ihr großes Herz. Sie war so voller Authentizität. Sie war einerseits sehr reif für ihr Alter, andererseits wies sie dann doch noch eine gesunde Portion Naivität auf, was ebenfalls gut passte und für den ein oder anderen Wendepunkt sorgte. Kurz um: Farah ist zu einer wahren Freundin geworden, die ich wirklich nur schwer ziehen lassen kann..

„Schattengold“ von Christian Handel war, trotz hohen Erwartungen, noch immer eine riesengroße Überraschung! Das Buch brachte alles mit, was ein unvergesslicher Fantasy-Roman so braucht: absolut genial ausgearbeitete, düstere Atmosphäre, Nervenkitzel, Spannung, Undurchsichtigkeit, Authentizität, Lebendigkeit, Wendungen, großartige Figuren, wichtige Messages, Tempo und ein einmaliges Setting. Wirklich. Ich bin noch immer ein bisschen sprachlos und tu mir offensichtlich schwer, meine Begeisterung für diese Geschichte in Worte zu fassen, weil es dafür gar nicht die richtigen Beschreibungen gibt. Ich war, von der ersten, bis zur letzten Seite restlos gefesselt und musste mich oft zwingen, mal eine kurze Pause einzulegen, um nicht zu schnell durch die Story zu schlittern. Mit diesem Werk hat der Autor also ganz klar bewiesen: Märchenadaptionen bzw. Schreiben ganz allgemein, kann er. Absolutes Highlight!


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Christian Handel wurde in der Schneewittchen-Stadt Lohr am Main geboren, die im sagenumwobenen Spessart liegt. Inzwischen lebt er allerdings in Berlin und ist selbst davon überrascht, wie sehr er sich als Landpflanze im Großstadtdschungel wohlfühlt. Er begeistert sich für Stoffe über starke Frauen, märchenhafte Motive und queere Themen. Die von ihm herausgegebene Anthologie „Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln“ wurde 2017 mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet, sein Debütroman „Rosen & Knochen“ wurde 2018 für den Literaturpreis SERAPH nominiert.

(c) by Piper Verlag

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Rezension meiner ganz persönlichen Meinung entspricht und bei jedem Leser anders ausfallen kann. Außerdem möchte ich mich gerne beim Piper Verlag bedanken: für alle Bilder und Klappentexte sowie Zitate benutzen zu dürfen.